„Für einen Marathonlauf fängt man auch nicht erst am Vortag an zu trainieren“ Studieren im Homeoffice
Mit dem Timer den Stundenplan einhalten, kommunizieren mit dem Sprachkanal „Tentomax“, Videovorlesungen nacharbeiten, lernen mit Skripten und Erklärvideos am heimischen Schreibtisch, aber auch wenig frequentierte Tutorien und leere Onlinesprechstunden: Die beiden Studenten Dominic Jost und Christian Dietrich, die im vierten bzw. im zweiten Semester Maschinenbau studieren, berichten über ihre Erfahrungen mit dem digitalen Sommersemester.
Ein Semester in Präsenz, ein Semester online, so hat Christian Dietrich sein Studium bisher erlebt. Zu Beginn des Maschinenbaustudiums stehen große Grundlagenveranstaltungen im Curriculum an, die er im Wintersemester im Hörsaal und im Sommersemester am heimischen Schreibtisch besucht hat. „Meine vier Lehrveranstaltungen sind sehr gut auf Online-Formate umgestellt worden“, berichtet Christian Dietrich. „In großen Vorlesungen ist der Unterschied nicht so groß, ob ich mit 400 Leuten im Saal sitze oder vor meinem Rechner. Ich kann auch ganz gut von zu Hause arbeiten.“ Es hätte zwar etwas gedauert, bis sich alles eingespielt hat, aber auch Dominic Jost war mit den großen Online-Vorlesungen sehr zufrieden. „Der Aufbau der Videos ist im Laufe des Semesters immer besser geworden, ich konnte sehr gut folgen. Die Lehrenden haben ein sehr gutes Know-how erworben. In den Vorlesungen ist die Professorin oder der Professor und die Folien zu sehen und wenn die Lehrenden etwas an die Tafel schreiben, wird es eingeblendet. Das war sehr hilfreich“
Studieren mit Timer
Ganz wichtig für die beiden Studenten ist ein strukturierter Tagesablauf. Eine Orientierung bot der Stundenplan, der für das Präsenzsemester vorgesehen war. Die Live-Veranstaltungen, die beide besuchten, fanden wie geplant, nur eben online, statt und die asynchronen Lehrveranstaltungen wurden in der Regel zu den Zeiten des Stundenplans hochgeladen. Auch die Online-Sprechstunden lagen, wie in Präsenz vorgesehen, so kam es nicht zu zeitlichen Überschneidungen. „Das war wirklich gut gemacht“, so Dietrich. „Ich habe meinen Rhythmus raus. Ich habe mir eine To-do-Liste angelegt, auf der stand, was ich für den Tag schaffen musste und arbeitete dies ab.“ In dieser Zeit lag das Handy weit weg und wenn der Timer nach drei Stunden klingelte, war für Christian Dietrich Pause angesagt.
Immer am Ball bleiben
Dominic Jost schaute täglich auf die Lernplattform Stud.IP, welche Vorlesungen und Unterlagen eingestellt wurden und arbeitete diese ab. Auch er strukturierte sich mit einem täglichen Stundenplan, den er individuell anpasste. Die freiere Zeiteinteilung durch asynchrone Lehrveranstaltungen war für ihn vorteilhaft. „Wenn ich tagsüber etwas vorhatte, wie mein Umzug in eine neue Wohnung, habe ich nichts verpasst und konnte abends und nachts den Lehrstoff bearbeiten.“ Man müsse nur immer am Ball bleiben und möglichst wenig schieben, betont er. Einen Vorteil sieht Jost auch im Nacharbeiten der Vorlesungen: „Ich konnte die Videos stoppen, zurückspulen und die Sequenzen nochmals schauen.“ Die freiere Zeiteinteilung fand auch Dietrich prima. Wenn er für ein paar Tage in seine Heimat fuhr, arbeitete er vor. Aufschieben sieht er eher als Problem: „Im ersten Moment denkt man, klasse, ich kann mir alles selber einteilen. Der Unterschied ist aber, dass man zu Präsenzveranstaltungen hingeht und dadurch bereits einige Stunden erledigt hat und zu Hause einfach noch ein paar Stunden oben drauf packt.“ Im Online-Sommersemester startete er jeden Tag bei null zu Hause und musste zu sehen, dass er auf sein Pensum kam. Sein Credo: „Für einen Marathon fängt man auch nicht erst am Vortag an zu trainieren.“ Professor Dirk Langemann hat ihn in der Mathevorlesung mit diesem Vergleich überzeugt.
Studierendenfeeling fehlt
Auch wenn beide von zu Hause arbeiteten, standen sie in engem Kontakt zu ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Jost traf sich mit ihnen in freigeschalteten Video-Räumen, um gemeinsam den Lehrstoff durchzugehen. Auch fanden regelmäßige persönliche Treffen zu zweit statt. „Aber es fehlte halt doch der Austausch zu weiteren Studierenden, mit denen man privat weniger zu tun hatte, aber neben denen man in der Vorlesung sitzt.“ Und natürlich fehlt Jost das Studierendenfeeling: „Einfach mal von der Bibliothek zum Zelt laufen, gemeinsam in die Mensa gehen und in der Bibliothek lernen. Jetzt wird in der eigenen Wohnung gelernt, hier kann ich nicht sagen, so jetzt ist Schluss, ich gehe nach Hause.“ Aber beide Studenten sind sich einig: Studieren im Elternhaus in ihrer Heimat in Emden und in Neustadt an der Weinstraße ist keine Alternative. „Studieren in der eigenen Wohnung am Studienort ist effektiver.“
Statt Vorlesungen im Tentomax, jetzt Sprachkanal „Tentomax“
Auch Christian Dietrich fehlen die Kommilitoninnen und Kommilitonen. „In der Vorlesung macht man mal einen Scherz mit dem Banknachbarn oder der Banknachbarin, das macht den Studienalltag angenehm und manchmal sogar lustig.“ Mit vier bis fünf Kommilitonen ist Christian Dietrich eng im Austausch. In einem Kommunikationsprogramm haben sie sich einen Sprachkanal „Tentomax“ angelegt. Hier gab es für jede Lehrveranstaltung einen eigenen Textkanal. „Wir wissen uns zu helfen und haben das Beste daraus gemacht“, lautet seine Devise. Das Online-Semester hatte für ihn auch etwas Positives: Er hat sich stärker digital organisiert. Seine Mitschriften hat er digital angefertigt und alles miteinander vernetzt. „Ich kann mir aus Browsern etwas ausschneiden und als Bild gleich in meine Mitschrift einfügen.“ Neben dem persönlichen Kontakt fehlt Christian Dietrich aber auch die Mensa. „Alles, was man auf zwei Platten und mit einem Wasserkocher zu bereiten kann“, steht auf seinem übersichtlichen Speiseplan.
Herausforderung für die Lehrenden
Dominic Jost kennt aber auch die Seite der Lehrenden und ihre Herausforderungen. Als Tutor am Institut für Computational Mathematics betreut er seit zwei Semestern kleine Übungen. Er gab jede Woche frühmorgens zwei Tutorien in der Ingenieurmathematik B. Dort waren immer interessierte Studierende dabei, die mitarbeiteten. Aber es sei dennoch nicht in dem Maße möglich, wie in Präsenz, stellt Jost fest. „Ich kann nicht einfach mal sagen, schreib bitte mal deine Lösung an die Tafel, dann schauen wir mal, ob es richtig oder falsch ist.“ Oft fehle es auch an den technischen Hilfsmitteln, wie einem Mikrofon. Dann konnten die Studierenden nur in die Notizen oder in den Chat schreiben, dies sei eine zusätzliche Hürde und dauerte zudem länger. Außerdem fehle ihm die sprachliche Kommunikation. „Ich halte es mit Professor Langemann, der in den Lehrveranstaltungen viel Wert auf die Kommunikation über Mathematik legt.“ Im Wintersemester war Jost bereits Tutor in der Ingenieurmathematik A. „Da saßen 20 Studierende und schauten interessiert an die Tafel, fragten viel nach und es kam oft eine lebhafte Diskussion auf. „Ohne Feedback in den Online-Veranstaltungen kann ich den Kenntnisstand nicht gut einschätzen. Verstehen die Studierenden alles oder nur wenig?“, so Jost. Das Mikrofon frei zu schalten war für viele Studierende eine Hürde, stellte Jost in seinen Übungen fest. Christian Dietrich bestätigt den Eindruck, dass es deutlich ruhiger als in Präsenzveranstaltungen zuging. „Nur wenige Studierende schrieben im Chat, nur einige stellten Fragen über das Mikrofon. Die Tutorinnen und Tutoren waren oft Alleinunterhalter. Wenn sie Fragen stellten, meldeten sich immer nur die drei gleichen Studierenden zu Wort“.
„All you can study“
Konkrete Vorschläge für das nächsten Semester, das größtenteils wieder digital stattfinden wird, haben beide: Christian Dietrich wünscht sich in der im Winter anstehenden Lehrveranstaltung „Grundlagen des komplexen Konstruierens“, die Bauteile, um die es geht, live zu sehen. „In mehreren Kleingruppen aufgeteilt, könnten die Studierenden die Bauteile von allen Seiten betrachten.“ Auch einen Tipp an die Kommilitonen hat Dietrich: „Nehmt so viel mit, wie ihr könnt und nutzt die Online-Sprechstunden aktiv“. Sein Motto lautet: „All you can study.“ – Auch die Lehrkräfte wird dies freuen.
Pünktlichkeit für verlässliches Studieren
Damit sich die Studierenden zeitlich besser orientieren können, wünscht sich Jost, dass in einigen Veranstaltungen die Pünktlichkeit und Planbarkeit des Hochladens der Vorlesungen und des Lehrmaterials noch verbessert wird. „Die Aufgaben, die man heute nicht angehen kann, müssen dann zusätzlich zu den Aufgaben des nächsten Tages erledigt werden. Wenn etliche Unterlagen erst am Freitagabend eingestellt werden, wird ein schönes freies Wochenende schwierig.“ Schön wäre es auch für ihn, wenn er schneller Antworten auf seine E-Mails zu den asynchronen Vorlesungen erhält. „In den Präsenzvorlesungen bin ich nach den Veranstaltungen zum Lehrenden hin und konnte kurz nachfragen, bei den digitalen Veranstaltungen wartete ich manchmal bis zu fünf Tage auf eine Antwort.“
Für ihr zukünftiges Studium könnten sich beide alle großen Vorlesungen in Präsenz und als Aufzeichnung vorstellen. Auch das ausführliche Skript in der Ingenieurmathematik B, das extra für das digitale Semester erstellt wurde, sollte im Präsenzstudium für die nächsten Jahrgänge weiter verfügbar sein. Das Fazit der beiden Maschinenbaustudenten: Das digitale Semester funktioniert, aber beide freuen sich auf den Normalbetrieb mit der Präsenzlehre, sobald dies wieder möglich ist.