Extrafeines Werkzeug mit Superlupe Interview mit einem Großgerät: Das FIB
Das Fokussierte Ionenstrahl-Mikroskop (FIB) im Laboratory for Emerging Nanometrology (LENA) ist nicht nur Forschungsgerät, sondern auch ein Dienstleister. Es kontrolliert die Qualität von Nanostrukturen, stellt TEM-Lamellen oder Prototypen her und vieles mehr. Unsere externe Redakteurin Dörte Saße interviewte das vielseitig einsetzbare Gerät.
Guten Morgen, FIB, wie würden Sie sich beschreiben und was machen Sie überhaupt?
Ihnen auch einen guten Morgen! Aber nennen Sie mich doch bitte „Fib“, nicht „F-I-B“. Das machen alle so, spricht sich einfach besser. Und wo wir schon dabei sind: Wir in der Fachwelt sagen auch „Focused Ion Beam“.
Aber zurück zur Frage: Ich bin ein Elektronenstrahlmikroskop, an das man seitlich eine FIB-Säule angebaut hat. Dadurch zeigen zwei Strahlen auf dieselbe Stelle: der fokussierte Ionenstrahl aus Gallium-Ionen bearbeitet die Probe und der bildgebende Elektronenstrahl schaut im Anschluss, was passiert ist. Oder in anderen Worten: Ich bin quasi ein extrafeines Werkzeug, das exakte Kanten in meine Proben schneidet, kombiniert mit einer Super-Lupe, um dabei zuzugucken. Schneiden, Bild machen, Schneiden, Bild machen – immer abwechselnd. So kann ich gezielt und gut überwacht die Oberfläche von Proben bearbeiten und kleinste Nanostrukturen bauen.
Und wozu ist das gut? Wer braucht denn exakte Kanten im Material?
Oh, ich bin gut beschäftigt, obwohl ich fast noch im Probebetrieb bin. In der Halbleitertechnik und Physik geht es viel darum, fehlerfreie feine Schichten hinzubekommen. Zum Beispiel für LEDs, also für Schichten, die einmal Licht ausstrahlen sollen. Mit mir kontrollieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob und welche Störungen ihre Herstellungsmethode so produziert – bis in den allerkleinsten Bereich, auf der Nanometer-Skala. Oder man schaut, ob feinste Drähte, so genannte Nanowires, ohne Fehl und Tadel sind. Wenn man senkrechte Kanten ins Material schneidet, kann man nämlich schräg von der Seite in solch eine Schicht blicken und auf Fehler kontrollieren.
Meine künftige Hauptaufgabe wird aber sein, meinem ultrascharfen Kollegen TEM (bitte „Tem“ aussprechen) solche Proben für den Blick von der Seite zuzuliefern. Das TEM kann Materialstrukturen bis hin zur atomaren Ebene noch genauer begucken als mein internes Elektronenmikroskop, denn es durchleuchtet sie. Dazu braucht es aber sehr dünne Objekte. Und die kann wiederum nur ich herstellen, denn ich hab ja das Produktionswerkzeug, meinen Ionenstrahl, an Bord. Also schneide ich aus den ursprünglichen Materialschichten von zwei Seiten exakte Kanten bis nach unten durch, so dass ganz schmale, hohe Stege stehen bleiben, die sogenannten TEM-Lamellen. Die sind im Schnitt nur 100 Nanometer, manchmal sogar nur 10 Nanometer dick. Wir sprechen hier also von Millionstel Millimetern.
Wie lang stehen Sie denn schon im LENA? Und was ist das Besondere an Ihnen hier?
Na ja, ich stehe noch gar nicht so lange. Deshalb üben wir ja alle noch – meine Menschen und ich. Erst im September 2019 bin ich angekommen, schon geplant als Helferlein für das neu angeschaffte High-end-TEM. Aber auch ich bin etwas Besonderes: Ein FIB der neuesten Generation, mit verbesserter Ionensäule und einem tollen Elektronenstrahl. So präzise kann keiner. Damit schieße ich meine Gallium-Ionen besonders scharf und schneide exaktere Kanten als zuvor möglich.
Übrigens trägt mein Strahl nur nach vorne hin das Material messerscharf gerade ab, dort wo es wichtig ist. Nach hinten franst das Loch beim Tiefbohren dann manchmal aus. Wie wenn man am Strand senkrecht ein Loch gräbt, sagt meine Bedienerin, und hinten immer etwas Sand nachrutscht. Ein Teil der Probenmaterial-Partikel, die die Ionenkanone wegschießt, wird weggeschleudert und abgesaugt – wie beim Zahnarzt. Schließlich herrscht in meinem Herzstück ein Hochvakuum. Der Rest aber lagert sich weiter hinten auf der Probe wieder ab. Macht gar nix, denn es muss ja nur an der Vorderkante exakt sein.
Und wie läuft so ein Arbeitsgang bei Ihnen ab?
Meine Laborantin präpariert die meisten Proben. Die sind zum Teil bereits für LEDs oder Transistoren gefertigt. Andere sind einfache Materialschichten. Meine Laborantin klebt die Proben mit speziellem leitfähigen Kleber oder Lack auf einen Aluminium-Probenträger – damit sie nicht herunterfallen. Sie werden ja in mir auf immerhin 52 Grad gekippt. Meist suchen Laborantin und Forschende gemeinsam einen Zielbereich aus. Der ist meist nicht größer als 15 bis 20 Mikrometer. Mit meiner Hilfe blicken sie dann rund 10 bis 15 Mikrometer tief ins Material.
Als nächster Schritt muss mein inneres Vakuum stimmen, ein Hochvakuum – also ähnliche Bedingungen wie auf dem Mond. Dann schalten wir den Elektronenstrahl für die Bildaufnahmen und den Ionenstrahl zum Bearbeiten an. Bei Bedarf können die Menschen dann auch nochmal diese Ecke oder jenes Stück genauer ansteuern, bis sie zufrieden sind mit meinem Bildmaterial. Ich mache übrigens keine Filme oder tolle Effekte, sondern schlichte zweidimensionale Schwarzweiß-Bilder. Bis zum letzten Bild dauert so ein Durchlauf bis zu anderthalb Stunden – ich bin also echt schnell.
Anders läuft es bei TEM-Lamellen. Da schneide ich die Probe von beiden Seiten auf, so dass an dieser Stelle vom Material nur noch ein dünner Steg in einem runden Loch stehen bleibt. Und dann kommt mein innerer Mikromanipulator zum Tragen. Er bricht diesen Steg, die Lamelle, heraus und klebt sie an einen neuen Kupferprobenträger – alles im Hochvakuum. Dann wird die Lamelle mit dem Ionenstrahl noch weiter gedünnt, bis am Ende ein hauchdünnes Objekt stehen bleibt. Feiner als 100 Nanometer. Fertig ist die TEM-Lamelle.
Bei all Ihren Fähigkeiten – haben Sie eigentlich auch Macken?
Na ja, hin und wieder stürzt meine Software ab. Ich bleibe dann einfach stehen und muss neu gestartet werden… Das kann schon mal passieren, schadet aber weder mir noch der Probe. Wir ruhen einfach eine Weile und fangen nochmal von vorne an. Tja, und sonst? Eigentlich bin ich gar nicht so kompliziert, arbeite weder mit Hitze noch mit Kälte. Ich stehe hier eher unscheinbar im Labor, ein anderthalb Meter großer schwarz-weißer Würfel. In der Mitte thront ein weißer Aufsatz mit allen möglichen Vorrichtungen. Und dahinter ragt so bis auf zwei Meter Höhe meine schwarze Ionensäule. Sieht alles nicht so dramatisch aus. Aber es zählen ja schließlich die inneren Werte.
Und wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Einsatz in Braunschweig?
Oh, es gefällt mir ganz gut hier. Die Menschen lernen mich immer besser kennen. Und auch wenn ich bald vor allem TEM-Lamellen fertigen werde – zur Abwechslung kommen immer mal wieder Forschende mit anderen Aufgaben. Manche lassen mich bei mehrschichtigen Proben in die Tiefe bohren, um den Schichtenaufbau zu kontrollieren. Von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt kommt jede Woche jemand vorbei, um die Tastspitzen für ihre Rasterkraftmikroskope zurecht zu schneiden. Ach, und dann kann ich natürlich auch „Strukturierungen vornehmen“, wie es so schön heißt, also ins Material kleinste Strukturen einbrennen. Ich bin gespannt, wann mal jemand kommt, der mit meinem Ionenstrahl schreiben oder malen will…
Autorin: Dörte Saße