14. August 2024 | Magazin:

Eine Million Jahre Klimageschichte Bohrkampagne auf dem Tibet-Plateau mit Braunschweiger Forscherin

Auf 4.718 Meter über dem Meeresspiegel war Dr. Anja Schwarz vom Institut für Geosysteme und Bioindikation der Technischen Universität Braunschweig kürzlich zu Forschungszwecken unterwegs. Die Biologin nahm auf dem Tibet-Plateau an einer internationalen Bohrkampagne am Nam Co, dem höchstgelegenen Salzsee der Welt, teil. In einer Wassertiefe von rund 94 Metern wurden insgesamt knapp 1.400 Meter Seesediment erfolgreich geborgen. Dabei wurde eine maximale Bohrtiefe von mehr als 500 Metern erreicht. Anhand dieser Sedimente kann nun die Klimageschichte der letzten rund eine Million Jahre rekonstruiert werden.

Bucht am Nordufer des Nam Co mit Feldcamp. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Vier Wochen verbrachte Dr. Anja Schwarz auf dem Tibet-Plateau, um gemeinsam mit Wissenschaftler*innen aus China, Deutschland, Großbritannien, der Schweiz, den USA und Frankreich das wertvolle Forschungsmaterial zu gewinnen. Der Nam Co See ist mit einer Fläche von mehr als 2.000 Quadratkilometern der drittgrößte See auf dem Tibet-Plateau und damit fast vier Mal so groß wie der Bodensee. Aus Voruntersuchungen ist bekannt, dass die Sedimentdicke des derzeit etwa 100 Meter tiefen Sees fast einen Kilometer beträgt. „Ein unfassbar wertvolles Archiv für die Klimaforschung, aber auch für die Erforschung der Biodiversitätsentwicklung in hochgelegenen Ökosystemen und von Veränderungen des Erdmagnetfeldes“, sagt Dr. Anja Schwarz.

Das Projekt konnte nur durch jahrelange Vorbereitung unter Einbeziehung der Expertise aus aller Welt, unter anderem des Instituts für Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig unter der Leitung von Professorin Antje Schwalb, und der langjährigen chinesischen Kooperationspartner*innen organisiert und durchgeführt werden.

Die Bohrplattform, auf der rund um die Uhr in Zwölf-Stunden-Schichten gebohrt wurde. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Bohrturm zum Erhalt der Sedimentkerne. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Übergabe von Team 1 an Team 2 bei der ICDP-Bohrkampagne am Nam Co, es fehlt die Nachtschicht von Team 1. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Dr. Anja Schwarz auf der Bohrplattform. Bildnachweis: Claudia Wrozyna (Universität Greifswald)

Harte Arbeit auf der Plattform. Das geht nur im Team. Bildnachweis: Junbo Wang (ITP)

Reinigung des Bohrwerkzeugs. Bildnachweis: Claudia Wrozyna (Universität Greifswald)

Sonnenaufgang nach erfolgreicher Nachtschicht. Das erkennt man an der Anzahl der Sedimentkerne. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Wissenschaftler*innen und Arbeiter der Bohrfirma beim gemeinsamen Abschiedsfoto. Bildnachweis: Junbo Wang (ITP)

Höhenanpassung in Lhasa auf 3.600 Metern über dem Meeresspiegel. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Am Damxung Pass auf 5.190 Meter über Normalnull mit Blick auf den Nam Co. Bildnachweis: Anja Schwarz/TU Braunschweig

Die Bohrtiefe von 500 Metern ist erreicht! Bildnachweis: Junbo Wang (ITP)

Forschung unter erschwerten Bedingungen

„Allerdings war die Feldarbeit vor Ort eine große Herausforderung“, berichtet Anja Schwarz. Die Lage des Sees auf 4.718 Metern über dem Meeresspiegel erfordert eine schrittweise Anpassung mit vorübergehenden Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlaflosigkeit. „Zum Glück kannte ich das schon von früheren Feldarbeiten am Nam Co und konnte mich darauf einstellen“, so die Wissenschaftlerin. Hinzu kamen schwierige Wetterbedingungen wie Sturm, heftige Regenschauer, Gewitter, starke Sonneneinstrahlung und extreme Temperaturschwankungen, die mit zunehmendem Monsuneinfluss die Bohrkampagne immer mehr erschwerten. Dann musste die Arbeit auf der Bohrplattform aus Sicherheitsgründen unterbrochen werden oder eine Schicht konnte die folgende nicht wie geplant nach zwölf Stunden ablösen, weil das Transportboot wegen hoher Wellen nicht fahren konnte.

„Dennoch war die Zeit am Nam Co für mich eine wertvolle Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin“, blickt Dr. Anja Schwarz auf die Bohrkampagne zurück. „Teil eines so wichtigen Projekts zu sein, ist überwältigend. Die Arbeit auf der Plattform und im Feldlabor hat auch großen Spaß gemacht und bot die Möglichkeit, andere Wissenschaftler*innen besser kennenzulernen, Ideen auszutauschen, neue Forschungskooperationen zu knüpfen und bestehende zu festigen.“

Nachdem am Institute of Tibetan Plateau Research (ITP) in Lhasa bereits erste Messungen an den Sedimentkernen vorgenommen wurden, wird das Material in den nächsten Monaten von Wissenschaftler*innen verschiedenster Forschungsdisziplinen in Peking geöffnet und anschließend beprobt.