Ein Jahr Krisenstab Ein Blick hinter die Kulissen universitärer Pandemiebekämpfung
Sicher, am besten wäre es in der aktuellen Pandemie, wenn alle immer Zuhause sind. Aber das Laborpraktikum hat mehr Sinn, wenn man im Labor ist und das Wort Dienstreise wird erst mit einem Ortswechsel richtig schlüssig. Mit der Frage, ob dies jeweils verantwortbar möglich ist, befasst sich an der Technischen Universität Braunschweig der Krisenstab. Ab dem 3. März 2021 prüft der Krisenstab seit einem Jahr, dreimal die Woche, Antrag für Antrag. Dietmar Smyrek, Hauptberuflicher Vizepräsident sowie Dr. Martin Bollmeier und Marianne Pieper von der Arbeitssicherheit ziehen Bilanz.
Frau Pieper, Herr Smyrek, Herr Bollmeier, ein Jahr Krisenstab heißt 163 Sitzungen, unzählige Anträge und viele Diskussionen. Was ist Ihr Resümee?
Smyrek: Es ist uns mit viel Arbeit gelungen, ein Jahr lang das Hauptziel zu halten: Auf keinen Fall Hotspot zu werden und unsere Beschäftigten und Studierenden zu schützen. Dafür möchte ich erstmal den Mitgliedern des Krisenstabs danken, die bei 163 Sitzungen ja auch mindestens 163 Stunden Arbeitszeit investiert haben. Das ist allein schon ein ganzer Arbeitsmonat und doch kommen bei vielen noch viel Zeit für Vor- und Nachbereitung dazu. Dabei startete der Krisenstab damals spontan spät abends, ohne zu wissen, wer da wie lange zusammenarbeiten wird. Immerhin haben wir damals noch vermutet, das Virus übertrage sich nur durch Niesen und Masken seien nicht hilfreich.
Pieper: Am Anfang waren wir im Krisenstab, wie alle, verunsichert von den Entwicklungen und mussten den Begriff „Pandemie“ erst einmal fassen. Wir mussten uns einarbeiten und als Team zusammenfinden. Dabei Mit der Zeit änderte sich die Art und die Anzahl der Anträge. Anfangs hatten wir sehr viele Dienstreise-Anträge, jetzt geht es um übergeordnete Entscheidungen, wie die generelle Möglichkeit von Präsenzprüfungen.
Bollmeier: Natürlich schränken diese Entscheidungen den Betrieb an der TU Braunschweig oft ein. Vorlesungen, Praktika oder der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen: Das lässt sich nicht verlustfrei in eine Videokonferenz verlegen. Ganz zu schweigen von den Studierenden, die noch nie ihre Lehrenden in echt gesehen haben. Dennoch hat gerade das dafür gesorgt, dass sich bisher noch niemand auf dem Campus angesteckt hat. Zwar haben sich einige Studierende und Mitarbeitende außerhalb der Uni infiziert, die Anzahl der Fälle ist jedoch insgesamt sehr gering.
Gibt es Dinge oder Momente, die Sie aus einem Jahr Krisenstab herausheben möchten?
Bollmeier: Dass wir die allermeisten Entscheidungen einstimmig getroffen haben. Sicher gibt es bei 14 Mitgliedern viele Diskussionen. Aber bei diesen Diskussionen haben wir immer zu einem gemeinsamen Nenner gefunden. Auch wenn wir natürlich lieber keine Pandemie hätten, gehe ich dennoch gerne zum Krisenstab. Das liegt auch an der Überzeugung, dass der Großteil der TU Braunschweig hinter den Entscheidungen steht. Die schwierigste Aufgabe hatte hier wohl Professor Knut Baumann als Vizepräsident für Studium und Lehre. Er vermittelte die Entscheidungen, die das Präsidium auf Empfehlung des Krisenstabs fällte, an Studierende und Lehrende.
Smyrek: Wie sehr die Maßnahmen verstanden und mitgetragen werden, hat sich auch beim Aufruf zur Unterstützung der Gesundheitsämter gezeigt. Es war großartig, wie viele sich bereit erklärt haben, zu helfen. Um diesem Vertrauen der Mitarbeitenden gerecht zu werden, hatten wir das Ziel, alle Maßnahmen immer möglichst transparent zu machen. Deswegen ist für uns als Krisenstab das Betriebsstufenkonzept einer der größten Erfolge. Man muss dazu sagen, dass wir eine der ersten Hochschulen waren, die überhaupt ein Hygienekonzept vorweisen konnten.
Pieper: Mein persönliches Highlight kam in Form einer kurzen Mail. Zu dem Zeitpunkt begann die Gesetzgebung immer detaillierter vorzuschreiben, wann welche Maske zu tragen sei. Spätestens als ich anderen diesen Dschungel vermitteln wollte, kam der Punkt, wo ich selbst den Überblick verlor. Die „Woche“ brachte es dann auf den Punkt: Jetzt haben wir den Masken-Salat!
Ist nach einem Jahr Pandemie ein Enddatum für den Krisenstab in Sicht?
Pieper: Ich gehe davon aus, dass wir uns noch das ganze Jahr 2021 im Krisenstab beraten müssen. Vielleicht nicht mehr dreimal pro Woche, aber regelmäßig.
Bollmeier: Ich bin überzeugt, dass es ein Enddatum gibt – aber auch, dass es nicht bald ist. Bei der ersten Welle galt die 50er-Inzidenz als kritisch. Heute sind wir froh, wenn wir unter 100 sind. Wenn wir jetzt alles aufmachen, trifft uns die dritte Welle. Wenn dagegen bis zum Jahresende die Impfungen durch sind, können wir auch den Krisenstab abschließen.