Ein Blick auf die Zukunft von Küstenstädten Nachwuchsforschungsgruppe „Future Urban Coastlines“ kooperiert mit Universität Venedig
Mehrmals im Jahr kämpft Venedig mit Hochwasser, dem „Acqua alta“. Vor allem im Herbst und Winter werden Gassen unpassierbar, Wasser dringt in die unteren Stockwerke ein, auf historischen Plätzen bilden sich Seen, die nur über Stege überquert werden können. Und auch im Sommer werden sich die Bewohner*innen der Lagunenstadt wohl an Hochwasser-Alarm – wie im August 2023 – gewöhnen müssen. Grund dafür sind durch den Klimawandel zunehmende Extremwetter-Ereignisse und der Anstieg des Meeresspiegels. Was das für die Stadt bedeutet, konnte sich die Nachwuchsforschungsgruppe „Future Urban Coastlines“ der TU Braunschweig kürzlich vor Ort ansehen und gleich auch eine Zusammenarbeit mit Professor Alessio Rovere von der Università Ca‘ Foscari Venezia zu meeresspiegelrelevanten Themen vertiefen. Unterstützt wurde der Aufenthalt durch die Erasmus+ Dozentenmobilität zu Lehrzwecken (STA).
„In Venedig haben wir einen Blick in die Zukunft geworfen“, sagt Dr.-Ing. Gabriel David, Leiter der interdisziplinären Nachwuchsforschungsgruppe „Future Urban Coastlines“. „Es war sehr lehrreich, die Überschwemmungen mit eigenen Augen zu sehen. So könnte es in Venedig in einigen Jahren immer aussehen, nicht nur bei Hochwasser. Und ähnliche Szenarien drohen auch anderen Städten.“ Klima- und Meeresforscher*innen rechnen für die Region Venedig in den kommenden Jahrzehnten mit einem Anstieg des Meeresspiegels um mehr als einen Meter. Das Sturmflutsperrwerk „MO.S.E“ (Modulo Sperimentale Elettromeccanico) soll die Stadt aktuell vor Überschwemmungen schützen. Dafür sind an drei Einfahrten zum Hafen mobile Flutschutztore errichtet worden. Beim Besuch der Braunschweiger Wissenschaftler*innen waren die Sperrtore jedoch geöffnet. „Das Wasser war noch nicht hoch genug“, so Gabriel David. „Auf dem Markusplatz sind die Menschen über Stege gelaufen, das war aber für die Venezianer*innen normal. Richtig schlimm wird es erst, wenn das Wasser fast auf Höhe der Stege steht.“
Schotten und Stege als Hochwasserschutz
Für den Notfall lagern die Stege in den schmalen Gassen, so dass sie jederzeit einsatzbereit sind. Und die Bewohner*innen sorgen individuell vor – beispielsweise indem sie Schotten in ihre Türen einbauen, um das Wasser abzuhalten. „Das ist die neue Realität“, sagt Gabriel David. Das macht Venedig auch für die Nachwuchsforschungsgruppe besonders spannend, die die Gefahren für urbane Küstengebiete untersucht und Ansätze zur Anpassung an den Klimawandel und den Schutz der Küsten entwickelt. „Hier sieht man nicht nur die Zukunft anderer Städte, sondern auch Beispiele, wie die Stadtplanung und die Bewohner*innen lernen, mit dem steigenden Meeresspiegel umzugehen.“
Wichtig ist für Gabriel David, Johanna Kremer und Christine Schottmüller aber vor allem auch die Zusammenarbeit mit Professor Alessio Rovere von der Università Ca‘ Foscari Venezia. Der Geowissenschaftler, der zuvor am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen geforscht hat, analysiert vergangene Veränderungen des Meeresspiegels und die Auswirkungen des gegenwärtigen Klimawandels auf die Küstenumwelt. Darüber hinaus untersucht er die Entwicklung von Küsten und küstennahen Lebensräumen unter veränderten Klima- und Meeresspiegelbedingungen. Über das DFG geförderte Schwerpunktprogramm SPP 1889 SeaLevel entstand ein reger Austausch zwischen Alessio Rovere und Gabriel David. Gemeinsam haben sie bereits ein Paper zur Küstenvermessung mit Drohnen veröffentlicht.
Austausch für Studierende
Beim Treffen in Venedig fokussierten sich die deutschen und italienischen Forschenden auf die Zusammenarbeit im Bildungsbereich. Sie diskutierten über gemeinsame Lehrinhalte und identifizierten Berührungspunkte sowie ergänzende Aspekte in der Ausbildung von Küsteningenieur*innen, Wasserbauer*innen und Geowissenschaftler*innen. Dabei stand das Lernen mit- und voneinander im Mittelpunkt. Zudem wurden Perspektiven für zukünftige Kooperationen in den Fachgebieten erörtert. Geplant sind ein Austausch von Studierenden, die Organisation einer Lehreinheit sowie die gemeinsame Betreuung von studentischen Arbeiten. Außerdem sollen verschiedene Projektideen zum Meeresspiegelanstieg und Klimawandeleffekten entstehen, um die Zusammenarbeit auch auf wissenschaftlicher Ebene weiterzuführen und durch exzellente Forschung deren Sichtbarkeit zu stärken.
„Über diese neue Kooperation und den internationalen Austausch freuen wir uns sehr“, sagt Gabriel David. „Ein großer Dank geht auch an Francesco Ducatelli und sein Team, der uns als Erasmus+ Hochschulkoordinator sehr unterstützt hat.“ Möglich wurde der Austausch in Venedig durch die Erasmus+ Dozentenmobilität zu Lehrzwecken (STA). Hierfür hat das Mobilitätsbüro des International House ein Erasmus+ Inter-Institutional Agreement mit der Universität in Venedig auf den Weg gebracht. Über STA sind Wissenschaftler*innen für ein bis zwei Wochen mit Blockseminaren oder anderen Lehrveranstaltungen an einer Partnerhochschule. Gegenüber der Personalmobilität zu Fort- und Weiterbildungszwecken STT unterscheidet sich das Programm durch die Lehrverpflichtung und die Notwendigkeit eines Erasmus+ Inter-Institutionellen Abkommens.
Weitere Informationen zur Erasmus+ Lehrendenmobilität im DAAD-Video:
https://www.youtube.com/watch?v=Zbbod2MNqsI