Die Pilz-Verbindung: „Alle Wege scheinen nach Braunschweig zu führen“ Wie aus einem Ausflug in die Welt der Forstwirtschaft eine wachsende Verbindung entstand
Professor Bernard Slippers Begeisterung für seine Forschung ist spürbar. „Wenn man mich nicht aufhält, kann ich stundenlang darüber reden“, warnt er. Aber die Art, wie er über seine Arbeit mit Pilzen und deren Auswirkungen auf Bäume spricht, hat etwas Fesselndes. Zur Veranschaulichung hat er drei Blumentöpfe mitgebracht mit zwei winzigen, weniger als einen Monat alten Kiefern und einer etwas älteren Größeren. Hier an der TU Braunschweig, im Labor der Arbeitsgruppe Pilzgenetik von Professor André Fleißner, hat er etwas gefunden, was ihm bei seiner Arbeit am Forestry and Agricultural Biotechnology Institute (FABI) der Universität Pretoria in Südafrika fehlte.
In seiner südafrikanischen Heimat beschäftigt sich Professor Bernard Slippers intensiv mit einer Gruppe von Pilzen, den Botryosphaeriaceae, die als Endophyten auf Bäumen leben und unter bestimmten Umständen – etwa bei veränderten Witterungsbedingungen durch den Klimawandel – zu Krankheitserregern werden und den Wirtsbaum schädigen können.
„Mit diesem Pilz habe ich mein ganzes Berufsleben lang gearbeitet“, sagt er und zeigt auf eine Petrischale mit Tausenden winziger schwarzer Punkte. „Das ist die Struktur, aus der sich die Sporen bilden, mit denen sich der Pilz in der Umwelt verbreitet. Wenn ich früher damit gearbeitet habe, habe ich vielleicht zehn dieser Strukturen auf eine Platte bekommen, denn das ist das, was man normalerweise sieht. Hier aber haben sie diese Methode entwickelt, mit der man Tausende von ihnen gleichzeitig herstellen kann.“
Nachdem er diese Methode von Fleißners Gruppe in Braunschweig gelernt hat, kann er nun eine große Anzahl von Keimlingen herstellen und sie auf Bäume ausbringen, um ihre Entwicklung und Auswirkungen zu untersuchen.
Im Labor herrscht eine elektrisierende Atmosphäre. Man spürt, dass hier im Zentrum für Biologie der TU Braunschweig etwas Außergewöhnliches passiert. Angefangen hat alles mit der Entscheidung der Doktorandin Anne Oostlander, einen Vortrag auf einer Konferenz für Forstwissenschaften zu halten. „Wir nehmen normalerweise nicht an solchen Konferenzen teil, das war für sie etwas ganz Besonderes, aus ihrer Komfortzone herauszukommen“, erklärt André Fleißner. „In unserer wissenschaftlichen Community sind wir ziemlich bekannt. Aber außerhalb dieser Kreise“, fügt er hinzu, „ist das Bild etwas anders. Es gibt Leute, die sich auf die Feldarbeit spezialisiert haben, und es gibt Leute wie uns, die das Labor nie verlassen. Und manchmal haben sie sogar Schwierigkeiten zu verstehen, was der andere sagt.“ Auf der Konferenz, auf der Anne ihre Arbeit über die genetische Transformation ihres Pilzes Diplodia sapinea vorstellte, hatte eine Person glücklicherweise keine Schwierigkeiten sie zu verstehen. Bernard Slippers war fasziniert von ihren Ergebnissen und erkannte sofort das Potenzial ihrer Arbeit für seine Forschung. Also kontaktierte er das Braunschweiger Team und fragte, ob er ihr Labor besuchen und von ihrer Arbeit lernen könne.
André Fleißner stimmte zu, hatte allerdings ein paar Bedenken: „Er wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Sie wissen schon, wenn er hierherkommt. Keine große Stadt, kleines Labor, alte Geräte …“. Doch Bernard Slippers ist keineswegs enttäuscht: „Die Realität ist, dass wir beide mit Pilzen arbeiten, aber diese Welt ist groß. Ich kenne alle Konzepte, ich kenne die ganze Terminologie und so weiter, aber sie wird in einer bestimmten Denkweise angewandt, in einer bestimmten Perspektive, die auch für mich neu ist. Hier in der Gruppe zu sein, öffnet mir wirklich eine neue Welt.“
Der Besuch hat bereits zu einer Zusammenarbeit geführt, die sich zu etwas viel Größerem als einem Austausch zwischen zwei Forschungsgruppen entwickelt. „Die Details, an denen sie arbeiten, sind so spezialisiert, dass sie den Rest seines Lebens damit verbringen könnten, mit anderen Leuten zu reden, die das Gleiche tun, weil es so viel zu besprechen gibt“, sagt Slippers.
„Für mich, der ich aus einem anderen Bereich der Mykologie komme, sind das Gespräche, die ich nicht gewöhnt bin. Es hat mir neue Welten geöffnet. Und ich glaube, das gilt auch umgekehrt. Ich bringe eine ganz andere Perspektive in diese Welt der Pilzinteraktionen ein, die auch für die Gruppe hier interessant ist.“
Und das ist nicht nur für Fleißners Gruppe im Fachbereich Biologie der TU Braunschweig interessant. Ihre Zusammenarbeit hat bereits das Interesse anderer Institute geweckt, des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des Julius Kühn-Instituts (JKI) hier in Braunschweig.
Globales Pilz-Netzwerk führt nach Braunschweig
Durch die Zusammenarbeit der Forschenden aus all diesen verschiedenen Institutionen entsteht eine Vision, die die Wissenschaftler*innen und ihre Arbeit nicht nur hier an der TU Braunschweig, sondern auch in anderen Teilen Deutschlands und sogar international zusammenführt. „Wir haben Pilzforschende am Julius Kühn-Institut, wir haben Pilzforschende am Helmholtz-Zentrum und hier. Aber wir haben nie wirklich etwas zusammen gemacht“, sagt André Fleißner immer noch ein wenig erstaunt, „erst als Bernard hier nach Braunschweig kam, haben die Gruppen angefangen zusammenzuarbeiten.
Inzwischen gibt es einen regelmäßigen Austausch zwischen den Gruppen, sie besuchen sich gegenseitig in den Labors und tauschen ihr Wissen aus. Das hat Fleißners Gruppe sogar dazu veranlasst, das Labor zu verlassen und den Forschungswald des Julius Kühn-Instituts außerhalb Braunschweigs zu besuchen. So wie Anne Oostlander anfangs das große Ganze sehen wollte, um sich ein Bild davon zu machen, was ihre Forschung in der Außenwelt bedeutet, so konnten sie dort mit eigenen Augen sehen, was passiert, wenn die Pilze, die sie untersuchen, Bäume infizieren.
„Das ist nicht isoliert, was in deutschen Wäldern passiert, ist mit dem Rest der Welt verbunden. Dieser Pilz kommt weltweit vor, er hat sich zwischen Amerika, Südafrika, Deutschland und Asien bewegt. Das ist alles miteinander verbunden. Das Bild, das ich oft im Kopf habe und das ich benutze, wenn ich darüber spreche, ist die Art und Weise, wie die Internetverbindungen gewachsen sind, und jetzt ist alles miteinander verbunden. Und wenn man über die Gesundheit der Wälder und über diese Pilze nachdenkt, sieht es buchstäblich so aus“, sagt Slippers.
„Ich forsche zu diesen Pilzen, den Verbindungen dieser Pilze aus Amerika, aus Südafrika, aus Südamerika, aus Neuseeland, aus der ganzen Welt. Und wenn man sich anschaut, wie sie miteinander verbunden sind, dann sind sie genauso verbunden wie wir Menschen. Und sie sind auch verbunden durch unsere Verbindungen. Wir haben sie bewegt. Wir sprechen von einem weltweiten Pilznetzwerk.“
Die Verwüstungen, die er in den Wäldern hier im Harz, in Südafrika und auf der ganzen Welt gesehen hat, haben ihn beeindruckt: „Ich habe den Drang verspürt, mehr zu tun. Wir haben ein großes globales Problem, wir müssen Strukturen schaffen, um es anzugehen. Im übertragenen Sinne müssen wir internationale Brücken bauen, nicht nur Schiffe, die hin und her fahren.“ Was er hier in Braunschweig nicht erwartet hatte, waren die Forschungskapazitäten und das menschliche Potenzial, um diese Brücken zu bauen.
„Es gibt hier ein enormes Potenzial, um eine solchen Grundpfeiler zu bauen. Ich bin begeistert von dem, was ich hier entdeckt habe. Ich wusste nicht, dass es eine solche Konzentration und Qualität der Arbeit gibt. Alle Wege scheinen nach Braunschweig zu führen, und all diese Verbindungen, die von hier ausgehen – damit habe ich nicht gerechnet, als ich hierherkam. Wenn überhaupt, dann explodiert es geradezu. Und das ist eine sehr schöne Erfahrung.“
Brücken bauen
Auch wenn die Forschenden untereinander keine Verständigungsschwierigkeiten haben, sei es wichtig, sich mit einer breiteren Gemeinschaft auszutauschen, sagt Slippers. Um die globalen Probleme der Wald- und Pflanzengesundheit so anzugehen, wie sie es sich vorstellen, müssen sie nicht nur Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Institutionen in dauerhafteren Strukturen zusammenbringen. Sie müssen sich auch an der gesellschaftlichen Diskussion beteiligen. Die gentechnische Veränderung von Pilzen kann dazu beitragen, die Bedrohung der Wälder zu bekämpfen. Aber der Gedanke an gentechnische Veränderung löst bei manchen Menschen noch Ängste aus. „Wir bewegen uns auf eine Welt zu, in der die molekulargenetischen Werkzeuge, die uns heute zur Verfügung stehen, enorme Möglichkeiten eröffnen, die Dinge nachhaltiger zu gestalten“, sagt Slippers.
Mit dem Enthusiasmus, auf den sie bereits gestoßen sind, und der Fülle an Expertise, die in den verschiedenen Institutionen versammelt ist, könnte das, was als einmalige Interaktion gedacht war, zu einer dauerhaften Verbindung werden. Sowohl André Fleißner als auch Bernard Slippers blicken optimistisch in die Zukunft.
„Denn es gibt viel zu erforschen. In den kommenden Jahren werden sich Karrieren für junge Menschen wie Anne entwickeln, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen und die dazu beigetragen haben, einen Teil dieser Interaktion jetzt in Gang zu setzen“.