Die Energie der Architektur Prof. Elisabeth Endres zur Umbenennung des IGS in IBEA
Klimaneutrales Bauen, robuste und nachhaltige Gebäude, LowTech-Konzepte, Kreislaufwirtschaft und Energie von Baustoffen: Auf diese Themen fokussieren sich Forschung und Lehre im Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS) von Professorin Elisabeth Endres. Die Ausrichtung wird jetzt auch im Institutsnamen deutlich: Ab 1. Juni heißt das IGS Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur (IBEA). Mit Professorin Elisabeth Endres hat Bianca Loschinsky über den neuen Namen gesprochen.
Frau Professorin Endres, das IGS wird am 1. Juni zum IBEA. Wie kommt es zu der Umbenennung?
Der Name des Instituts passt inzwischen nicht mehr zur Ausrichtung des Instituts. Ich habe eine Professur für Gebäudetechnologie, komme aus einem Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik und bin Architektin. Die Expertise der Solartechnik ist meinem Vorgänger Professor Norbert Fisch zuzuordnen, nicht mir. Das bedeutet jedoch nicht, dass die solare Energiegewinnung bei uns zukünftig keine Bedeutung hat. Es geht jedoch mehr um die Lastgänge und Potenziale als um die Solartechnik selber. Die geänderte Ausrichtung möchte ich auch im Namen des Instituts deutlich machen.
Was bedeutet Bauklimatik?
Die Bauklimatik ist definiert als „(…) die Gesamtheit jener Erscheinungen, die am Zustandekommen des Klimas im Inneren und in der unmittelbaren Umgebung der Gebäude beteiligt sind, sowie die Einwirkung des Klimas auf die Baukonstruktion“.[1] Sie bezeichnet eine Anwendungswissenschaft, die sich mit den Aspekten der Physik, der Architektur, des Bauwesens und der Klimatologie beschäftigt.
Ziel ist es, durch die ganzheitliche Betrachtung behagliche Innenraumqualitäten sowie den konstruktiven Schutz der Baukonstruktion vor den äußeren Klimaeinflüssen zu gewährleisten. Verwandte Begriffe sind klimagerechtes bzw. klimaangepasstes Bauen.
Die Bauklimatik umschreibt also das integrative Entwerfen. Im Gegensatz zur Bauphysik betrachten wir dabei zum Beispiel nicht nur das Feuchteverhalten, Wärmevorgänge und den Schall eines Gebäudes, sondern schauen ausgehend vom Menschen, wie Fassade und Raumklima interagieren.
Dazu kommt die Integration in die Architektur: Welchen Einfluss haben Bauphysik, Haustechnik und Energieerzeugung auf unser Entwerfen und auf unsere Strategien in Gebäuden, bis hinein in übergeordnete urbane Strukturen und Quartieren?
Welche Energie steckt in Architektur?
Der Begriff der „Energie der Architektur“ steht in diesem Kontext einerseits für die Energieströme, die durch die Architektur und die Nutzung des Gebäudes notwendig werden. Dabei spielen Anforderungen und energetische Standards der Hüllkonstruktionen sowie Gebäudetechnik und Energieversorgung eine zentrale Rolle. Ebenso umfasst dies im Zusammenhang mit der Architektur, gespeicherte Energien der Baustoffe inklusive deren Lebenszyklen sowie Recyclierbarkeit und die Potenziale der Energiegewinnung.
Die Schwerpunkte setzen wir eindeutig in der Materialität. Bei uns geht es um die Performance der Architektur aus der Materialität, aus dem Entwurf heraus, aus der Gestaltung. Es geht darum, Gebäudetechnik durch die Optimierung der Gebäude zu minimieren, aber auch effektiv Technik einzusetzen, um erneuerbare Energien zu nutzen.
Neben der Performance im Betrieb der Gebäude untersuchen wir die Energie, die in den Materialien steckt und die das Haus selbst erzeugt und gegebenenfalls speichern kann.
Welche Materialien sind das und wie kann man sie nutzen?
Der Fokus der Forschung ist die Frage nach der Kreislaufwirtschaft im Bauen. Für mich sind das zwei Stränge, die es zu beforschen gilt und die wir sowohl in Forschungsanträgen als auch in der Lehre bearbeiten: Das eine ist, so zu bauen, dass Gebäude und Strukturen dauerhaft und robust sind und halten, um die einmal aufgebrachte Energie lange an einem Punkt im Kreislauf zu halten. Die andere Frage ist, wie kann ich vielleicht auch schnelllebiger bauen und die Bauteile aber 100 Prozent in den Stoffkreislauf zurückbringen. Damit bleiben auch Stadtstrukturen flexibel und „Lücken“ zur Reaktion auf aktuelle Fragestellungen in der Gesellschaft können erhalten und immer wieder geschaffen werden.
In der ersten Strategie steckt auch die Frage: Wie kann ich eine Struktur so bauen, dass sie mehrere Nutzungen lang dauerhaft hält und einige Jahrhunderte überlebt, unabhängig der unsicheren Randbedingungen wie Nutzung und Klimaveränderungen. Man kennt das zum Beispiel aus Rom, wo ein Palazzo eine Wohnnutzung war, Regierungssitz sein kann oder auch ein Museum. Das Gebäude aus der Struktur heraus ermöglicht eine sehr hohe Flexibilität. Das hat unter anderem mit Raumhöhen zu tun, mit vertikalen Erschließungen, mit Beleuchtung, Belüftung, etc..
Das zweite ist, wie kann ich im Prozess des Planens schon ans Zerlegen denken? Welche zweiten und dritten Leben stecken in den Materialien? Wie kann ich sie weiter als Bauteile nutzen und nicht nur als Schreddermaterial? Kann eine Säule auch mal ein Balken werden oder wie kann ich das Fenster oder die Wand im Holzbau als Ganzes wiederverwenden?
Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte zu anderen Instituten der TU Braunschweig?
Mit Professorin Helga Blocksdorf vom Institut für Baukonstruktion und Professor Mike Sieder vom Institut für Baukonstruktion und Holzbau auf jeden Fall. Wir stehen in engem Austausch mit Professorin Vanessa Carlow vom Institute for Sustainable Urbanism und Professor Harald Kloft vom Institut für Tragwerksentwurf. Interdisziplinär zum Beispiel mit Professor Christoph Herrmann vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, Nachhaltige Produktion & Life Cycle Engineering. Ich sehe unser Institut auch als Verbindung zwischen den Ingenieurwissenschaften.
Mit Professor Bernd Engel vom elenia sprechen wir gerade darüber, ob es möglich ist, Campus-Energie in den Lehmwänden zu speichern. Mit Professor Jochen Zehfuß vom Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz findet seit vielen Jahren gemeinsam die Vorlesung zum Brandschutz statt. Eine Forschungsskizze ist aktuell im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit dem Kollegen Professor Patrick Schwerdtner vom Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb eingereicht worden. Bauklimatik fördert eben integriertes Planen und bringt die Disziplinen zusammen. An der TU München haben wir es ClimaDesign genannt.
Professorin Folke Köbberling vom Institut für Architekturbezogene Kunst (IAK) und mich verbindet die Frage nach den „verlorenen Materialen“. Sie war übrigens meine erste Kollegin, die ich getroffen habe, nach meiner Ernennung. Gerade haben wir in unserer Klimakammer gemeinsam mit dem IAK die Wiederwendbarkeit von alten Matratzen als Dämmmaterial überprüft. Das ist schon sehr spannend, dass hier ein Institut für Architekturbezogene Kunst und ein Institut für Bauphysik und Haustechnik zusammenarbeiten. Man muss sich in den Disziplinen öffnen, um gemeinsam gute Ideen voranzubringen! Das zeigt hoffentlich auch das gemeinsame Projekt mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und Stadt (GTAS) und IAK am Hagenmarkt im Sommersemester. Die Zusammenarbeit macht sehr viel Freude.
Wie schlägt sich die Umbenennung in der Lehre nieder?
Die Lehre ist bei uns schon sehr interdisziplinär. Ich lehre bereits viel im Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen. Was ich unbedingt angehen möchte, ist ein Seminar zu etablieren, das immer auf die aktuellen Fragestellungen in Bezug auf Klimaneutralität und die Herausforderungen der Umweltverträglichkeit eingeht. Heute ernannte Standards sind per se veraltet, weil die Welt immer bereits ein Stück weiter ist. Wir brauchen einen Standard, der immer auch nach vorn schaut.
Wir möchten weg von dem starren System der Lehre und hin zu integrierten Entwürfen und auch Fächern. Beim Projekt Reallabor Hagenmarkt von IAK, IBEA und GTAS löst sich gerade komplett auf, bei wem das Fach liegt. Oder das Symposium zu traditionellen Bauweisen zusammen mit Professorin Almut Grüntuch-Ernst vom Institut für Entwerfen und Gebäudelehre, in dem wir unter anderem über Reetdächer sprechen und wie man die traditionellen Bauweisen zurückführen kann in unsere heutigen Anforderungen an Gebäude.
Für mich ist wichtig, in der Lehre zu vermitteln, wie Ingenieur*innen und Architekt*innen zusammenarbeiten, aber auch gemeinsam mit den anderen Architekturlehrstühlen zu zeigen, dass es immer mehr als einen Entwurfsparameter gibt. Das gelingt uns an einigen Stellen schon sehr gut, und ich freue mich auf die gemeinsamen zukünftigen Aktivitäten