6. Dezember 2021 | Magazin:

Der Weg des Wassers Ilhan Özgen ist neuer Juniorprofessor am Institut für Geoökologie und am Leichtweiß-Institut für Wasserbau

„Wir brauchen Expert*innen für Wasser und Geoökologie, um die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen“, ist sich Ilhan Özgen sicher. Als neuer Juniorprofessor für „Modelling of Urban Environment Interfaces“ bringt er jetzt sowohl im Institut für Geoökologie als auch im Leichtweiß-Institut für Wasserbau seine Expertise im Bereich prozessbasierter hydrologischer Modellierung ein. Womit genau er sich in seiner Forschung beschäftigt und welche Probleme Simulationen mit sich bringen, erzählt Professor Ilhan Özgen im Interview.

Professor Ilhan Özgen vom Institut für Geoökologie und Leichtweiß-Institut für Wasserbau. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Von Kalifornien nach Braunschweig: Herr Professor Özgen, Sie haben zuletzt am Berkeley Lab geforscht. Das Wetter dort war vermutlich etwas besser als hier. Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?

Ich habe mich aus zwei Gründen für die TU Braunschweig entschieden: Der erste Grund ist die Thematik meiner Juniorprofessur, die das Institut für Geoökologie (IGÖ) und das Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) miteinander verbindet. Ich bin von der Ausbildung her Bauingenieur mit Schwerpunkt Wasserwesen und habe nach meiner Promotion viel mit Geoökolog*innen zusammengearbeitet. Deshalb war ich von der Möglichkeit, in beiden Bereichen weiterzuforschen, begeistert.

Der zweite Grund sind die Forscher*innen am IGÖ und LWI, deren Forschungsarbeit mir aus Publikationen bekannt war. Ich freue mich sehr darauf, mit den Gruppen am IGÖ und am LWI zusammenzuarbeiten.

Sie sind Juniorprofessor für „Modelling of Urban Environment Interfaces“. Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung? Wie würden Sie Ihre Arbeit jemandem wie mir erklären, die nicht aus diesem Bereich kommt?

In meiner Forschung arbeite ich an Methoden zur numerischen Simulation von Fließ- und Transportprozessen im natürlichen und urbanen Raum. Solche Simulationen können für Vorhersagen oder für das Prozessverständnis genutzt werden. Es kann zum Beispiel berechnet werden, was passiert, wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt oder wie sich ein Schadstoff im Untergrund ausbreitet. Wenn solche Simulationen mit ökologischen Modellen kombiniert werden, können wir ermitteln, wie das Ökosystem auf solche Störungen reagiert.

Ein großes Problem dieser Simulationen ist, dass diese oft sehr rechenaufwendig sind. Wenn mehrere Prozesse gleichzeitig simuliert werden sollen, ist der Rechenaufwand noch höher. Ich interessiere mich für Ansätze, die diesen Rechenaufwand senken oder die es ermöglichen, rechenaufwändige Simulationen auf Hochleistungsrechnern laufen zu lassen.

Sie sind sowohl im Institut für Geoökologie als auch am Leichtweiß-Institut für Wasserbau tätig. Mit welchen Forschungsschwerpunkten und Projekten werden Sie sich an der TU Braunschweig auseinandersetzen?

Meine Forschung befasst sich mit hydrologischen Prozessen an der Schnittstelle zwischen Stadt und Natur und wie sich diese beiden Systeme gegenseitig beeinflussen.

Küstenstädte und Küstenökologie sind vom Klimawandel besonders betroffen. Modellierungsansätze in Kombination mit experimentellen Verfahren können zu einem besseren Verständnis der relevanten Prozesse führen. Damit können wir Strategien entwickeln, um die Küstenregionen resilienter zu gestalten.

Ein weiteres Thema sind hydrologische Prozesse und der Stofftransport in urbanen und peri-urbanen Räumen. Im urbanen Raum werden oft blau-grüne Infrastrukturen eingesetzt, um Umweltproblemen entgegenzuwirken. Das sind zum Beispiel Versickerungsflächen und durchlässige Bürgersteige. Den Effekt solcher Maßnahmen auf den urbanen Wasserhaushalt möchte ich gern erforschen.

Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?

Die erste Vorlesung in Strömungsmechanik, die ich an der TU Berlin besucht habe. Die Bilder von turbulenten Strömungen haben mich sehr angesprochen. Es hat mich sofort fasziniert, dass diese chaotischen Strukturen mathematisch beschrieben werden können.

Prof. Ilhan Özgen bei der Ernennung mit TU-Präsidentin Prof.in Angela Ittel und Prof. Wolfgang Durner, Dekan der Fakultät 3. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Was war Ihr schönstes Erlebnis als Wissenschaftler? Was begeistert Sie an Ihrer Forschung?

Ich habe kein einzelnes herausstechendes Erlebnis, aber meine Arbeit hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, vor allem weil ich immer in sehr netten Forschungsgruppen beschäftigt war.

An meiner Forschung begeistern mich am meisten die mathematischen Modelle und die innovativen numerischen Verfahren, die wir benutzen, um physikalische Prozesse abzubilden.

Welche Rolle spielt Wissenschaftskommunikation bei Ihrer Arbeit?

Meine Forschung ist interdisziplinär und lebt von der Kooperation und dem Austausch mit meinen Kolleg*innen.

Darüber hinaus ist auch die Kommunikation mit der Öffentlichkeit sehr wichtig. Urbane Räume resilienter zu gestalten, benötigt einen offenen Dialog. Fallstudien zeigen, dass von oben aufgedrückte Maßnahmen oft von der Bevölkerung nicht akzeptiert werden und nicht effektiv sind. Wenn die Bevölkerung in den Planungsprozess einbezogen wird und lokales Wissen einbringen kann, führt dies oft zu einer breiteren Akzeptanz und effektiveren Maßnahmen.

In dieser Hinsicht ist Wissenschaftskommunikation, aber auch ein beidseitiger Austausch, ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit.

Wie wird Ihre Lehre aussehen und was möchten Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?

In der Lehre möchte ich, in Absprache mit meinen Kolleg*innen am IGÖ und LWI, Vorlesungen zur Modellierung von urbanen Hydrosystemen und zur Modellierung der sogenannten Critical Zone entwickeln. Diese Vorlesungen sollen in englischer Sprache angeboten werden. Neben der Modellierung möchte ich auch auf die Themen Urbane Resilienz und Umweltgerechtigkeit eingehen.

Der Klimawandel wird das Leben auf der Erde stark verändern. Wir brauchen Expert*innen für Wasser und Geoökologie, um die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen und unsere gemeinsamen Lebensräume zu sichern.

Für welches Problem würden Sie gern eine Lösung entwickeln?

Eine sehr spezifische Antwort wäre, dass ich gerne effiziente Methoden zur Unsicherheitsquantifizierung für Hydrosysteme entwickeln würde. Die Schwierigkeit dabei ist der sogenannte Fluch der Dimensionalität: Der Rechenaufwand dieser Verfahren steigt unglaublich schnell, wenn die Anzahl der Unsicherheiten steigt.

Im Allgemeinen möchte ich mit meiner Forschung dazu beitragen, die Resilienz unserer Städte gegenüber Klimafolgen in einer gerechten Art und Weise zu verbessern.