Der Universitätsplatz: Ein Stück in fünf Akten Temporäre Kunstaktionen von Architekturstudierenden verändern den Campus
Bauzäune, die den Weg versperren, ein großes Bauschild, das auf den neuen Zentralcampus hinweist – auf dem Universitätsplatz der Carolo-Wilhemina tut sich etwas. Doch entsteht hier nicht – wie vielleicht von manchem erhofft – ein neues Gebäude, noch wird der Platz begrünt oder verschönert. Die kleinen und großen Veränderungen zwischen Audimax, Bibliothek und Forumsgebäude sind „Eingriffe“ des Instituts für Architekturbezogene Kunst.
Im Seminar „Der Platz“ von Institutsleiterin Professorin Folke Köbberling und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Gergely László entwickelten die Studierenden im vergangenen Wintersemester temporäre künstlerische Arbeiten, die jetzt gemeinsam mit dem Sandkasten-Team umgesetzt werden. Und zwar in fünf Akten. 1. Akt, Auftritt: die Bauzäune. Symbol für den Beginn eines Bauvorhabens. Mit den Gittern sperrte Theresa Bublitz den Universitätsplatz ab, um die Wege zwischen den verschiedenen Gebäuden zu unterbrechen und um auf die „andauernde Diskussion über die Leere, Kahlheit und Sinnlosigkeit des Platzes“ einzugehen. Für viele Studierende eine Provokation, über die sie sich auf unseren Social-Media-Kanälen auseinandersetzten. Sie empfanden die Bauzäune als Hindernis, als Einschränkung ihrer üblichen Wege und Gewohnheiten. Der viel kritisierte Platz konnte plötzlich nicht mehr zum Sitzen in der Sonne, als Treffpunkt und zum Austausch genutzt werden.
Provokation Bauzäune
„Es war unsere Hoffnung, dass wir mit den Eingriffen provozieren können“, sagt dazu Gergely László. „Wir wollten mit unseren Arbeiten nicht die Rolle des Designers im öffentlichen Raum einnehmen.“ Es sind Interventionen, die nicht in die Substanz des Ortes eingreifen, die zum Nachdenken anregen und Diskussionsstoff bieten. „Mir geht es nicht darum, den Platz attraktiv zu machen“, betont Folke Köbberling. „Es geht darum, was sein kann. Der Platz ist für uns ein Möglichkeitsraum.“
Ein Raum, der nach der Absperrung durch die Bauzäune bald wieder geöffnet wurde, als neue Formation mit einer Schneise vom Audimax zur Universitätsbibliothek. Dass die beiden dadurch gebildeten Dreiecke eines Nachts aufgelöst wurden, störte die Nachwuchsarchitektinnen und -architekten nicht und wurde von ihnen vielleicht sogar erwartet. Studierende hatten die Gitter verschoben und neu angeordnet. Der erste Akt endete schließlich mit viel Getöse. Hintereinandergestellt wie Dominosteine fielen die Bauzäune krachend um – unter lautem Beifall zuschauender Kommilitoninnen und Kommilitonen.
Eine Utopie für den Hauptcampus
Es folgte der 2. Akt, Auftritt: das Bauschild. Eine Zukunftsvision für den Hauptcampus: Alle Gebäude der TU Braunschweig werden auf Etagen übereinandergestapelt. Christian Claassen hat die Wege der Studierenden analysiert und festgestellt: „Für einige Studiengänge reicht die Zeit nicht aus, um von einer Vorlesung zur nächsten zu kommen, da die Standorte zu weit auseinanderliegen.“ So entstand die Utopie eines Zentralcampus auf dem Universitätsplatz, an dem alle Fakultäten untergebracht sind. Mit seiner Vision will er eine bessere Koordinierung der Lehrveranstaltungen anregen. „Die Studierenden müssen selbst darauf aufmerksam machen, dass die Stundenpläne aufeinander abgestimmt werden“, ergänzt der Masterstudent.
Mosaik führt zu Studierendeninitiativen
Mitte Mai wird der 3. Akt aufgeführt, Auftritt: der QR-Code. Laura Nixon wird die denkmalgeschützten Bodenplatten als Plattform für ein riesiges Mosaik nutzen, das sich als dynamischer QR-Code entpuppen soll. Darüber können bis zu 20 Studierendeninitiativen insgesamt zwei Monate lang für sich oder ihre Veranstaltungen werben. Am 17. Mai sollen die Platten zwischen Audimax und Brunnen mit schwarzer und weißer Farbe bemalt werden. Laura Nixon hat schon vor ihrer Aktion auf dem Universitätsplatz ein Mosaik aus den Gehwegplatten entdeckt: „Sie wurden getauscht, ergänzt und gefüllt und haben dadurch ganz unterschiedliche Farben.“
Für die Architekturstudentin ist es wichtig, dass an dem Ort, den viele als hässlich und dysfunktional empfinden, etwas passiert. „Es gab schon viele Ideen, aber nichts wurde umgesetzt“, sagt sie. Mit ihren Eingriffen könnten Ideen gebündelt werden oder auch neue Projekte entstehen. Von einer einfachen Begrünung hält sie jedenfalls nichts. „Es ist ziemlich oberflächlich gedacht, einfach ein paar Rasenflächen auf den Platz zu packen.“ Sowohl Laura Nixon als auch Christian Claassen sehen den Universitätsplatz im Wandel. „Er wird nicht mehr als repräsentativer Ort des Wissens genutzt“, meint Christian Claassen. „Die Zeiten ändern sich, so dass sich auch der Platz ändern muss.“
Brunnen wird zur Bühne
Und damit ebenso der Brunnen, wie im 4. Akt, Auftritt: die Spiegelkonstruktion. Maria Kousatalis greift in ihrer Installation die Bewegungsräume der Studierenden auf. Wege und Aufenthaltsorte bilden ein Muster aus Dreiecken, das als Spiegelkonstruktion im Brunnen aufgebaut wird. Wie riesige Scherben sollen diese herausstechen und die Architektur zerbrochen widerspiegeln. Die Dreiecke werden aus Tischlerplatten und Spiegelfolie gebaut, die das Institut für Architekturbezogene Kunst ebenso wie die Rückwand des Bauschilds vom Kunstmuseum Wolfsburg erhalten hat. „Wir versuchen für alle Projekte Materialien zu nehmen, die wir nicht extra kaufen müssen“, betont Folke Köbberling. „Für den Aufbau werden auch noch helfende Hände gesucht“, ermuntert sie alle Studierenden, bei der Aktion mitzumachen.
Den Schlusspunkt bildet im Juli der 5. Akt, Auftritt: die Treppe. Der Brunnen wird zur Bühne. Jonas Kneisel lässt dort die begehbare Skulptur „Stairs“ entstehen. Er will den Brunnen in eine große Treppe übergehend verlängern, die als Tribüne genutzt werden kann.
Wie lange der letzte „Eingriff“ dort bleibt, steht noch nicht fest. Klar ist jedoch, dass auch diese Installation nur eine temporäre Veränderung sein wird. „Ich möchte nicht, dass wir dort eine Arbeit permanent installieren, sondern dass diese Arbeiten neue Ideen evozieren“, sagt Folke Köbberling.