8. November 2023 | Magazin:

Das versteckte Wasser unter unseren Füßen Leichtweiß-Institut für Wasserbau forscht zum Grundwasser in Braunschweig

Das Grundwasser – nur selten sieht man es, aber für uns alle ist es eine kostbare Ressource. Das gilt auch für die Stadt Braunschweig. Auf viele Fragen zum Grundwasser in Braunschweig gibt es bislang noch keine Antworten: Wo kommt das Grundwasser her? Wie lange ist es im Untergrund unterwegs? Wie sieht es mit der Qualität aus? Und wie erneuert sich eigentlich ein bewirtschafteter Grundwasserkörper unter einer Stadt – aktuell und zukünftig unter Einwirkung des Klimawandels? Diesen Fragen gehen Tobias Langmann und Professor Matthias Schöniger vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI), Abteilung Hydrologie und Flussgebietsmanagement, in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit BS|ENERGY nach.

Messung des Grundwasserstands mit einem Kabellichtlot auf dem Zentralcampus der TU Braunschweig Bildnachweis: Jan-Hendrik Hilgendorff/TU Braunschweig

Grundwasser spielt für die öffentliche Wasserversorgung eine bedeutende Rolle. In Niedersachsen werden rund 86 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen. Die Stadt Braunschweig nimmt hierbei eine Sonderstellung ein, denn aktuell werden noch 97 Prozent des Braunschweiger Trinkwassers über eine Fernwasserleitung aus den Oberharzer Stauseen bezogen, überwiegend aufgestautes Kluftgrundwasser aus dem paläozoischen Festgestein des Harzes. Die übrigen drei Prozent des Wassers entstammen dem Grundwasserwerk am Bienroder Weg im Norden der Stadt. Ab dem 1. Januar 2024 bezieht BS|ENERGY dann acht Millionen statt 12,8 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Harz und ergänzt die Wasserversorgung durch rund fünf Millionen Kubikmeter Grundwasser aus dem Grundwasserleiter des Okertals im Landkreis Wolfenbüttel.

Versorgungssicherheit trotz Dürren sicherstellen

Der Klimawandel, aber auch zunehmende Wasserbedarfe erfordern es, die Wasserversorgung auf den Prüfstand zu stellen, um auch künftig die Versorgungssicherheit sicherstellen zu können. Insbesondere die Trockenjahre 2018 und 2019, in denen die Talsperren des Harzes sehr geringe Füllstände aufwiesen und viele Flüsse Rekordniedrigwasser führten, haben einen Vorgeschmack gegeben, welche Extremsituationen unter dem Einfluss des Klimawandels auf uns zu kommen. „Neue Konzepte zur Steigerung der Resilienz der öffentlichen Wasserversorgung und zur Wahrung der Versorgungssicherheit in der klimatisch und hydrologisch extremeren Zukunft werden benötigt“, betont Tobias Langmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Hydrologie und Flussgebietsmanagement des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau. „Diese Konzepte dürfen nicht nur Fragen zur Kapazität und Ausbau der technischen Versorgungseinrichtungen zur Wasseraufbereitung und -verteilung adressieren, sondern müssen insbesondere die Naturressource Wasser selbst in den Fokus nehmen. Denn diese gilt es besser zu verstehen und zu überwachen – erst dann kann man eine Naturressource nachhaltig managen.“

Entsprechend des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) gilt der Versorgungsvorrang aus regionalen und lokalen Wasservorkommen in der öffentlichen Wasserversorgung. Das Wasserwerk Bienroder Weg nutzt einen Teil eines Grundwasservorkommens unter der Stadt Braunschweig. Im Projekt HyPoWaBS (Hydrogeologische Potenzialstudie für die Wasserversorgung der Stadt Braunschweig) untersucht die Abteilung Hydrologie und Flussgebietsmanagement gemeinsam mit BS|ENERGY die urban geprägte Grundwasserressource unter Braunschweig. Ziel ist es, das komplexe Grundwassersystem unter der Okerstadt besser zu verstehen und Nutzungspotenziale im Sinne einer nachhaltigen Grundwasserbewirtschaftung zu identifizieren.

Das Grundwassermonitoring mit Dataloggern liefert neben wichtigen Erkenntnissen über die Beschaffenheit und Dynamik des Grundwassers im Untergrund notwendige Zeitreihen für die Modellkalibrierung. Bildnachweis: Jan-Hendrik Hilgendorff/TU Braunschweig

Einwirkung des Klimawandels auf das Grundwasserdargebot

Die Einwirkung des Klimawandels auf das Grundwasserdargebot kann unter Verwendung von Klimaszenarien mit einem Wasserhaushaltsmodell in Kombination mit einem numerischen Grundwasserströmungsmodell ermittelt werden. Wichtige Voraussetzung für die Modellierung ist die Kenntnis des geologischen Aufbaus des Untergrundes der Stadt Braunschweig, also der Verbreitung von Schichten, die gut oder nur gering Grundwasser leiten. Dazu wurde der Untergrund der Stadt Braunschweig ausgehend von Bohrinformationen geologisch modelliert und ein geologisches Strukturmodell aufgebaut. Dieses dient als Grundlage der Grundwassermodellierung, also der Simulation der Grundwasserbewegung in den wasserführenden Schichten im Untergrund Braunschweigs. Flankiert werden die Arbeiten durch ein neu gestartetes Grund- und Oberflächenwassermonitoringprogramm im Stadtgebiet.

Bei ihren Arbeiten können die Wissenschaftler des LWI auf wertvolle Unterstützung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover und dem Labor für Heliumisotopen-Analysen (helis) der Universität Bremen setzen. Gemeinsam wird das Braunschweiger Grundwasser mit modernen Verfahren anhand von Umweltisotopen (stabile Wasserisotope, Tritium und 3He) untersucht. Die Ergebnisse geben Auskunft über die Herkunft und das Alter des Grundwassers unter Braunschweig und helfen damit, die Grundwasserressource der Stadt besser zu verstehen.

Text: Tobias Langmann, Prof. Hans Matthias Schöniger