„Das Jahrhundert der optischen Technologien“ Die TU Braunschweig und das Exzellenzcluster „PhoenixD
Im Januar 2019 nahm das Exzellenzcluster „PhoenixD“ an der Leibniz Universität Hannover (LUH) seine Arbeit auf. Fast 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Physik, Maschinenbau, Chemie, Mathematik und Informatik arbeiten darin an neuen optischen Technologien. Beteiligt sind auch Institute der Technischen Universität Braunschweig, an der zwei Exzellenzcluster in den Bereichen Luftfahrt und Metrologie angesiedelt sind.
„Optik durchdringt unser Leben. Allerdings ist die Optik ein sehr traditioneller Bereich der Physik. Insbesondere Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Industrie 4.0 sorgen gerade für einen massiven Umbruch. Das 21. Jahrhundert könnte jetzt zum Jahrhundert der Optik werden“, sagt Dr. Reinhard Caspary, der von der TU Braunschweig an die LUH abgeordnet wurde und im Exzellenzcluster die Schnittstelle zwischen beiden Universitäten bildet. Heute stünden die erforderlichen Rechen- und Speicherkapazitäten zur Verfügung, um ganz neue Ansätze auch in der Optik umzusetzen. Ein Beispiel dafür sind Kameras für automatisierte Fahrzeuge. Sie erfassen Verkehrsschilder und werten diese mit Künstlicher Intelligenz (KI) aus. Dabei werden nur relevante Informationen erfasst, also kein fotografisches Abbild der Umgebung, sondern direkt für den Computer verständliche Informationen.
KI und Industrie 4.0
Neben KI setzt das Cluster auf neue Fertigungstechniken und Automatisierung im Sinne von Industrie 4.0. Dazu zählt die additive Fertigung, also allgemein gesagt: der 3D-Druck. Auflösungsgrenzen beim 3D-Druck seien bisher eine Herausforderung gewesen, denn Optik verlangt höchste Präzision. Doch auch hier versprechen sich die Forscherinnen und Forscher von der inzwischen hohen Rechen- und Speicherleistung von Computern in Kombination mit moderner Lasertechnologie große Fortschritte. Ziel des Clusters ist demnach, Grundlagen für die eine Fertigung von optischen Systemen mit weniger Handarbeit, weniger Ausschuss und höherer Präzision zu schaffen.
Optische Mikrochips
„Die TU Braunschweig ist mit vier Instituten an diesem Umbruch beteiligt“, berichtet Dr. Hans-Hermann Johannes vom Institut für Hochfrequenztechnik. Dort forschen seine Kolleginnen und Kollegen an optischer Messtechnik und an integrierter Optik, also an Bauteilen, die Licht leiten und auch als „optische Mikrochips“ bezeichnet werden. Gemeinsam mit dem Institut für Technische Chemie widmen sie sich der Materialentwicklung und untersuchen Polymere und aktive Materialien, also Stoffe, die auf Licht reagieren. Um die bei den Messungen und Simulationen anfallenden riesigen Datenmengen in Echtzeit verarbeiten zu können, sind Verfahren zur Datenreduktion nötig, ohne die notwendige Präzision zu verlieren. Unter anderem daran arbeitet das Institut für Computergrafik. Arrays aus Mikro-LEDs werden am Institut für Halbleitertechnik entwickelt um die Auflösung von Lichtmikroskopen zu steigern.
Anwendung in Diagnostik, Mobilität und Kommunikation
Die Forschungsergebnisse des Exzellenzclusters werden in vielen Bereichen unseres Lebens Anwendung finden – nicht nur in der Mobilität. In der Medizintechnik ermöglichen neue optische Technologien wie mit Lasern gefertigte mikrofluidische Systeme sogenannte Point-of-care-Systeme. Diese dienen als patientennahe Labordiagnostik direkt am Krankenbett oder am Unfallort (Bluttests). In der Landwirtschaft sehen die Forscherinnen und Forscher großen Bedarf: Automatisiert fahrende Landmaschinen analysieren den Boden, erkennen Unkraut und behandeln gezielt Unkraut mit Lasern. Auch bei der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine werden optische Technologien einsetzbar sein, zum Beispiel in der Interaktion von Fußgängern mit automatisiert fahrenden Autos: Die Fahrzeuge zeigen durch optische Signale Fahrtweg und Fahrverhalten an. „Noch sind das natürlich alles Visionen“, so Dr. Caspary mit einem Lächeln.
Gemeinsame Identität als Optikforschende
Der Grundgedanke bei der Zusammenarbeit von beiden Hochschulen, dem Laserzentrum Hannover (LZH), der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover lautet: freie Forschung und Kooperation. „Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen eine gemeinsame Identität als Optikforscherinnen und Optikforscher entwickeln. Es ist nicht entscheidend, aus welcher Disziplin sie kommen oder an welcher Institution sie verortet sind“, so Dr. Caspary. „Dazu gibt es unter anderem ein monatliches Kolloquium, Fachgruppen-Meetings und Crossgroup-Meetings“, fügt Dr. Johannes hinzu. Nach drei Jahren werde die Arbeit der Gruppen durch eine internationale Expertenkommission begutachtet.
Ein erster erfolgreich absolvierter Meilenstein in der Clusterarbeit sei die Gründung und der Aufbau der „PhoenixD Research School“, so Dr. Caspary. Die Zusammenarbeit mit den Doktorandinnen und Doktoranden funktioniere gut, die Ausbildung sei erstklassig. „Sie fühlen sich schon als PhoenixDler.“ Und Dr. Johannes gibt einen Ausblick: „Im September 2020 soll ein Demonstrator eines optischen Mikrochips vorgestellt werden. Darauf arbeiten wir jetzt hin.“