Chemie öffnet Mauern – Doktoranden Workshop „Communicating the Chemical Sciences“ Amman 9.11.-15.11.2009
Am 20. Jahrestag der Berliner Maueröffnung begann in Amman, Jordanien, ein Chemie-Doktorandenworkshop mit einem unkonventionellen Format. Die 9 Doktorandinnen und 6 Doktoranden kamen nicht nur aus unterschiedlichen Ländern (Israel, Palästina, Jordanien, Ägypten, Türkei, Indien, Frankreich, Russland und Deutschland), sondern auch aus unterschiedlichen chemischen Disziplinen. Deren Mauern sollten durch intensiven Gedankenaustausch durchlässig gemacht werden, ein Training für Verständnis und Frieden mit Hilfe der Chemischen Wissenschaften. Organisiert und begleitet wurde der Workshop von Prof. Hans-Heinrich Limbach, Freie Universität Berlin, Helmut Ringsdorf, Universität Mainz, Henning Hopf, Technische Universität Braunschweig und Zafra Lerman, Columbia College Chicago. Unterstützt wurde der Workshop durch Zuschüsse der FU, des Auswärtige Amts und des DAADs, des Fonds der Chemischen Industrie und der TU Braunschweig. Er mündete in die Malta-Konferenz „Research and Education in the Middle East“.
Das Workshop Programm
In einer ersten zweitägigen Runde berichteten die Teilnehmer in Power-Point Präsentationen etwa 10 Minuten über ihr Dissertationsprojekte, die dann jeweils 50 Minuten, Bild für Bild intensiv diskutiert wurden. Diese Projekte reflektierten die gesamte Breite der Chemie: Quantendynamik von gehinderten Rotationen, ultraschnelle Prozesse und Reaktionen in Molekülen, bioaktive organische Moleküle, organische Multistufenreaktionen als Eintopfsynthesen, organometallische Katalyse, Koordinationspolymere, Photokatalysatoren, Brennstoffzellmembranen, Enzymmechanismen, Schwermetallentfernung aus Abwässern und Abfallrecycling, Nanosensoren in der Krebsdiagnostik u. a. m.
Die Teilnehmer wurden ermutigt, sich für ungewohnte Methoden und Inhalte zu interessieren, dazu auch die notwendigen „trivialen“ Verständnisfragen zu stellen, und in konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge umzusetzen. Die Vortragenden wurden ermutigt, Kritik positiv aufzunehmen und eine an das Auditorium angepasste „take-home message“ zu definieren. Damit dienten diese gegenseitigen Einblicke in unterschiedliche chemische Gedankenwelten als kleine Schritte zur Öffnung unterschiedlicher (geistiger) Mauern. Auch die Seniorwissenschaftler erhielten Gelegenheit über wichtige Fragen in Form von Plenarvorträgen zu sprechen. Eine Einführung in Klima und Umweltprobleme im Nahen und Mittleren Osten gab Prof. Z. Abu-Hamatteh, Al-Balqa‘ Applied University, Jordanien, während Prof. Catherine E. Costello (Boston, USA) über Fortschritte der Massenspektroskopie von Proteinsystemen berichtete.
Während des Workshops verbesserten die Doktorandinnen und Doktoranden ihre Präsentationen, die in einer Generalprobe erneut vorgetragen und diskutiert wurden. Die Verbesserungen waren erstaunlich, sie zeigten große Anstrengungen, die wesentlichen Inhalte zu vermitteln. Der letzte Tag war auch der erste Tag der Maltakonferenz, an dem die Workshopteilnehmer ihre Projekte einem größeren Tagungspublikum vorstellten.
Das Begleitprogramm
Die Teilnehmer arbeiteten nicht nur zusammen, sondern teilten auch Mahlzeiten und die spärliche Freizeit. Sie folgten am ersten Abend einer Einladung des deutschen Botschafters zu einem Empfang und Fest zum 20. Jahrestags des Falls der Berliner Mauer. Ein Abend führte in ein einheimisches Restaurant in der Altstadt mit orientalischem Essen, Trinken, Wasserpfeife und Musik. Höhepunkt war ein Ausflug zum jordanischen Kulturerbe, der Nabatäerstadt Petra, die den Teilnehmern die großartigen regionalen kulturellen Leistungen in einer atemberaubenden Natur vor Augen führte. Wenn noch Sprach- und kulturelle Barrieren zwischen den Teilnehmern bestanden, so hatten sie sich spätestens bei der Rückkehr verflüchtigt.
Die Reaktionen
Gegen Ende des Workshops wurden die Teilnehmer um eine anonyme Evaluation gebeten. Alle Teilnehmer fanden den Workshop exzellent konzipiert und organisiert. Sie würden jederzeit wieder an einer derartigen Veranstaltung teilnehmen und sie anderen empfehlen. Zum ersten Mal standen sie selber im Vordergrund als Vortragende, Diskussionsteilnehmer oder Diskussionsleiter. Die Teilnahme von Seniorwissenschaftlern war für sie sehr wichtig, von denen sie Anregungen erhielten und ermutigt wurden. Zu Beginn hatten sie Probleme, die kurze Zeit von 10 min für ihre Präsentation einzuhalten und überzogen diese Zeit oft. Aber später empfanden sie diese Vorgabe als Herausforderung, die wichtigsten Ergebnisse in allgemeinverständlicher Form zu präsentieren. Während vor Beginn des Workshops die lange Diskussionszeit mit Skepsis betrachtet wurde, stellte sie sich später oft als zu kurz heraus. Diese Diskussionen wurden als der beste und wichtigste Teil der Tagung angesehen. Alle Teilnehmer wurden ermutigt, auch einfache Fragen zu stellen und legten nach kurzer Zeit ihre Scheu dazu ab. Mehrere Teilnehmer erhielten zum ersten Mal eine Rückmeldung zu ihrem Projekt von Nichtspezialisten. Die Teilnehmer wurden sich bewusst, dass die Überwindung von Sprachbarrieren schwierig ist, aber mit Anstrengungen möglich wird. Es wurde bemerkt, dass die Qualität und Quantität der Fragen sowie der Präsentationen sich im Verlauf des Workshops steigerten. Die Präsentation aller Teilnehmer am Vorabend der Malta IV Konferenz wurde als wichtiges Ziel empfunden zur Motivation für Verbesserungen. Auch fanden die Teilnehmer, dass das gemeinsame Kulturprogramm, insbesondere die Exkursion nach Petra, die Balance zwischen wissenschaftlicher und persönlicher Kommunikation etablierte und zu einen „esprit de corps“ Gefühl führte.
Fazit
Mit einem Workshopformat für junge internationale Wissenschaftler, wie es In Amman ausprobiert wurde, ist es möglich, Schranken und Mauern zwischen verschiedenen Fachdisziplinen zu überwinden. Dieses Erlebnis kann später mithelfen, auch Schranken und Mauern zwischen Nationen und gesellschaftlichen Gruppen zu überwinden, und damit zum Frieden beizutragen, gerade in einem politisch so schwierigen Teil der Welt wie dem Nahen Osten.