13. Januar 2020 | Magazin:

Bitte einchecken – im Kabinensimulator Modular aufgebauter Kabinennachbau am IFF zur Erforschung von Systemen und Prozessen

Gepäckablagen, Gurte, verstellbare Rückenlehnen und Sonnenblenden an den Fenstern – alles wie in einer echten Passagiermaschine. Sogar eine Bordküche ist in Vorbereitung. Der Kabinensimulator der TU Braunschweig überzeugt mit realistischen Details und viel Raum, um Sensoren und Abläufe zu testen.

Blick in den Kabinensimulator. Bildnachweis: János Krüger/TU Braunschweig

Im Jahr 2014 gab es am Institut für Flugführung (IFF) erste Überlegungen, den Cockpit-Simulator um einen Passagier- und Servicebereich zu erweitern. Seitdem wird an der Kabine mit 18 Sitzplätzen für Passagiere und zwei Sitzen für Crew-Mitglieder getüftelt, die sich an Passagierkabinen in Verkehrsflugzeugen der A320-Klasse orientiert. Auch wenn bevorzugt Originalteile aus Flugzeugen verbaut werden, konzentriert sich das Team um Mario Kallenbach und Stephan Kocks am IFF auf Modularität.

Mario Kallenbach vom IFF demonstriert den Statusmonitor für die Druckkabine. Bildnachweis: János Krüger/TU Braunschweig

„Ein Nachbau der Kabine vollständig aus Originalbauteilen hätte natürlich seinen Reiz. Doch die Bauteile vom Ersatzteilmarkt sind nicht nur teuer, sondern schränken uns in der Ausrichtung enorm ein. Wir möchten eine Verbindung von Originaltreue und modularer Simulationsplattform herstellen“, sagt Kallenbach. Das heißt, die Forscher brauchen Platz, um Kabel verlegen, Messgeräte und Sensoren installieren zu können. Alle Teile der Konstruktion müssen zugängig und austauschbar sein. So wurde zum Beispiel der Rahmen aus Holz statt aus Metall gefertigt und so angepasst, um maximalen Gestaltungsraum für Forschungsarbeiten zu erreichen.

Nachhaltig Fliegen ohne Fenster

Die IFF-Forscherinnen und -Forscher interessieren sich für die Position von Rückenlehnen, die Sonnenblenden beim Landen oder für Gurtschlösser bei Turbulenzen. Wie können Sensoren Positionen und Zustände erfassen und diese an das Personal kommunizieren? Eine besonders spannende Frage lautet: Kann man auf Fenster an den äußeren Sitzplätzen zugunsten der Nachhaltigkeit verzichten? Fenster sind schwere und komplexe Bauteile, ließe sie man sie weg, könnte man das Gewicht einer Maschine reduzieren. Was anstelle dessen, zum Beispiel in Form von Monitoren, umsetzbar wäre – darüber denken Kallenbach und seine Kollegen nach.

Grafik: Aufbau des Kabinensimulators. Bildnachweis: IFF/TU Braunschweig

Weitere Forschungsthemen drehen sich derzeit um das Energiemanagement in Flugzeugen – insbesondere vor dem Hintergrund neuer umweltschonender Antriebe. Was würde passieren, wenn die Pilotin oder der Pilot die Leistung der Klimaanlage in bestimmten Szenarien reduzieren muss, um genügend Triebwerksleistung zu erhalten? Wie wird diese Systemänderung aus dem Cockpit in die Kabine kommuniziert? Oder: Wo kann die Energieversorgung im Flugzeug durch „Energy Harvesting“ ersetzt werden, um vorhandene Energiequellen ökoeffizient zu nutzen?

Schnittstelle zwischen Personal und Sensorik

„Pilotinnen und Piloten – und im Fall des Kabinensimulators: Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter – haben feste Abläufe. Wir erforschen, wie wir Ihre Arbeit unterstützen können, ohne ihre gewohnte Umgebung komplett zu verwerfen“, erklärt Kallenbach. Einerseits sei dazu ein detailliertes Wissen zur Funktion und Entwicklung von technischen Kabinensystemen notwendig. Andererseits müsse man die Bedingungen im tatsächlichen Flugbetrieb und auch das Zusammenspiel von Cockpit und Kabine verstehen. Das Verständnis hilft natürlich auch den Studierenden der Ingenieurwissenschaften. Dr. Thomas Feuerle: „Im Rahmen meiner Vorlesung fliegen sie flugmechanische Bewegungsformen nach. In der Kabine, sozusagen im fliegenden Hörsaal, können sie die Fortschritte im Cockpit über Monitore mitverfolgen.“

Damit für Lehre und Forschung immer ein aktuelles System zur Verfügung steht, gibt es kein „Fertigstellungsdatum“ des Simulators. In einer nächsten Ausbauphase werden die Türen und ihre Mechanik nachgebaut und auch eine Original-Bordküche angepasst und montiert. Geplant ist außerdem die Funktionalität der „Passenger Service Units“. Diese Serviceeinheit ist über jeder Passagiersitzreihe erreichbar und beinhaltet zum Beispiel Hinweiszeichen und Schalter für Leselicht und die Kommunikation mit den Flugbegleitern. Eine Kleinigkeit in der Flugzeugausstattung weicht jedoch vom großen Vorbild ab: Die Bordtoilette bleibt reserviert für die Servertechnik – vorläufig.