Auf der Suche nach Wirkstoffkandidaten im Pflanzen-Erbgut Professor Boas Pucker leitet das Team Pflanzenbiotechnologie und Bioinformatik
Seit 1. Oktober 2021 baut Juniorprofessor Boas Pucker die Gruppe Pflanzenbiotechnologie und Bioinformatik am Institut für Pflanzenbiologie auf. Im Mittelpunkt stehen Substanzen, die Pflanzen zum Beispiel als Farbstoffe für Blüten oder als Abwehrstoffe gegen Infektionen entwickelt haben. Dazu analysiert Professor Pucker das pflanzliche Erbgut, beobachtet einzelne DNA-Moleküle und sucht Gene, die sich zur Produktion von Wirkstoffen eignen könnten. Professor Pucker arbeitete zuletzt am Department of Plant Sciences der Universität Cambridge in Großbritannien und an den Universitäten in Bochum und Bielefeld.
Professor Pucker, sind Sie gut an der TU Braunschweig angekommen?
Ja. Ich hatte schon spannende Diskussionen mit den neuen Kolleginnen und Kollegen. Generell ist die Hilfsbereitschaft groß und ich habe bereits viele nützliche Informationen erhalten. Am 11. Oktober wurde ich sogar schon als BRICS-Mitglied aufgenommen. Natürlich freue ich mich darauf, in den nächsten Wochen noch viele weitere Forschende und Lehrende kennenzulernen. Meine bioinformatische Forschung läuft bereits und nach Abschluss der Renovierungsarbeiten im Labor können hoffentlich auch bald die molekularbiologischen Arbeiten starten. Ich habe bereits einige Studierende getroffen, meine erste Vorlesung ist aber erst für nächstes Jahr geplant.
Warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Das Braunschweiger Zentrum für Systembiologie (BRICS) und zahlreiche außeruniversitäre Forschungsinstitute waren ein wichtiger Grund für meine Bewerbung. Die Möglichkeiten, meine Forschung an spezialisierten Metaboliten von Pflanzen zur Identifikation von Wirkstoffen gegen Infektionen – bei Pflanzen und Menschen – zu entwickeln, sind damit sehr gut.
Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?
Der anschaulichste Teil meiner Forschung sind Pflanzenfarbstoffe, die in Form von bunten Blüten oder gefärbten Blättern omnipräsent sind. Diese Farbstoffe sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs, denn es gibt sehr viele unsichtbare Substanzen, die von Pflanzen produziert werden. In meiner Forschung untersuche ich, wie Pflanzen diese Substanzen herstellen und wie diese Fähigkeit im Laufe der Evolution entstanden ist. Viele dieser Substanzen dienen Pflanzen als Verteidigung gegen Infektionen durch Bakterien oder Pilze. Daher ist es naheliegend, dass diese Substanzen Verwendung in der Bekämpfung von Infektionen finden können.
Als Grundlage für diese Analysen ist die Entschlüsselung des Erbguts einer Pflanze erforderlich. Darin habe ich bereits einige Jahre Erfahrung und möchte dies gerne an der TU Braunschweig fortsetzen. Dafür verwende ich eine Technologie, die ein einzelnes DNA-Molekül „beobachtet“, während es durch eine Nanopore wandert. Der Vergleich von Sequenzen verschiedener Pflanzenspezies hilft mir bei der Aufklärung von evolutionären Vorgängen. Daraus ergeben sich Hinweise auf interessante Gene, die für die Produktion von Wirkstoffkandidaten verantwortlich sein könnten.
Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Ich habe mich früh für die Untersuchung von Genfunktionen interessiert und habe darüber den Weg zu pflanzlichen Biosynthesewegen gefunden. Je mehr ich daran forsche, desto mehr fasziniert mich die enorme Vielfalt an verschiedenen Substanzen, die von Pflanzen produziert werden. Ich möchte gerne die molekulargenetischen Grundlagen und die Evolution von dieser Komplexität verstehen. Zum Beispiel interessieren mich die molekulargenetischen Ursachen für unterschiedlich gefärbte Blätter, Blüten oder Früchte an verschiedenen Pflanzen der gleichen Spezies. Mich motiviert auch die Möglichkeit, die Ergebnisse aus dieser Grundlagenforschung direkt in Anwendungen zu überführen, denn viele Pflanzenfarbstoffe haben als Komponenten in unserer Nahrung gesundheitsförderliche Wirkungen.
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Wissenschaftler?
Ich hatte viele tolle Erlebnisse und das hat mich dazu motiviert in der Wissenschaft zu bleiben. Besonders schätze ich die zahlreichen Interaktionen mit anderen Forschenden. Es gibt aber ein aktuelles Beispiel aus meiner Zeit im Home-Office, das ich gerne teilen möchte. Seit meiner Bachelorarbeit habe ich mich für den gegenseitigen Ausschluss von zwei Pflanzenfarbstoffen in den Caryophyllales, einer Gruppe von ca. 12.000 Pflanzenspezies, interessiert. Innerhalb eines Tages habe ich durch bioinformatische Analysen einen molekularen Mechanismus gefunden, der dieses Phänomen erklären kann. Es war zwar kein Zufallsfund, aber der Aufwand für die zugrundeliegende Analyse war gering. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass wissenschaftliche Fortschritte nicht gleichmäßig erfolgen und kaum plan- oder vorhersagbar sind. Es gibt also immer wieder schöne Überraschungen.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Lernen profitiert von einer positiven Einstellung zu den Lerninhalten und dazu kann Begeisterung der Lehrenden beitragen. Ich sehe daher sowohl Spaß in den Veranstaltungen als auch eine Begeisterung für mein eigenes Fach als wesentliche Elemente. Außerdem ist mir die Verbindung von aktueller Forschung und Lehre sehr wichtig. Dadurch wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch der Weg dahin und die Dynamik des Stands der Forschung verdeutlicht. Generell möchte ich gerne Qualifikationen und nicht ausschließlich Wissen vermitteln.
Was möchten Sie Studierenden mit auf den Weg geben?
Daten-getriebene Forschung gewinnt nicht nur im universitären Umfeld immer mehr an Bedeutung. Daher sind Fähigkeiten im Umgang mit großen Datensätzen und zur Entwicklung von Analysemethoden eine wichtige Qualifikation. Entsprechende Kurse möchte ich gerne in der nächsten Zeit anbieten.
Auslandsaufenthalte waren für mich wertvolle Erfahrungen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Finanzierung und ich vermittle ich gerne Kontakte für Forschungsaufenthalte.
Eine Team-orientierte Arbeitsweise ist aktuell sehr gefragt. Eine Möglichkeit in der Biologie ist die Teilnahme an iGEM, dem wichtigsten Wettbewerb der synthetischen Biologie. Ich bin selber seit einigen Jahren involviert und würde mich freuen, an der TU Braunschweig ein Team zu unterstützen.
Pflanzen sind faszinierend. Durch das biotechnologische Potential von Pflanzen im Hinblick auf die Entdeckung und Produktion von neuen Wirkstoffen könnte sich Pflanzenforschung auch für medizinisch interessierte Studierende als der richtige Weg erweisen. Ich freue mich immer über Interesse an meiner Forschung und möchte natürlich motivierten Studierenden eine Abschlussarbeit in meiner Gruppe anbieten.