4. August 2021 | Magazin:

Arbeiten im Gewächshaus Umbau des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur zum Reallabor

Tabula rasa in den Räumen des Instituts für Bauklimatik und Energie der Architektur (IBEA). Das zehnte Stockwerk des Architektur-Hochhauses an der Mühlenpfordtstraße wurde in den vergangenen Monaten komplett entkernt. Mit Naturmaterialien sowie recyclingfähigen und CO2-neutralen Baustoffen soll die Etage umgebaut werden und ein Reallabor entstehen.

Tabula rasa: In den Institutsräumen blieb kein Stein auf dem anderen. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Für Institutsleiterin Professorin Elisabeth Endres ist der Umbau, bei dem kein Stein auf dem anderen blieb, ein Kraftakt, der sich lohnt: „Wir möchten unsere Institutsräume nachhaltig mit dem Blick in die Zukunft umgestalten und eine sehr flexible Fläche erhalten.“ Dafür war zunächst eine langwierige Schadstoffsanierung notwendig. Die Schadstoffe waren zu keiner Zeit gesundheitsgefährdend, da sie in den Konstruktionen gebunden waren. Doch auch hieraus könne man seine Lehre ziehen, so Professorin Endres. Gipskarton, Abhangdecken, Schaumstoffe, Mineralwollen und andere Füllmaterialien will sie im Institut vermeiden. „Es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen, wie man baut und die Konsequenzen sowohl für das Raumklima als auch die Raumwirkung den Studierenden sichtbar zu machen.“

Haus-in-Haus-Lösung

So setzt die Architektin in den neuen Räumen auf sehr wenige unterschiedliche Baustoffe – überwiegend Holz und Lehm – sowie auf wiederverwertbare und recycelte Materialien. Der Parkettboden ist aus Industrieresten, gut erhaltene Möbel kehren in das Institut nach dem Umbau zurück.

Insgesamt sollen die 500 Quadratmeter als große Fläche bestehen bleiben, so dass diese auch für Seminare und Workshops genutzt werden kann. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Insgesamt sollen die 500 Quadratmeter als große Fläche bestehen bleiben, so dass Mitarbeiter*innen diese auch für Seminare und Workshops nutzen können. Lediglich das Sekretariat, das Laborleiter-Büro sowie zwei Bereiche mit Besprechungstischen werden abgetrennt. Ein Teil des Großraums kann durch einen Vorhang zu einem Arbeitsraum verkleinert werden. Und dann gibt es noch drei Gewächshäuser: Diese stehen künftig als weitere Arbeitsräume zur Verfügung und können je nach Bedarf im Großraum verschoben werden. Bereits in ihrem Projekt für die IBA Thüringen in Apolda – einem Eiermann-Bau, ursprünglich gebaut als Weberei – hatte Professorin Endres diese Haus-in-Haus-Lösung eingesetzt. „In den Gewächshäusern erzeugen wir sozusagen ein Mikroklima“, erklärt die Institutsleiterin. „Ich kann mich dort hineinsetzen, wenn ich ruhiger arbeiten möchte, mir die große Fläche im Winter zu kalt ist oder es durch die bauzeitliche Fassade zu Zugerscheinungen kommt. Damit muss ich nicht den gesamten Raum auf 20 Grad heizen oder eine aufwändige Fassadensanierung vornehmen.“

Kleine Besichtigungstour der entkernten Etage. Übergangsweise befindet sich das Institut in den Laborräumen in der Zimmerstraße 24b. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Lehmwand als Demonstrator

Die Optimierung des Raumklimas in Bestandsgebäuden ohne massive bauliche Eingriffe und einer energieintensiven Technikaufrüstung beschäftigt die Institutsleitern in Forschung und Lehre. Daher sollen die neuen Räume dies auch als Forschungs- und Anschauungsfläche widerspiegeln. Wie kann man in einem Gebäude aus den 1970er Jahren also mit CO2-neutralen Baustoffen den heutigen Anforderungen entsprechen, ohne großflächig Lüftungs- und Klimatechnik einzubauen? Und wie wenig ist genug, um ein robustes Betriebsoptimum zu generieren? Dies waren die Fragestellungen, die dem neuen Konzept zugrunde liegen. Das IBEA setzt dafür unter anderem traditionelle Bauweisen ein. So optimiert das Institut die Räume punktuell mit zwei Trennwänden aus Strohlehm und Lehmziegeln. Um das passive Verhalten der Wände zu unterstützen, sind diese mit einem aktiven Temperierungssystem ausgestattet, das auch dem Lastmanagement der regenerativen Stromerzeugung dient.

In den kommenden Monaten wird in der zehnten Etage ein Reallabor entstehen. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Sechs unterschiedliche Kombinationen aus Strukturen und Technik werden insgesamt eingebaut. Damit können die Mitarbeiter*innen zum Beispiel Messungen zu Oberflächentemperaturen oder Reaktionszeiten der Systeme in Kombination mit der Konstruktion vornehmen. Ein Teil wird nicht verkleidet, so dass Studierende und Interessierte an diesen Systemen hineinsehen können und die Wände zum Demonstrator werden: Wie sind die Schläuche verlegt? Wie erfolgt die Elektroverteilung? Wie sehen die Schichten und Konstruktionsstärken aus? „Wir bauen damit ein Reallabor, in dem wir unterschiedliche Szenarien ausprobieren, um Rückschlüsse ziehen zu können und natürlich um Forschungsthemen aufzugreifen“, so Professorin Endres.

Solarstrom und Wärmepumpe

Neben den passiven und aktiven Konditionierungssystemen in den Institutsräumen ist eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des BS04 in Planung, die unter anderem eine Wärmepumpe mit Strom versorgt. Im Winter wird Außenluft über den Solarstrom auf ein höheres Temperaturniveau gebracht. Im Sommer funktioniert diese wie eine Kältemaschine, die die Kälte an die Heizkreise in den beiden Wänden übergeben kann. „Die schweren Lehmwände wollen wir vor allem dazu nutzen, zu schauen, wie wir die überschüssige Energie im Sommer – umgewandelt in Kälte – in unseren Bauteilen speichern können.“ Die PV-Anlage wird mit dem Uni-Netz gekoppelt und ist somit ein weiterer Baustein hin zum CO2-neutralen, zukunftsfähigen Campus.

Die Räume werden demnächst punktuell mit zwei Trennwänden aus Strohlehm und Lehmziegeln optimiert. Bildnachweis: Max Fuhrmann/TU Braunschweig

Verschiedene Unternehmen haben den Umbau, der auch aus Berufungsmitteln des Landes finanziert wird, mit Material und in der Entwicklung unterstützt. Besonders dankbar ist Professorin Endres dem Präsidium und dem Geschäftsbereich 3 – Gebäudemanagement der TU Braunschweig: „Die Mitarbeiter*innen machen einen tollen Job und sind wunderbare Partner*innen! Ich bin sehr froh, dass wir den Umbau in dieser Form realisieren können. Es ist nicht einfach nur ein Neuanstrich und ein Abziehen des Bodens. Hier wird aus einer Lehrstuhlfläche ein richtiges Labor!“