Das Menschenrecht, nicht frei zu sein 27. Mai 2019 | 16:45 Uhr - 19:00 Uhr
Die Auseinandersetzung mit Autonomie (gr. auto = selbst; nomos = Gesetz) ist historisch verhältnismäßig jung. Zwar war bereits in der griechischen Antike der Begriff als eine politische Kategorie geläufig und bezeichnete dort vornehmlich die Selbständigkeit der Stadtstaaten, aber danach gewann er erst im 17. Jahrhundert erneut und vor allem in den Rechtswissenschaften an Bedeutung. In die Philosophie wurde Autonomie von Immanuel Kant aufgenommen, der sie als Selbstgesetzgebung des Willens bestimmte und damit als Bedingung menschlicher Freiheit auswies. Nachdem sich die philosophische Diskussion zunächst um diese spezifische Bedeutung zentrierte, wurde Autonomie vermittelst des Neukantianismus zu einem allgemeinen philosophischen Prinzip, mit dem sich im weitesten Sinne Eigengesetzlichkeiten, z. B. in der Erkenntnis, bestimmen lassen. Auch andere, jüngere wissenschaftliche Disziplinen nahmen den Terminus Autonomie auf, um etwa die funktionale Unabhängigkeit von Teilbereichen der Gesellschaft (Soziologie) oder die Selbständigkeit von Lebensvorgängen (Biologie) theoretisch zu fassen. Nicht zuletzt wird Autonomie heute zur Beschreibung ‚von selbst‘ funktionierender Systeme verwendet. Damit ist eine Abkehr des Begriffs Autonomie von Bestimmungen wie Freiheit, (Selbst-)Bewusstsein und Verantwortlichkeit zu verzeichnen. Das Programm der Ringvorlesung besteht aus interdisziplinären Vorträgen von Referent/innen, die sich sowohl den rechtswissenschaftlichen und philosophischen Grundlangen des Autonomiebegriffs als auch dessen aktuellen Gestalten zuwenden. So soll in den gemeinsamen Diskussionen ein Austausch darüber entstehen, inwieweit die ‚ursprüngliche‘ Bedeutung zu Recht überkommen wurde und inwieweit unter veränderten Bedingungen daran festzuhalten ist.
Referent*in
Prof. Dr. Jean-Christophe Merle, Universität Vechta
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