Wie genau ist mein Nanolineal? Messtechnik auf der molekularen Skala
Um Längen im Alltag zu messen, benutzen wir gewöhnlich ein Lineal oder einen Gliedermaßstab („Zollstock“). Durch Vergleich der zu messenden Länge mit dem Lineal findet die Quantifizierung statt. Aber wie werden solche Abstände auf der molekularen Skala gemessen und gegen einen Standard referenziert?
In den letzten Jahren entwickelten Forscher der TU Braunschweig und der LMU München unter Leitung von Prof. Dr. Philip Tinnefeld Nanolineale. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Markierungen aus leuchtenden Farbstoffmolekülen mit Abständen im Nanometerbereich entlang einer DNA Nanostruktur angebracht sind. Eine Besonderheit ist, dass diese Nanolineale in einem Selbstassemblierungsprozess mit der DNA-Origami-Technik höchst parallelisiert hergestellt werden. DNA-Origami-Nanolineale werden bereits als Referenzstrukturen für das Einstellen von Mikroskopen und als Positivkontrollen in der superauflösenden Fluoreszenzmikroskopie eingesetzt und sind die erste kommerzielle Anwendung der DNA-Origami-Technik weltweit.
Aus metrologischer Sicht stellt sich die Frage, wie exakt diese Nanolineale wirklich sind. Inwieweit eignen sich selbstassemblierte Nanolineale, quantitativ mikroskopische Eigenschaften zu charakterisieren und wie genau sind die Abstände auf den Nanolinealen wirklich bekannt? Auf diese und andere metrologische Fragestellungen, wie Messwerte auf die SI-Einheiten rückgeführt werden können, ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig spezialisiert. Daher schlossen sich Wissenschaftler der TU Braunschweig und des Fachbereichs Bild- und Wellenoptik sowie der Abteilung Fertigungsmesstechnik der PTB zusammen und entwickelten ein Kalibrierverfahren, welches jetzt in der Fachzeitschrift Nature – Scientific Reports veröffentlicht wurde.
Erstaunlich: das Maß an Genauigkeit und Reproduzierbarkeit
Es zeigte sich, dass der mittlere Abstand zwischen den Markierungen auf den Nanolinealen mit einer Unsicherheit von 1-2 nm bestimmt werden kann. Dabei ist vor allem die Reproduzierbarkeit der Messungen an verschiedenen Tagen und an verschiedenen Mikroskopen erstaunlich. „Die Abweichung der gemessenen Abstände sind zumeist unter einem Nanometer“, konstatiert Mario Raab, Erstautor der Publikation und Absolvent des Graduiertenkollegs „Metrology for Complex Nanosystems – NanoMet“, die sich in einer Kooperation von TU Braunschweig und PTB mit der Metrologie in den Nanowissenschaften beschäftigt. „Das Kalibrierverfahren ermöglicht es erstmals, unsere Nanolineale als Standards und nicht nur als Testproben zu benutzen“, fügt Raab hinzu. „Es ist insbesondere erstaunlich, welche Genauigkeit und Reproduzierbarkeit mit diesen selbstassemblierten Strukturen möglich ist. Oftmals dienen kristalline Strukturen, bei denen die Atomlagen zählbar sind, als Normale in der Nanowelt. Mit den DNA Origami Strukturen ist ein neuartiger Ansatz realisiert, der überall verfügbare Referenzstrukturen auf einfache und elegante Art und Weise ermöglicht“, erklären die Partner der PTB.
Biophysikalische Messmethoden wie die Superauflösungsmikroskopie wurden in den letzten Jahren extrem vielfältig weiterentwickelt, jedoch nur bedingt standardisiert. Eine Vielzahl potentieller Anwendungen liegt im medizinischen Bereich. Wenn solche Messmethoden eines Tages zwischen krank oder gesund unterscheiden sollen, muss quantitativ sichergestellt sein, dass sie verlässlich sind. Diese Arbeit liefert ein Bespiel, wie vorgegangen werden muss, um entsprechende Unsicherheiten zu bestimmen und die Risiken zu minimieren.