Wettkampf im Maschinenlernen Das Bundesforschungsministerium fördert ein neuartiges, praxisnahes Lehrangebot für Studierende der Informatik und Elektrotechnik
Ob selbstfahrende Autos, intelligente Häuser oder Industrie 4.0: Für die Gestaltung der digitalen Welt fehlen oft erfahrene Fachkräfte, und theoretisches Wissen allein hilft nur bedingt. Das neue Lehrangebot „Deep Learning Lab“ der Technischen Universität Braunschweig will deshalb mit einer extra Dosis Praxis Abhilfe schaffen. Das Projekt wird vom Bundesforschungsministerium mit 233.000 Euro gefördert.
Im Deep Learning Lab der TU Braunschweig können sich Studierende verschiedener Fachrichtungen am maschinellen Lernen praktisch ausprobieren. In kleinen Wettkampfteams entwickeln sie Systeme, die in riesigen Datenmengen Muster erkennen und so komplexe Aufgaben lösen können, ähnlich wie es auch das menschliche Gehirn macht. „Dabei geht es um reale Fragestellungen von Unternehmen“, sagt Prof. Tim Fingscheidt, der das neue Lehrangebot entwickelt hat. Die Studierenden könnten zum Beispiel Aufnahmen bekommen, die während der Fahrt aus einem Auto heraus gemacht wurden, und das Ziel wäre dann, einen freien Parkplatz zu finden.
Die Wahl der Werkzeuge
Um Aufgaben dieser Art zu lösen, bietet das Internet die unterschiedlichsten, frei verfügbaren Werkzeuge. „Die große Kunst ist herauszufinden, welche davon in welcher Konfiguration das beste Ergebnis liefern“, erklärt der Informationstechniker. Dabei erfordere jede Problemstellung eine ganz eigene Herangehensweise. Bevor es allerdings in den praktischen Wettkampf geht, stehen eine Einführung in die relevanten Programme und betreute Übungen auf dem Stundenplan.
Die industriellen Unterstützer des Projekts, darunter Volkswagen und Bosch, liefern die nötigen Datensätze. Manche finanzieren außerdem Doktoranden, die zum einen die Wettkampfteams betreuen und zum anderen dafür sorgen, dass das entwickelte Knowhow in den Unternehmen schnell zum praktischen Einsatz kommen kann. „Aus der Zusammenarbeit können sich außerdem neue Themen für Bachelor- und Masterarbeiten ergeben“, betont Fingscheidt. Die Synergieeffekte seien zahlreich. Weitere Industriepartner des Projekts sind die Messtechnikspezialisten GOM und Wente/Thiedig aus Braunschweig, Viscom aus Hannover sowie die Ingenieurgesellschaft ITU Consulting aus Lehre Wendhausen.
Mehr als Spielerei
Aus den Projektmitteln hat Fingscheidts Team unter anderem Grafikkarten der neuesten Generation angeschafft und im Gauß-IT-Zentrum der TU Braunschweig installiert. „Sie enthalten zahlreiche Prozessoren und können viel mehr Rechenprozesse gleichzeitig abwickeln als gewöhnliche Rechner“, erklärt Fingscheidt. Schließlich wurden sie ursprünglich für Videospiele konzipiert, die, was parallele Verarbeitungsprozesse betrifft, ähnlich anspruchsvoll sind. Das Spielerische kommt aber auch im Deep Learning Lab nicht zu kurz. „Die Teams können eine Menge ausprobieren, ganz frei, ohne irgendwelche Vorgaben, nur mit dem Ehrgeiz das beste Ergebnis zu finden. Das ist eine Atmosphäre, die ich mir schon immer für unsere Studierenden gewünscht habe“, freut sich der Informationstechniker.
Die Wettkampfidee kam Fingscheidt durch den Carolo-Cup der TU Braunschweig. Hier messen sich einmal im Jahr Studierendenteams aus der ganzen Welt mit ihren selbst entwickelten autonomen Modellautos. „Natürlich sind die Ergebnisse unseres Wettbewerbs nicht so spektakulär anzusehen, denn es ist ja nur eine Lehrveranstaltung“, räumt der Wissenschaftler ein. Gleichwohl werde es spätestens ab dem nächsten Jahr auch eine offizielle und öffentlichkeitswirksame Siegerehrung geben.
Text: Andrea Hoferichter