Transformation: Der Wandel der Innenstadt Braunschweig Studierenden-Wettbewerb um den Johannes-Göderitz-Preis für Städtebau entschieden
Wie kann die Braunschweiger Innenstadt umgestaltet, das Zentrum attraktiver werden? Wie können Leerstände genutzt werden? Welche Möglichkeiten über das Einkaufen hinaus kann die Stadt bieten? Beim diesjährigen Wettbewerb um den Johannes-Göderitz-Preis waren Architektur-Studierende von fünf Universitäten aufgefordert, mit ihren Entwürfen das Bild der Innenstadt entscheidend zu verändern und nachhaltige Perspektiven aufzuzeigen. Am 25. Oktober findet die Preisverleihung und die Ausstellungseröffnung im Flebbe-Haus in Braunschweig statt.
Im Fokus des Studierenden-Wettbewerbs stand in diesem Jahr die Transformation der Braunschweiger Innenstadt. Dieser Stadtraum ist geprägt durch die Haupteinkaufsstraßen der Stadt, dem Schlossnachbau mit Einkaufszentrum und Kultureinrichtungen, dem Sitz wichtiger öffentlicher Funktionen wie dem Rathaus, dem Oberlandesgericht und dem Braunschweiger Dom sowie großmaßstäblichen Verkehrsbauten. Aufgabe der Architektur-Studierenden war es, innovative und nachhaltige Konzepte für eine programmatische und räumliche Neuordnung zu entwickeln. Die aktuellen Probleme der Innenstadt sollten dabei als Chance begriffen werden.
Aktuelles stadtpolitisches Thema
Für ihren Entwurf „Stadtproduktion: Die Zukunft der Braunschweiger Innenstadt“ erhalten Yu Chen und Zhiyuan Jiang von der Technischen Universität Berlin den ersten Preis. Paul Gumpricht und Daniel Afriyie Owusu von der Leibniz Universität Hannover werden für ihre Arbeit „Future 5“ mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Die beiden Sonderpreise gehen an Till Connor und Lina Kolshorn, ebenfalls von der Leibniz Universität Hannover, für ihren Entwurf „Liebes Braunschweig“ sowie an Eric Kurzbuch und Conrad Peschel von der TU Dresden für „Rettungsring Braunschweig“. Jeder Preis ist mit 2.000 Euro dotiert. Anerkennungen in Höhe von 1.000 Euro erhalten Nadine Willems und Justin Pauls (RWTH Aachen) für ihr Projekt „Das Verlangen nach Stadt“ sowie Leon Krug und Cecilia Redante (TU Braunschweig) für „Braunschweiger Dreiklang“.
Der Johannes-Göderitz-Preis greift regelmäßig aktuelle stadtpolitische Themen auf. Für die teilnehmenden Studierenden aus unterschiedlichen Städtebau-Instituten bietet der Wettbewerb eine Plattform, um ihren städtebaulichen Entwurf als ein persönliches Statement zur jeweils gestellten Aufgabe zu positionieren. Die Aufgaben stellende Stadt erhält im Gegenzug ein breites Spektrum unterschiedlicher Entwürfe.
Klimakrise erfordert neue Betrachtung städtischer Räume
„Durch gesellschaftliche Veränderungen, wie der Verkehrswende und der fortschreitenden Digitalisierung, die das Arbeiten und den Handel maßgeblich verändern, dazu katalysiert durch die Corona-Pandemie, besteht dringender Handlungsbedarf für eine neue räumliche und programmatische Ausrichtung der Innenstadt. Zusätzlich erfordert die fortschreitende Klimakrise eine neue Betrachtung städtischer Räume“, betont Professor Uwe Brederlau, Leiter des Instituts für Städtebau und Entwurfsmethodik der TU Braunschweig und Vorsitzender der Johannes-Göderitz-Stiftung. Die eingereichten Wettbewerbsarbeiten der Studierenden haben sich alle dieser Aufgabe gestellt.
„Innenstädte befinden sich kontinuierlich in einem Prozess des Wandels. Die vorliegenden Beiträge mit ihren ganz unterschiedlichen Herangehensweisen zeigen interessante Ideen und Experimente und bieten eine spannende Diskussionsgrundlage zur zukünftigen Entwicklung der Innenstadt“, so Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer. „Der erste Preis greift die Idee auf, produzierende Bereiche wieder in die Innenstadt zu holen und damit ein wichtiges prägendes Element der Innenstädte während der Industrialisierung. Das gefällt mir sehr.“
Bernd Schmidbauer, Vorsitzender der Wettbewerbsjury und Leiter des Fachbereichs Stadtplanung und Geoinformation der Stadt Braunschweig, hob die Vielfalt der unterschiedlichen Ansätze und den hohen Durcharbeitungsgrad der Arbeiten hervor und verwies auf die hohe Individualität der Entwürfe. In drei Rundgängen wurden die Arbeiten betrachtet und intensiv diskutiert.
Insgesamt haben Studierende der teilnehmenden Hochschulen RWTH Aachen, Technische Universität Berlin, Technische Universität Braunschweig, Technische Universität Dresden und Leibniz Universität Hannover 22 Arbeiten eingereicht. „Die inhaltlichen Schwerpunkte der Entwürfe variieren stark, doch alle zeichnen ideenreiche Bilder für die Innenstadt, die Freude auf die Zukunft von Braunschweig machen. Es ist schön zu sehen, wie viele positive Konzepte, die jenseits einer Ökonomisierung von Raum gedacht sind, für die Entwicklung der Innenstadt möglich sind“, sagt Professor Uwe Brederlau.
Innenstadt als Ort flexibler und dezentraler Produktion
In ihrem Entwurf „Stadtproduktion“ thematisieren Yu Chen und Zhiyuan Jiang die Innenstadt als Ort flexibler und dezentraler Produktion. Ausgehend von Braunschweiger Unternehmen der Bekleidungs-, Automobil-, Maschinenbau-, Biomedizin- und Luftfahrtindustrie sollen diese Bereiche erweitert und ergänzt werden durch kleine, kundenspezifische Unternehmen, Manufakturen, Fab Labs und Dachfarmen. Neben der kreativen Produktion schlagen die Studierenden vor, die Kreislaufwirtschaft zu stärken, den Individualverkehr zu reduzieren, eine dezentrale Energieversorgung zu etablieren und Flächen zu entsiegeln, um die Innenstadtqualitäten zu erhöhen.
Als Grundlage für die urbane Produktion wird ein neues innerstädtisches Logistiknetzwerk entwickelt. Der innere Stadtring soll die urbane Mikrologistik übernehmen und die Verbindung von Produktion und Wohnen ermöglichen. In den Höfen werden gemeinschaftliche Grünflächen erweitert, große Dächer begrünt und Pocket-Parks im öffentlichen Raum geschaffen.
Dieser Ansatz der Stadtproduktion überzeugte die Jury, die das Projekt mit dem ersten Preis auszeichnet. „Die Innenstadt bleibt Ort des Handels, wird aber durch zusätzliche Nutzungen transformiert und gestärkt“, so die Jury. „Der Bereich Karstadt inklusive Parkhaus wird vertieft gestaltet. Die hier angesiedelte Nutzungsmischung erscheint schlüssig. Die benannten Funktionen Produktion und Handel werden durch die ebenfalls zentral gelegene Wohnnutzung ergänzt. Beim Betrachten entstehen Bilder, die Lust auf mehr machen.“
Die Preise im Rahmen des Johannes-Göderitz-Wettbewerbs 2024 werden
am Freitag, 25. Oktober 2024, um 17 Uhr
im Flebbe-Haus, Bohlweg 1-2, 38100 Braunschweig
vergeben. Die Ausstellung der Arbeiten ist bis zum 28. Oktober im Schaufenster des Flebbe-Haus zu sehen.
Der Wettbewerb fand in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Braunschweig statt, die unter anderem mit Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer und Bernd Schmidbauer, Leiter des Fachbereichs Stadtplanung und Geoinformation der Stadt Braunschweig, in der Jury vertreten war.