Projekt „marTech“: Rund 35 Millionen Euro für die Erweiterung des Großen Wellenkanals in Hannover Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert den deutschlandweit größten Versuchsstand für die kombinierte Untersuchung von Belastungen durch Seegang und Strömung
Der Ausbau der Offshore-Windenergie vor den Küsten geht voran. Beim Bau und Betrieb von Windenergieanlagen auf hoher See, aber auch bei Wellen- oder Tideströmungskraftwerken, gibt es eine Fülle von Herausforderungen zu meistern. Das Wasser ist tief, das Meer bisweilen rau. Wie müssen die Gründungsstrukturen von Anlagen beschaffen sein, damit sie eine möglichst lange Lebensdauer haben? Wie können schwimmende Strukturen verankert werden? Was sind die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Kolkschutzsystem, d.h. einer Lösung, die den Frei- bzw. Ausspülungen rund um das Fundament durch Wellenbewegungen und Meeresströmungen entgegenwirkt?
Um diese und weitere Fragen geht es im Forschungsprojekt „marTech – Erprobung und Entwicklung maritimer Technologien zur zuverlässigen Energieversorgung“. Im Rahmen des Vorhabens wird der Große Wellenkanal (GWK) in Hannover umfangreich ausgebaut. Der Große Wellenkanal ist das Herzstück des Forschungszentrums Küste (FZK), einer gemeinsamen zentralen Einrichtung der Leibniz Universität Hannover und der Technischen Universität Braunschweig. Rund 35 Millionen Euro stellt das BMWi für die Erweiterung des Wellenkanals zur Verfügung. Mit weiteren etwa 1,4 Millionen Euro hat das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) die Planungsphase in den vergangenen eineinhalb Jahren unterstützt. Mit dem erweiterten Großen Wellenkanal wird erstmals in Deutschland ein großmaßstäblicher Versuchsstand für die kombinierte Untersuchung der Belastung maritimer Bauwerke – wie Offshore-Windenergieanlagen – durch Seegang und Strömung zur Verfügung stehen. In vergleichbarer Art und Größe gibt es weltweit nur vier weitere Wellenkanäle.
„Die Windenergienutzung ist eine wichtige Säule der deutschen Energiewende. Die nun geplante Erweiterung des Großen Wellenkanals ermöglicht ein noch besseres Verständnis von den Belastungen der Anlagen auf hoher See und legt damit den Grundstein für die Entwicklung besonders kostengünstiger und verlässlicher Windenergieanlagen“, so Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie und Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft. „Die Küsten- und Meeresforschung in Niedersachsen wird mit dem erweiterten Großen Wellenkanal in Hannover über eine Infrastruktur verfügen, die weltweit Maßstäbe setzt“, so die Niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit dieser sensationellen Förderung unsere Forschung in diesem zukunftsträchtigen Bereich weiter ausbauen und innovative, praxisnahe Pilotprojekte im Projekt ‚marTech‘ angehen können“, erläutert Prof. Dr. Volker Epping, Präsident der Leibniz Universität Hannover. „Mit dem Projekt „marTech“ soll auch ein wesentlicher Beitrag zur Erprobung und Entwicklung von Technologien der erneuerbaren Energien auf und aus dem Meer geleistet werden. Dies stützt auch unmittelbar den Forschungsschwerpunkt Energie, den die Leibniz Universität auf vielen Gebieten interdisziplinär verankert hat“. Auch Prof. Anke Kaysser-Pyzalla, Präsidentin der Technischen Universität Braunschweig, betont: „Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten, die uns „marTech“ in der Kooperation mit der Leibniz Universität eröffnet. Gemeinsam können wir die Prozesse im Küstenraum dadurch viel genauer analysieren. Gern bringen wir unsere Kernkompetenz, die Grundlagenforschung im Bereich Küstenschutz und Wasserbau, mit ein.“
Die Projektpartner Leibniz Universität Hannover und Technische Universität Braunschweig erläuterten die Zielsetzungen und Methoden von „marTech“ im Bundeswirtschaftsministerium. Die Besonderheit an den Erweiterungsbauten im Großen Wellenkanal ist die Möglichkeit der kombinierten Untersuchung der gleichzeitigen Belastung durch Seegang und Strömung in diesem großen Maßstab. „Wir können damit einen wesentlichen Beitrag zur Erprobung und Entwicklung von Technologien der erneuerbaren Energien auf und aus dem Meer unter wirklichkeitsnahen Bedingungen leisten“, sagt Prof. Dr.-Ing. Torsten Schlurmann, Projektverantwortlicher der Leibniz Universität Hannover. Eine neue, leistungsfähigere Wellenmaschine, eine Einrichtung zur Strömungsgenerierung und ein Tiefteil machen das innovative Forschungsprojekt erst möglich. Die Erweiterungen garantieren eine Übertragung der natürlichen Verhältnisse im Küstenvorfeld und der nachzubildenden Offshore-Bedingungen in den neuen Großversuchsstand in Hannover. „Zurzeit erstellen wir bereits ein 30 Meter langes Plexiglasmodell für die Durchführung von Vorversuchen“, erklärt Dr.-Ing. Markus Brühl, Projektleiter der TU Braunschweig. „Nach der Erweiterung des zehnmal so langen Großen Wellenkanals werden wir unter viel realistischeren Bedingungen arbeiten können. Wir können dann Prozesse verlässlich abbilden und damit der Entwicklung neuer Technologien den Weg ebnen.“
Innerhalb des bis Mitte 2021 laufenden Vorhabens „marTech“ werden in drei Pilotprojekten unterschiedliche Teilaspekte der Erprobung und Entwicklung mariner Technologien untersucht. In den kommenden Jahren werden dann noch einen Vielzahl weiterer Forschungsvorhaben den erweiterten Großen Wellenkanal nutzen können.
„Die Nutzung der Windenergie auf See verlangt wegweisende und nachhaltige Konzepte zur Berücksichtigung konkurrierender Nutzungen in der Nord- und Ostsee“, erläutert Professor Schlurmann. Die beständig größer geplanten Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen werden durch dynamische Seegangsbelastungen und Strömungen stark beansprucht und ermüden unter diesen Dauereinwirkungen zum Teil erheblich. Forschung zur erwartenden Lebensdauer und zum erforderlichen Unterhaltungsaufwand ist daher essentiell und wird durch „marTech“ in neuer Form möglich. Hydrodynamische Belastungen in der Interaktion von Bauwerk, Wellen und Strömung können in großmaßstäblichen Modellversuchen unter realitätsnahen Bedingungen simuliert werden. Auch wissenschaftliche Grundlagen für die Untersuchung der Wirksamkeit und Verankerung schwimmender Strukturen, beispielsweise von Wellenenergiekraftwerken, werden innerhalb von „marTech“ gelegt.