Krieg und Architektur: Wer ist Boleslav Rybczyk? NS-Zwangsarbeit an der Technischen Universität Braunschweig
Auf dem Gelände des heutigen Instituts für Architekturbezogene Kunst der Technischen Universität Braunschweig wurde in der Zeit des Nationalsozialismus „kriegswichtige Forschung“ betrieben. Im Querumer Forst testeten Wissenschaftler das Sprengverhalten von Betonkörpern und ebneten damit den Weg für den Bunkerbau im damaligen „Deutschen Reich“. Unter der Leitung von Professor Theodor Kristen wurden auch Zwangsarbeiter*innen beschäftigt. Mit der Geschichte des Zwangsarbeiters Boleslav Rybczyk haben sich Studierende im vergangenen Semester auseinandergesetzt. Am 10. April präsentieren sie den aktuellen Wissensstand.
Der imposante Betonbau im Querumer Forst in Braunschweig, in dem heute das von Professorin Folke Köbberling geleitete Institut für Architekturbezogene Kunst der TU Braunschweig untergebracht ist, wurde ursprünglich Ende der 1930er-Jahre für das Institut für baulichen Luftschutz der damaligen Technischen Hochschule Braunschweig (heute TU) unter Professor Theodor Kristen errichtet. In geschützter Lage sollte schusssicherer Beton entwickelt und erprobt werden. Kristens Expertise über Baustoffe, insbesondere Stahlbeton, war von zentraler Bedeutung für den zivilen Bunkerbau in Braunschweig, im „Deutschen Reich“ und den damaligen besetzten Gebieten. Die dafür zugrundeliegenden Versuche fanden im Querumer Forst statt, bei denen auch Zwangsarbeiter*innen eingesetzt wurden.
Teile des im angrenzenden Wald gelegenen Versuchsgeländes haben Studierende und Mitarbeitende des Instituts in den vergangenen Jahren freigelegt. Aber auch Funde, Mauerfragmente und Bunkermodelle waren immer wieder Teil künstlerischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Durch diese multidisziplinäre Herangehensweise wurde die Geschichte des ehemaligen Instituts für baulichen Luftschutz Stück für Stück sichtbar.
Erinnerungsarbeit als Bestandteil der Institutssanierung
Nun stellten sich zwölf Studierende die Frage, wie eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit den Ausgrabungen und den damit verbundenen Biografien der daran beteiligten Menschen aussehen kann. Im Zuge der umfangreichen baulichen Sanierung des Institutsgebäudes sollen auch historischer Kontext und Erinnerungsarbeit Bestandteil der Sanierung werden. „Es freut mich zu sehen, dass sich Architekturstudierende mit der Geschichte des Instituts intensiv auseinandersetzen und so den Zugang zu etwas finden, das tief vergraben war“, sagt Professorin Folke Köbberling.
Im Rahmen des Seminars „Krieg und Architektur – Wer ist Boleslav Rybczyk?“ unter der Leitung von Stella Flatten beschäftigten sich die Studierenden mit dem Thema Zwangsarbeit am ehemaligen Institut für baulichen Luftschutz. Dabei lag der Fokus auf der Geschichte des Zwangsarbeiters Boleslav Rybczyk aus der Provinz Posen in Polen. Er wurde als 20-Jähriger während der Zeit des Nationalsozialismus nach Braunschweig verschleppt und als Arbeiter bei Spreng- und Beschussversuchen von Bunkermodellen eingesetzt. Im März 1943 begann er, an der Technischen Hochschule Braunschweig zu arbeiten. „Die gemeinsame Recherche zusammen mit den Studierenden ist ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung des Themas der NS-Zwangsarbeit“, so Stella Flatten. „Wir legen gemeinsam die Schichten frei, so dass die Erinnerung entstehen und lebendig bleiben kann.“
Rekonstruktion des Lebensweges von Boleslav Rybczyk
Aufbauend auf den bisherigen Arbeiten zur Aufarbeitung der Institutsgeschichte geben die Studierenden am 10. April beim Offenen Jour Fixe im Institut für Architekturbezogene Kunst Einblicke in neue Erkenntnisse zum Gebäude und dem angrenzenden Waldstück, in ihre Recherchen und die Rekonstruktion des Lebensweges von Boleslav Rybczyk.
Darüber hinaus wurde in den bis jetzt zusammengetragenen Unterlagen Material über einen weiteren Zwangsarbeiter gefunden. Seine Geschichte möchte das Team ebenso an diesem Abend mit den Besucher*innen teilen. Eine mögliche Zusammenarbeit mit Braunschweiger Gedenkstätten und die Gestaltung einer ortsspezifischen Vermittlung in Form eines Gedenkzeichens werden ebenfalls Thema des Abends sein.
Mit Präsentationen von:
Stella Flatten, Alo Khalaf, Justus Friesecke, Adrien Haase, Ole Jahns, Erhan Kilcioglu, Alla Klamm, Max Kolditz, Yar Lali, Ann-Marie Panev, Simon Schaaf, Nina Schnitzer, Isabell Stodtmeister, Eda Yesilyurt
Offener Jour Fixe
10. April 2025, 18:30 Uhr
TU Braunschweig, Institut für Architekturbezogene Kunst, Bevenroder Straße 80, 38108 Braunschweig