15. Februar 2022 | Presseinformationen:

Konzept für Pflanzenbausysteme der Zukunft aus Braunschweig ausgezeichnet Agrifuture-Concept-Preis der DLG für “Spot Farming-Ansatz”

Gemeinsame Presseinformation der Technischen Universität Braunschweig, des Julius Kühn-Instituts (JKI) und des Thünen-Instituts (TI)

Der Spot Farming-Ansatz stellt die Einzelpflanze in den Mittelpunkt, die möglichst optimal versorgt und gesund erhalten wird. Die kleinteiligen Ackerschläge werden dabei von autonomen Feldrobotern bearbeitet, so die Vision. Im Rahmen der diesjährigen digitalen Agritechnica-Messe hat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) erstmalig Zukunftskonzepte für die Landwirtschaft ausgezeichnet. Unter den „DLG Agrifuture Concepts“ finden sich konkrete landtechnische Pionierarbeiten aber auch Zukunftsvisionen. Das so genannte Spot Farming ist solch eine Zukunftsvision und wurde als Zukunftskonzept vom Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge der Technischen Universität Braunschweig zusammen mit der Anwendungstechnik des Julius Kühn-Instituts (JKI) und den Betriebswirtschaftlern des Thünen-Instituts eingereicht. Die Jury nominierte aus ungefähr 20 eingereichten Vorschlägen zehn Beiträge für eine Shortlist. Der Beitrag der drei Braunschweiger Forschungseinrichtungen schaffte es unter die fünf Sieger-Konzepte aus dieser Shortlist. Dr. Jan Schattenberg von der TU Braunschweig und Prof. Dr. Jens Karl Wegener vom JKI nahmen am 15.02.2022 per Videokonferenz den Preis entgegen und stellten ihre Vision einer nachhaltigen ganzheitlichen Landbewirtschaftung vor.

Pflanzenbau, wie er aktuell betrieben wird, ist geprägt von Zielkonflikten: Maschineneinsatz versus Bodenschutz, Pflanzenschutz- und Düngung versus Artenvielfalt, Wirtschaftlichkeit versus gesunde Fruchtfolgen, um nur einige Beispiele zu nennen.

„Mit den künftigen Technologien lassen sich ganz neue Konzepte für die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen realisieren, die auch einen großen Einfluss auch die Nachhaltigkeit haben“, sagt Dr. Jan Schattenberg, der an der TU Braunschweig am Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge forscht.

„Das Spot-Farming-Konzept denkt Pflanzenbausysteme neu, von der Einzelpflanze her, die möglichst optimal versorgt und gesund erhalten werden soll. Es arbeitet mit kleinteiligeren Ackerflächen, den Spots, deren Eigenschaften vorab genau erfasst und kartiert werden,“ erklärt Prof. Dr. Jens Karl Wegener vom Julius Kühn-Institut den Ansatz.

Damit jede einzelne Pflanze auf einer Fläche möglichst gut mit Wasser, Licht und Nährstoffen versorgt wird und Mess- und Pflegeroboter besser selbsttätig den Bestand befahren können, würden die Pflanzen nicht wie bisher dicht gedrängt in Reihen ausgesät, sondern in akkuraten Dreiecksverbänden. Gleichstandsaat nennen die Experten das. Außerdem wollen sie dem Umstand Rechnung tragen, dass die Bodeneigenschaften auf einer großen Feldfläche immer variieren. Weniger ertragreiche, zu trockene oder zu feuchte Teilflächen könnten aus der Bewirtschaftung herausgenommen und stattdessen für ökologische Maßnahmen genutzt werden. So entstünden organische Feldspots, auf denen nicht, wie heute, nur eine Pflanzenart, sondern verschiedene angebaut würden und sogar verschiedene Fruchtfolgen parallel gefahren werden könnten.

„Mit dem technischen Fortschritt im Bereich Automatisierung und Digitalisierung kann der wirtschaftliche ,Zwang‘ durchbrochen werden, immer größere Maschinen einsetzen zu müssen. Das eröffnet völlig neue Perspektiven für den Pflanzenbau. Für die wirtschaftliche Tragfähigkeit unseres Konzepts werden eingesparte Lohnkosten weniger bedeutsam sein als mögliche positive pflanzenbauliche Effekte. Diese wollen wir in Zukunft weiter untersuchen“, sagt der Betriebswirtschaftler Dr. Thomas de Witte vom Thünen-Institut.

„Mit der Idee der automatisierten Einzelpflanzenbehandlung entwickeln wir das Precision Farming weiter und nutzen dabei alle möglichen Werkzeuge der digitalisierten Landwirtschaft, von der Früherkennung von Krankheiten oder Bodenfeuchtemessung via Fernerkundung, über standortangepasste Düngung und mechanische Unkrautbekämpfung bis hin zum idealen Erntezeitpunkt“, führt Dr. Schattenberg von der TU Braunschweig aus. Auf den Spots würden diversere Fruchtfolgen angelegt, die genau auf die Bodenverhältnisse zugeschnitten sind. Weniger ertragreiche Teilflächen werten das Ökosystem auf, etwa durch Anlage von Blühstreifen, Hecken oder Nisthügeln für Wildbienen. „So nutzen wir die natürlichen Ressourcen effizienter, sparen Dünger und Pflanzenschutzmittel, steigern gleichzeitig die Agrobiodiversität, erhöhen die Ökosystemdienstleistungen und kommen zu Anbausystemen, die weniger störanfällig also resilienter sind“, fasst JKI-Forscher Prof. Wegener die Vorteile des Spot Farmings zusammen.

Bis diese Vision Wirklichkeit wird, werden sicher noch zwei bis drei Jahrzehnte ins Land gehen. Auf dem Weg dahin stehen jedoch der Erkenntnisgewinn und wichtige Impulse für eine digitalisierte und nachhaltigere Landbewirtschaftung. Das hat die Jury in Form des DLG-Future-Concept-Preises honoriert.