Empfehlungen für zukünftige Planetenforschung Gastkommentar von Karl-Heinz Glaßmeier in „Nature Communications“
Das Wissen über das Sonnensystem hilft dabei, den Planeten Erde besser zu verstehen. Professor Karl-Heinz Glaßmeier von der Technischen Universität Braunschweig spricht sich deshalb für einen integrierten und vergleichenden Ansatz in der Planetologie aus: Weltraummissionen, die Oberflächenerkundung von Planeten und anderen Himmelskörpern, die Rückführung von Proben zur Erde und die Datenauswertung müssten enger miteinander verknüpft werden. In einem eingeladenen Kommentar, erschienen im Fachmagazin „Nature Communications“, schlägt Professor Glaßmeier sechs Schwerpunkte für die kommenden zehn Jahre in der Planetenforschung vor.
Die Erkundung von Planeten, Kometen, Asteroiden und anderen Himmelskörpern seit über 60 Jahren ist eine Erfolgsgeschichte. Ein Schlüssel dazu ist die vergleichende Planetenforschung. Sie ermöglicht uns ein umfassenderes Verständnis der geologischen Prozesse auf der Erde. Um einen noch tieferen Einblick in diese Prozesse zu erhalten, führt Professor Karl-Heinz Glaßmeier vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik an der TU Braunschweig Vorschläge für die Weiterentwicklung der Forschung auf:
- Die Planeten Uranus und Neptun wurden bisher nur auf einem Vorbeiflug von „Voyager 2“ in Augenschein genommen. Sie gelten als unbekannte Objekte mit komplexen, nicht verstandenen geologischen Prozessen. Orbiter sollten auf die Reise gehen und die beiden Eisriesen genauer untersuchen.
- Die direkte Erkundung der Oberflächen von planetaren Objekten hält Professor Glaßmeier für alternativlos. Gute Erfahrungen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits auf Missionen zum Mond und zum Mars sowie mit Kometen und Asteroiden wie Tschurjumow-Gerassimenko und Ryugu gesammelt. Mit Robotertechnik könnten Oberflächen untersucht und Proben vor Ort entnommen werden. Der Mond eigne sich als optimales Testfeld und sei darüber hinaus ein guter Ausgangspunkt für Untersuchungen von weiter entfernten planetaren Objekten.
- Um die für den Menschen unerreichbaren Oberflächen erfahrbar zu machen, sollten autonome, sich selbst steuernde Roverfahrzeuge im Weltraum zum Einsatz kommen. Diese sammeln z.B. Bildaufnahmen, akustische und taktile Informationen oder führen chemische Analysen von planetaren Objekten durch und senden diese zur Erde. Werden diese Daten kombiniert, könnten sie in virtuellen Labors und Methoden der virtual reality erfahrbar und für die weitere Forschung abgerufen werden, empfiehlt Professor Glaßmeier.
- Viele Analysen sind mit Robotertechnik im Weltraum allein nicht zu leisten. Wird Probenmaterial gesammelt und in sogenannten „Sample return missions“ zurück zur Erde transportiert, können hier umfassende Untersuchungen fortgesetzt werden. Das heißt aber auch, so Professor Glaßmeier, dass dafür eine internationale Labor-Infrastruktur aufgebaut und die Probenanalyse kooperativ-international durchgeführt werde.
- Neben technologischen und wissenschaftlichen Herausforderungen sieht Professor Glaßmeier die international koordinierte Finanzierung als weiteren, strukturellen Zukunftsbaustein der Planetenforschung. Während Raumfahrtmissionen planmäßig operationell beendet würden, bleibe die koordinierte wissenschaftliche Auswertung – wie bei „Rosetta“ – unvollständig. Um diese jedoch zu gewährleisten, spricht sich Professor Glaßmeier für eine Festschreibung der Weltraumagenturen von mindestens zwei Prozent des Gesamtfinanzierungsvolumens einer Mission aus – für die wissenschaftliche Auswertung nach Abschluss der Weltraumoperation.
- Weltraumprojekte sind auf viele Jahre, auch Jahrzehnte ausgerichtet. Allein die Planung und Durchführung zum Beispiel von „Rosetta“ beanspruchte mehr als 25 Jahre. Während Weltraumagenturen über eine sichere Finanzierung, Personal und Ausstattung verfügen, könnten Universitäten nicht immer eine langfristige Unterstützung von Weltraumprojekten garantieren; Wissen und technische Kompetenz gingen so verloren. Um den Erfolg der wissenschaftlichen Projekte zu sichern, spiele der Wissenstransfer eine entscheidende Rolle, so Professor Glaßmeier in „Nature Communications“, und bedürfe eines die beteiligten Institutionen übergreifenden Plans zu Gesamterfüllung zukünftiger Missionen.