Eisige Kometenfelsen so weich wie Asche Nachweis: Philae-Lander legte „Urmaterie“ auf Kometen Tschuri frei
Die Weltraumsonde ROSETTA sowie ihre Landeeinheit Philae starteten 2004 ihre Mission: einen Kometen in seiner Umlaufbahn treffen, ihn verfolgen und ein Landemodul auf seiner Oberfläche platzieren. Im November 2014 setzte Philae mehrmals auf und legte dabei Eis frei, bevor die Sonde auf der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko landete. Wie jetzt die Auswertung der Messdaten zeigt, handelt es sich bei dem Eis um Kometenmaterial, wie es vor viereinhalb Milliarden Jahren entstanden ist und seitdem im Innern des Kometen konserviert wird. Die aus Braunschweiger Messinstrumenten hergeleitete Landedynamik von Philae lässt außerdem einen weiteren Schluss zu: Das Material auf „Tschuri“ muss ascheähnlich sein. Die Ergebnisse der Datenanalyse werden im Magazin „Nature“ veröffentlicht.
Der Kometen-Lander Philae hatte bei seinem Landeversuch auf dem Kometen „Tschuri“ mehrere Zwischenstopps eingelegt. Kurz vor der finalen Landung berührte Philae noch zwei „Felsen“, verlor dabei an Bewegungsenergie, änderte die Bewegungsrichtung und fiel anschließend in einen Abgrund, seinen letzten Aufenthaltsort. Bei seinem Zwischenstopp legte Philae frisches Eis frei und hinterließ einen tiefen Abdruck auf einem der „Felsen“.
Eis verflüchtigt sich normalerweise in kurzer Zeit ins Vakuum des Weltraums, wenn die Sonne darauf scheint. „Der Nachweis von freigelegtem Eis heißt, dass man in Bereiche des Kometen vorgestoßen ist, die niemals auch nur halbwegs warm geworden sind. Dass es sich hierbei um echte ‚Urmaterie‘ handelt, wird endgültig damit bewiesen, dass die Materie so extrem weich ist. Das heißt, sie wurde niemals mechanisch belastet. Eis mit einer so geringen Festigkeit war vorher nicht nachgewiesen worden“, sagt Professor Jürgen Blum vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGeP) an der TU Braunschweig.
Felsen extrem weich
Die Dimension des Abdrucks mit einer Tiefe von 25 Zentimetern, den Philae bei seiner Kollision auf der Kometenoberfläche hinterließ, verrät zusammen mit dem Energieverlust, dass das Material extrem weich sein und aus granularer Materie bestehen muss. „Die sogenannten Felsen sind, obwohl sie aus fester Materie bestehen, weicher als Badeschaum, Asche oder frisch gefallener Schnee“, so Professor Blum. Nur granulares Material, das ausschließlich unter der niedrigen Schwerkraft des Kometen locker zusammenhält, habe solche Eigenschaften.
Die Bestimmung der Festigkeit hilft nicht nur, die Entstehung von Kometen besser zu verstehen, sondern bildet auch eine wichtige Grundlage für weitere Kometen-Missionen: Sowohl für Landemanöver als auch für Bohrer zur Probenentnahme ist die zu erwartende Festigkeit ein entscheidendes Kriterium.
Exakte Rekonstruktion der Philae-Flugbahn und Modellierung der Eindringung von Philae in den „Felsen“
Um die Orientierung und eine Abschätzung der Beschleunigung des Landers zu bestimmen, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten des maßgeblich am IGeP entwickelten Magnetometers (ROMAP) herangezogen. Mit ROMAP konnten die Lage von Philae im Raum und seine Rotationsfrequenz genau bestimmt werden. Möglich war dies aber nur, weil ein zweites, ebenfalls in Braunschweig entwickeltes Magnetometer (RPC-MAG) an Bord des ROSETTA-Orbiters Referenzdaten bereitgestellt hat. Durch diese Analyse und einen Vergleich von Aufnahmen der ROSETTA-Kamera OSIRIS vor und nach der Landung von Philae war es möglich, die Veränderungen durch den Kontakt von Philae mit den „Felsen“ zu finden.
Bei der Identifikation des Eises, das auf den Kameraaufnahmen brillant weiß neben dem sonst pechschwarzen Kometenmaterial strahlt, hat auch das VIRTIS-Spektrometer geholfen. Neben den Magnetometer- und anderen Philae-Daten hat das IGeP-Team maßgeblich an der Interpretation des Abdrucks im „Felsen“ mitgearbeitet, wobei frühere Arbeiten zu den mechanischen Eigenschaften granularer Materie unter geringer Schwerkraft sehr geholfen haben.
Kometen sind für die Weltraumforschung von besonderem Interesse, weil sie, ähnlich einer Zeitkapsel, Material aus der Entstehungszeit der Planeten in unserem Sonnensystem in sich bergen. Die Erforschung von Gas, Staub und organischen Stoffen des Kometen verspricht Forschungsergebnisse, die auf die Entstehung unseres Sonnensystems und damit auch des Lebens auf der Erde schließen lassen.
Die TU Braunschweig war eine von drei deutschen Universitäten, die an der ROSETTA-Mission beteiligt waren. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Braunschweig haben auch einen Instrumentenrechner sowie Teile der Multifunktionskamera der Sonde entwickelt. Zudem sind sie mit ihren Messinstrumenten jeweils an einem von elf Forschungsprojekten auf der Sonde und einem von neun Forschungsprojekten auf der Landeeinheit beteiligt.