Das Quecksilbergeheimnis in der Tiefsee Wissenschaftlerin der TU Braunschweig auf Polarstern-Expedition
Die Kisten sind schon lange gepackt, Genehmigungen eingeholt und auch der Medizin-Check ist abgeschlossen: Nun ist Dr. Marta Pérez Rodríguez von der Technischen Universität Braunschweig an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“. Der Eisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) hat sich am 2. Oktober von Kapstadt aus auf den Weg in den Südatlantik begeben. Dort wird die Umweltwissenschaftlerin als Teil der Island-Impact-Expedition in den Gewässern um Südgeorgien Wasser- und Sedimentproben sammeln. Ziel ist es, zu erfahren, wo sich das Quecksilber in den Tiefen des Meeres ablagert.
Die zweigeteilte Expedition „Island Impact“ untersucht von Oktober bis Dezember biogeochemische Stoffflüsse um Südgeorgien, eine Inselgruppe im Südatlantik östlich der Ostküste Südamerikas. Hier treten einige der höchsten Konzentrationen von Phytoplankton im südlichen Ozean auf. Diese beträchtlichen Algenblüten benötigen für ihre Entwicklung eine Eisenquelle. Hauptaugenmerk der Expedition liegt darauf, die Quellen und Wege des Eintrags von Eisen und anderen Nährstoffen in die Schelfgewässer Südgeorgiens und weiter stromabwärts in den südlichen Antarktischen Zirkumpolarstrom (ACC) zu verstehen.
Quecksilber eingeschlossen in Sedimenten
Hier setzt auch die Forschung der Arbeitsgruppe Umweltgeochemie des Instituts für Geoökologie an, die sich auf das Spurenmetall Quecksilber konzentriert. Quecksilber ist ein hochgiftiger Schadstoff, der die menschliche Gesundheit ernsthaft schädigen kann. Der größte Teil der Quecksilberverschmutzung gelangt durch die Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen sowie durch industrielle Aktivitäten in die Atmosphäre. Doch wohin gelangt es dann?
Bereits seit 2016 forschen Professor Harald Biester und Dr. Marta Pérez Rodríguez zum Quecksilberkreislauf und der Primärproduktion in den Ozeanen. In einer Studie, die 2018 in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde und international Anerkennung fand, stellten sie fest, dass die untersuchten antarktischen Kieselsäuresedimente überraschend große Mengen an Quecksilber enthielten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bis zu 25 Prozent der Quecksilberemissionen der letzten 150 Jahre in solchen Sedimenten eingeschlossen sein könnten. „Von der Forschungsreise mit der ‚Polarstern‘ erhoffen wir uns nun weitere Erkenntnisse zum Quecksilberkreislauf, über den Verbleib von Quecksilber in der Wassersäule in produktiven Meeresgebieten und über die Rolle von Algenblüten für die Speicherung von Quecksilber in Meeressedimenten“, sagt Professor Biester.
Proben aus 6.000 Metern Tiefe
Dafür werden die Wissenschaftler*innen unter anderem Wasserproben in bis zu 5.000 Metern Tiefe und Meeressedimente in mehr als 6.000 Metern Tiefe nehmen. „Die Expedition gibt uns die Möglichkeit, vielfältige Proben zu sammeln, die wir sonst nicht erhalten würden“, sagt Dr. Marta Pérez Rodríguez. So setzen die Forschenden spezielle Wasserpumpen zum Sammeln von Schwebstoffen in der Tiefe ein, die nicht zur Standardausrüstung vieler Meeresuntersuchungen gehören. „Die gewonnenen Daten werden wird dann mit elementaren Meerwassereigenschaften wie Dichte, Salzgehalt, Temperatur, Sauerstoffkonzentration und Chlorophyllkonzentration sowie mit Informationen anderer Forschungsgruppen zusammenführen, beispielsweise die Identifizierung von Zooplanktonarten und anderen Spurenmetallkonzentrationen.“
Auf die Expedition hat sich die Wissenschaftlerin monatelang vorbereitet. Neben Schulungen für die Arbeit an Bord mussten Genehmigungen zu Probennahme eingeholt und vor allem das Arbeitsmaterial mehrfach gesäubert werden. „Die Quecksilberkonzentrationen im offenen Ozean sind sehr niedrig, sodass wir unter sehr sauberen Bedingungen arbeiten müssen“, erläutert Dr. Marta Pérez Rodríguez. „Die Reinigung der Flaschen, die wir zum Sammeln von Methylquecksilber verwenden werden, dauert zum Beispiel etwa zwölf Tage und umfasst mehrere Schritte mit Seifen, konzentrierten Säuren und ultrareinem Wasser.“
Gut gerüstet gegen stürmische See
Außerdem stand für alle Teilnehmenden ein medizinischer Check an. Das Leben und Forschen an Bord könnte für die Umweltwissenschaftlerin hin und wieder ungemütlich werden. Auch wenn die „Polarstern“ in Kapstadt voraussichtlich bei eher frühlingshaftem Wetter startet, wird es während der Expedition nicht dabei bleiben. Je weiter sich das Forschungsschiff Richtung Süden bewegt, desto niedriger werden die Temperaturen. Und in der Nähe von Südgeorgien könnten Stürme mit hohen Wellen die Arbeit beeinträchtigen. Gegen Kälte sind die Expeditionsteilnehmer*innen gut gerüstet: Das AWI stellt extra Kleidung mit wasserdichter Hose und Jacke, Fleecejacke, Wollmütze, Handschuhe und Sicherheitsstiefel zur Verfügung.
Dass die Expedition möglicherweise etwas stürmisch wird, schreckt Dr. Marta Pérez Rodríguez nicht. Sie freut sich, dass es nun endlich losgeht: „An einer Expedition an Bord eines Forschungsschiffes wie der Polarstern und an einem Ort wie dem Südatlantik teilzunehmen, ist ein Meilenstein in meiner Karriere und meinem Leben. Für mich persönlich geht als Umweltwissenschaftlerin damit ein Jugendtraum in Erfüllung.“
Publikation
Sara Zaferani, Marta Pérez-Rodríguez, Harald Biester: Diatom ooze – A large marine mercury sink. Science, Vol. 361, NO. 640424 Aug 2018: 797-800,
DOI: https://doi.org/10.1126/science.aat2735
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