4. Oktober 2022 | Magazin:

Aufbruch zu einer stürmischen Forschungsreise Dr. Marta Pérez Rodríguez über ihre Teilnahme an der „Polarstern“-Expedition nach Südgeorgien

Mit der „Island Impact“-Expedition geht für Dr. Marta Pérez Rodríguez als Umweltwissenschaftlerin ein Traum in Erfüllung. Bis Mitte November 2022 wird die Mitarbeiterin des Instituts für Geoökologie an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“ des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sein. Von dort wird sie Wasser- und Sedimentproben für ihre Forschung zum Quecksilberkreislauf nehmen. Bevor sie aufs Schiff ging, hat sie uns noch ein paar Fragen beantwortet.

Die Fracht brachte Dr. Marta Pérez Rodríguez bereits im August zum AWI in Bremerhaven. Bildnachweis: Marta Pérez Rodríguez/TU Braunschweig

Frau Pérez Rodríguez, vor Ihnen liegt eine spannende Forschungsreise. Wie haben Sie sich auf die Expedition vorbereitet?

Die Vorbereitungen waren tatsächlich sehr umfangreich. So mussten wir beispielsweise eine Genehmigung für unsere Probennahmen in den Gewässern der Falklandinseln beantragen und uns mit den Formularen für die Ausfuhr des Probenmaterials beschäftigen. Außerdem haben wir uns mit Kolleg*innen, die an der Expedition teilnehmen, getroffen sowie mit Kooperationspartner*innen, um Methode und Anzahl der Proben, deren Lagerung usw. festzulegen. Wir folgen hauptsächlich dem so genannten „Geotraces-Kochbuch“, einem internationalen Leitfaden für die Arbeit mit Spurenmetallen im Meer, der von „Geotraces“ zur Verfügung gestellt wird. In einer einwöchigen „Geotraces“-Sommerschule erlernte ich zudem Grundlagen für die Arbeit an Bord, im Labor dort und die Probennahme. An Bord werde ich dann eine weitere Schulung zu Laborverfahren erhalten.

Sehr intensiv war die Vorbereitung des Arbeitsmaterials: Die Quecksilberkonzentrationen im offenen Ozean sind sehr niedrig, sodass wir unter sehr sauberen Bedingungen arbeiten müssen. Dies erfordert lange und intensive Reinigungsprotokolle. Die Reinigung der Flaschen, die wir zum Sammeln von Methylquecksilber verwenden werden, dauert zum Beispiel etwa zwölf Tage und umfasst mehrere Schritte mit Seifen, konzentrierten Säuren und ultrareinem Wasser.

Natürlich gehörte für mich auch ein vollständiger medizinischer Check zu den Vorbereitungen sowie eine Anprobe der Arbeitskleidung an Bord dazu.

Was ist das Ziel Ihrer Forschung?

Unsere Arbeitsgruppe hat sich auf die Geochemie von Quecksilber spezialisiert, hauptsächlich in terrestrischen Ökosystemen, einschließlich Torfgebieten und See-Systemen. Seit 2017 untersuchen wir die Rolle der marinen Primärproduktion, also Biomasseproduktion, bei der Häufung von Quecksilber in Sedimenten. Hierfür untersuchen wir marine Sedimentkerne. Im Jahr 2018 konnten wir die Bedeutung des Algensinkens – auch bekannt als „Algenspülung“ – als Hauptmechanismus für die Quecksilberakkumulation in antarktischen Ozeansedimenten nachweisen (Zaferani et al., 2018).

Wir vermuteten, dass die Algen als Exportkanal für Quecksilber aus der Wassersäule in die Sedimente am Boden fungierten. Daher sind Regionen mit hoher Primärproduktion wie die Gebiete, in denen die Expedition stattfinden wird, sehr wahrscheinlich relevant für den marinen Quecksilberkreislauf. Darüber hinaus kann der Transport von Quecksilber durch die Wassersäule zu seiner Umwandlung in dessen giftige bioverfügbare organische Form, nämlich Methylquecksilber, führen. Das Problem: Methylquecksilber reichert sich in der marinen Nahrungskette an und erreicht darüber schließlich den Menschen.

In unserer Forschungsarbeit wollen wir den Zusammenhang zwischen der „Algenspülung“ des Quecksilbers und der Bildung von Methylquecksilber in der Wassersäule auf der einen Seite und der Anreicherung in der Nahrungskette und der endgültigen Ablagerung in den Sedimenten auf der anderen Seite verstehen.

In Bremerhaven konnte Dr. Marta Pérez Rodríguez bereits einen Blick auf das Forschungsschiff werfen. Jetzt startet sie mit der „Polarstern“ von Kapstadt aus Richtung Südatlantik. Bildnachweis: Marta Pérez Rodríguez/TU Braunschweig

Warum ist diese Expedition für Ihre Forschung wichtig?

Die Expedition gibt uns die Möglichkeit, vielfältige Proben zu sammeln, die wir sonst nicht erhalten würden. Zum Beispiel Wasserproben in bis zu 5.000 Metern Tiefe, Schwebstoffe in sehr geringen Konzentrationen und Meeressedimente in mehr als 6.000 Metern Tiefe – und das alles unter Bedingungen, die für die Messung der Quecksilber- und Methylquecksilberkonzentration geeignet sind. Die Probennahme wird entlang eines Abschnitts erfolgen, in dem die Primärproduktion zunimmt, je mehr wir uns Südgeorgien nähern. Auf diese Weise können wir feststellen, wie sich die Primärproduktion auf den Quecksilberkreislauf im Ozean auswirkt, einschließlich der endgültigen Anreicherung in den Sedimenten.

Gleichzeitig bauen wir neue Kooperationen mit Forschungsgruppen in Deutschland, Frankreich, Dänemark und den USA auf, die uns immer wieder neue Möglichkeiten eröffnen werden.

Was bedeutet die Teilnahme an der Expedition für Sie persönlich?

An einer Expedition an Bord eines Forschungsschiffes wie der „Polarstern“ und an einem Ort wie dem Südatlantik teilzunehmen, ist ein Meilenstein in meiner Karriere und meinem Leben. Für mich persönlich geht als Umweltwissenschaftlerin damit mein Jugendtraum in Erfüllung, an einer großen wissenschaftlichen Expedition teilzunehmen. Gleichzeitig werde ich viele Menschen aus verschiedenen Disziplinen und Ländern treffen, was immer eine bereichernde Erfahrung ist.

Hatten Sie schon einmal die Gelegenheit, an einer solchen Expedition teilzunehmen?

Nein, dies ist das erste Mal, dass ich an einer Expedition dieser Art teilnehme. In der Tat haben nicht viele Einrichtungen die Möglichkeit, eine solche Forschungsreise zu organisieren. Wichtig ist hier natürlich einerseits das Forschungsschiff, aber auch die Forschungsinstrumente sind entscheidend. So sind beispielsweise die Wasserpumpen, die ich zum Sammeln von Schwebstoffen in der Tiefe verwenden werde, extrem teuer und gehören daher nicht zur Standardausrüstung der meisten Meeresuntersuchungen. In diesem Fall stellt das AWI sechs dieser Pumpen für die Expedition zur Verfügung.

Alles gut verstaut für die Verladung aufs Forschungsschiff. Bildnachweis: Marta Pérez Rodríguez/TU Braunschweig

Welche klimatischen Bedingungen erwarten Sie während Ihrer Forschungsreise?

Uns erwartet sehr unterschiedliches Klima. Wenn wir Kapstadt verlassen, ist es früher Frühling, sodass wir wahrscheinlich milde und vielleicht warme Temperaturen haben werden. Je weiter wir nach Süden kommen, desto niedriger werden die Temperaturen. In der Nähe der Südlichen Sandwichinseln erwarten wir aufgrund des Einflusses der Antarktis die niedrigsten Temperaturen.

Allerdings könnten die Stürme die Expedition am meisten beeinträchtigen. In diesem Gebiet herrschen starke Winde und Stürme mit hohen Wellen. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen, dass wir möglicherweise deshalb unsere Pläne zur Probennahme ändern müssen, und wir vielleicht manche Proben gar nicht entnehmen können.

Das klingt nach einer stürmischen Forschungsreise. Wie werden Sie ausgerüstet sein?

Alle Expeditionsteilnehmer*innen werden mit geeigneter, vom AWI bereitgestellter Kleidung ausgestattet. Dazu gehören eine wasserdichte Hose und Jacke, eine Fleecejacke, eine Wollmütze, Handschuhe, mit Stahlkappen gepolsterte Stiefel und eine Sonnenbrille. Wir waren zur Anprobe, um die passende Größe auszuwählen und um sicher zu sein, dass die gesamte Ausrüstung passt.

Vielen Dank für das Interview und eine erfolgreiche Expedition!