Diamagnetische Kavität im Umfeld von Rosetta entdeckt Braunschweiger Astrophysiker: Effekte sind größer als erwartet
Mit Überraschungen umzugehen ist nicht jedermanns Sache. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es aber oft besonders spannend, wenn ihre Beobachtungen von den theoretischen Berechnungen abweichen. Denn unvorhergesehene Messwerte können ebenso wichtige Erkenntnisse zutage fördern wie die Bestätigung von Prognosen. Für Forscherinnen und Forscher am Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik der Technischen Universität Braunschweig (IGEP) ist die „Rosetta“-Mission voll von solchen produktiven Überraschungen. Jetzt erregt ein magnetfeldfreier Raum, eine sogenannte diamagnetische Kavität, rund um den Kometen „Tschuri“ die Aufmerksamkeit der Fachwelt.
Im Rahmen der internationalen „Rosetta“-Mission zu „Tschuri“ (67P/Tschurjumow-Gerassimenko) sind die Braunschweiger Wissenschaftler für die Vermessung der Magnetfelder im Kometen selbst und in seinem Umfeld zuständig. „Erst vor kurzem haben wir nachgewiesen, dass der Kern von ‚Chury‘ nicht magnetisch ist“, erläutert Charlotte Götz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IGEP. Um den Kometen herum gibt es allerdings den Sonnenwind, der ein permanentes Magnetfeld mit sich bringt. Vom Kometen strömt allerdings Gas aus, das diesen Sonnenwind verlangsamt und ihn schließlich direkt vor dem Kometen zum Stillstand bringt. Damit kann das von Sonnenwind mitgeführte Magnetfeld nicht weiter zum Kometen vordringen, und es entsteht eine diamagnetische Kavität. Diamagnetismus meint in diesem Zusammenhang, dass das Magnetfeld aus dieser Region verdrängt wird.
Ein äußerst seltenes Phänomen
„Dass sich beim Zusammentreffen des Gasausstoßes mit dem Sonnenwind eine diamagnetische Kavität von bis zu einigen zehn Kilometern bilden würde, hatten wir erwartet“, erläutert Charlotte Götz. Solche feldfreien Bereiche im Sonnensystem zu finden, sei mithin keine leichte Aufgabe, erklärt die Nachwuchswissenschaftlerin. Erst ein einziges Mal konnte das Phänomen beobachtet werden, und zwar 1986 am erheblich stärker ausgasenden Kometen 1P / Halley. „Da unser Messgerät auf der Rosetta-Sonde aber fast 200 Kilometer vom kleinen ‚Tschuri‘ entfernt ist, hatten wir kaum darauf gehofft, die Kavität nachweisen zu können. Nun hat die Rosetta-Mission uns dies sozusagen auf dem Silbertablett serviert. Und die Kavität ist tatsächlich erheblich größer, als wir angenommen hatten, deshalb muss die Ausgasungsrate höher sein als erwartet.
Bei der Erforschung von Kometen geht es unter anderem um die Frage, welche Kräfte am Zusammenklumpen der ersten Himmelskörper in unserem Sonnensystem beteiligt waren. Für Charlotte Götz haben die Aufzeichnungen noch einen positiven Nebeneffekt. „Wir wissen, dass das Magnetfeld in diesem Bereich nahe Null ist. Dadurch können wir unsere Instrumente in dieser Zeit kalibrieren und erhalten noch präzisere Messergebnisse“, stellt sie fröhlich fest.