1. Juli 2021 | Presseinformationen:

„Braunschweig, quasi übermorgen“ Eine Uni – ein Buch: Ein literarisches Quartett zu Juli Zehs Roman „Leere Herzen“

„Braunschweig, quasi übermorgen“ – darum geht es, glaubt man Thomas Stillbauer in der Frankfurter Rundschau – in Juli Zehs Roman „Leere Herzen“. In einer kurzweiligen Talkrunde diskutieren am 8. Juli vier Professorinnen der TU Braunschweig Juli Zehs Text interdisziplinär und eröffnen neue Blickwinkel auf die Stadt aus Sicht ihrer Universität. Das literarische Quartett ist Teil der erfolgreichen Bewerbung beim Wettbewerb „Eine Uni – ein Buch“.

Drei Mal war Zeh in Braunschweig und ist mit dem Fahrrad durch die Stadt geradelt. Die Idee zu dem Buch sei ihr 2016 in einem Braunschweiger Café gekommen, einen Tag vor ihrer Lesung aus „Unterleuten“. Sie attackiert hier „unsere kapitalistische Start-up- und Optimierungsgesellschaft“: „Da. – So seid ihr!“ steht es anklagend als Motto über ihrer braunschweigischen Dystopie. Sind wir so?

In der Nähe des Hauptbahnhofs gibt es in Zehs Roman – ganz unauffällig – einen Terrordienstleister, getarnt als Heilpraxis. Hier vermitteln die abgebrühte Psychotherapeutin Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak, ein schwuler Informatiker mit irakischen Wurzeln, Suizidwillige an Terroristen, angeleitet durch einen KI-Algorithmus namens „Lassie“. Braunschweig eigne sich als Mittelgroßstadt hervorragend als Schauplatz dieser satirischen nahen Zukunft, denn Braunschweig biete, so Zeh in „Leere Herzen“, „eine Architektur, die einen in Ruhe lässt.“ Auch das Schloss fügt sich in diese Argumentation: „Und wenn etwas schön ist, dann ist ein Kaufhaus drin – Feudalismus im Kapitalismus.“

Eine Online-Diskussion über Braunschweig

Lassen Sie uns also mit Zehs Buch über Braunschweig diskutieren. Eingeladen sind vier sachkundige Diskutantinnen: Architektin und Stadtplanerin Professorin Vanessa Miriam Carlow (Institute for Sustainable Urbanism) kennt sich ausgezeichnet aus mit verschiedensten „Cityscapes“, auch mit der hiesigen, geprägt durch die Braunschweiger Schule. Ist Braunschweig wirklich „mittelgroß, mittelwichtig und bis ins kleinste Detail dem Pragmatismus gehorchend“, wie es in „Leere Herzen“ heißt?

Politikwissenschaftlerin Professorin Anja P. Jakobi (Institut für Internationale Beziehungen) adressiert die von Zeh skizzierte postdemokratische Entpolitisierung und den durchorganisierten Terrorismus. In Zehs naher Zukunft regiert Kanzlerin Regula Freyer, die Angela Merkel abgelöst hat. Sie führt die Besorgte Bürger Bewegung, unschwer erkennbar als real existierende Bauernfänger, die die leeren Herzen zynischer Nichtwählerinnen und Nichtwähler mit Gift füllen.

Professorin Ina Schaefer (Institut für Softwaretechnik und Fahrzeuginformatik) ist Spezialistin für Künstliche Intelligenz, allerdings geht es in ihrem Fall um intelligente Software für Fahrzeugsysteme und nicht um Selbsttötung. Ist es plausibel, dass ein Algorithmus wie „Lassie“ ermitteln kann, ob Suizidabsichten ernsthaft sind? Wissen die Rechner inzwischen mehr über uns als wir selbst?

Professorin Julia Schöll (Institut für Germanistik) schließlich ist unter anderem Expertin für deutsche Gegenwartsliteratur, kennt Zehs Erzählstrategien und kann „Leere Herzen“ als politische Satire und Zeitroman einsortieren und auseinandernehmen. So fragen wir gemeinsam: Trifft dieser dystopische Thriller ins Braunschweiger Herz?

„Braunschweig, quasi übermorgen“
Ein literarisches Quartett aus vier Disziplinen zu Juli Zehs Braunschweig-Roman „Leere Herzen“

Donnerstag, 8. Juli 2021, 19:00 Uhr

Mit:

  • Prof. Dr. Vanessa Carlow, Institute for Sustainable Urbanism
  • Prof. Dr. Anja P. Jakobi, Institut für Internationale Beziehungen
  • Prof. Dr. Ina Schaefer, Institut für Softwaretechnik und Fahrzeuginformatik
  • Prof. Dr. Julia Schöll, Institut für Germanistik

Moderation:

  • Prof. Dr. Eckart Voigts, Institut für Anglistik und Amerikanistik
  • Dr. des. Jeremias Othman, Haus der Wissenschaft“

Auf dem YouTube-Kanal der TU Braunschweig können Interessierte die Veranstaltung verfolgen und mitdiskutieren: https://youtu.be/jR_ATScBK7I