Antrittsvorlesungen von Prof. Dipl.-Ing. Helga Blocksdorf und Prof. Dan Schürch Über das Ausloten des Spannungsfeldes zwischen Entwurf und Konstruktion und Plädoyer für eine Renaissance des Schönen
Prof. Dipl.-Ing. Helga Blocksdorf, Institut für Baukonstruktion, und Prof. Dan Schürch, Institut für Entwerfen und Baugestaltung, halten ihre Antrittsvorlesungen am
Mittwoch, 12. Juli 2023, um 17:00 Uhr,
Grotrian Süd, Zeichensaal ZI 24.1, Zimmerstraße 24c-d, 38106 Braunschweig.
Antrittsvorlesung „Über das Ausloten des Spannungsfeldes zwischen Entwurf und Konstruktion“
von Prof. Dipl.-Ing. Helga Blocksdorf
Die überdringliche Frage der ökologischen Implikationen des Bauens führt zu einer Rekalibrierung des gesamtem Entwurfs- und Konstruktionsprozesses. Dabei zeigt sich, wie die Notwendigkeit einer radikalen Regeneration des Baugeschehens (Gengnagel) das Ausloten des Spannungsfeldes zwischen Idee, Konstruktion und Ressource herausfordert und die Erfindung gänzlich neuer Personæ auf der Bühne architektonischer Qualitäten provoziert.
Es gibt Stellen im Entwurf, an denen sich die Idee mit der Verpflichtung, den Fragen unserer Zeit gemäß – und damit den Stand der Technik hinterfragend – zu bauen, mit planungsrechtlichen, bauphysikalischen, schall- und brandschutztechnischen Vorschriften und vor allem mit strukturell-konstruktiven Fragen überlagert. Die gesamte Komplexität der Anforderungen verdichtet sich zu einem scheinbar unlösbaren Problem.
Von Jan Turnovsky in der „Poetik des Mauervorsprungs“ als die Sollbruchstelle zwischen dem Willensmoment des Konzeptes und dem Widerstandsmoment des empirischen Materials bezeichnet, entwickelt das gezielte Aufsuchen dieser Stellen methodisch eine eigene, generative Kraft. Sie erweitert das Mies´sche Konstruktionsverständnis zu einem verdichteten, entwurfstreibenden Moment, an dem ein Projekt möglicherweise zu scheitern droht und genau von dort ausgehend gelöst wird. Konzeptuell verlässt damit der Umgang zeitgenössischer Werke oftmals das klassische Verständnis der „Durchwesung bis ins Detail“ und zeigt sich als erweiterungsfähiges Rhizom im Sinne der lebendigen Sprache Architektur.
Zur Person
Helga Blocksdorf studierte Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar und diplomierte an der Universität der Künste Berlin. Anschließend arbeitete sie bei Staab Architekten in Berlin. Von 2007 bis 2012 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Ute Frank – Fachgebiet für Entwerfen und Baukonstruktion an der TU Berlin. Dort baute Helga Blocksdorf das Kolloquium „EKLAT – Entwerfen und Konstruieren in Lehre, Anwendung und Theorie“ mit auf, welches als ein Vorläufer des heutigen Programms Entwurfsbasierte Promotion (PEP) gelten kann. Seit 2013 ist sie freischaffende Architektin mit ihrem Büro Helga Blocksdorf/Architektur. Von Oktober 2020 bis März 2021 war sie Junior-Professorin für Konstruktives Entwerfen und Erproben an der Bauhaus-Universität Weimar. Seit April 2021 leitet sie das Institut für Baukonstruktion der TU Braunschweig.
Antrittsvorlesung „Plädoyer für eine Renaissance des Schönen“
von Prof. Dan Schürch
Bis zum 18. Jahrhundert waren das Schöne, das Gute und das Wahre Schlüsselbegriffe aus der Erkenntnis der idealistischen Theorien. Erst mit der Aufklärung und dem modernen Subjekt wurde das Schöne in eine niedrigere Stufe der Erkenntnis verbannt. David Hume schreibt 1757: „Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters und niemand hat das Recht, einem anderen seine Vorstellung von Geschmack aufzudrängen.“
Ist Schönheit nun subjektiv oder gibt es etwas wie eine objektive Schönheit? Kann Schönheit reguliert werden? Muss Schönheit nur funktional und ethisch korrekt sein oder muss sie gar wissenschaftlich hergeleitet werden? Sollen wir das Schöne begründen und dogmatisch lehren?
Schönheit kommt in der aktuellen Architekturdiskussion kaum vor. Schön, nur ein Laienbegriff, den die fachkundige Person ungern in den Mund nimmt. Als Fachleute meiden wir gerne den Begriff und benutzen lieber Wörter wie Ästhetik, Gestaltung und architektonische Haltung.
Vielleicht könnte aber das Konzept der Schönheit eine Renaissance erleben und sich zu einer Art Schlüsselkonzept für die Gestaltung der Zukunft entwickeln.
Zur Person
Dan Schürch machte eine Lehre als Hochbauzeichner, danach studiert er Architektur an der ZHAW Winterthur. Es folgte ein Praktikum bei DRFTWD in Amsterdam. Anschließend arbeitet er bei Meili, Peter Architekten Zürich. Daneben war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Markus Peter und Prof. Peter Märkli im Bereich Konstruktion und Entwurf an der ETH Zürich. Zusammen mit Anne Kaestle gründete er 2007 das Architekturbüro Duplex Architekten in Zürich. 2011 kam das Studio Duplex dazu, mit Büros in Düsseldorf und Hamburg. Seit April 2020 ist Professor Dan Schürch Leiter des Instituts für Entwerfen und Baugestaltung.