23. Februar 2023 | Presseinformationen:

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Stefan Görtz Automatisierung des Flugzeugentwurfs – ersetzt die multidisziplinäre Optimierung den Entwicklungsingenieur?

Prof. Dr. Stefan Görtz, Abteilungsleiter im Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Professor für Multidisziplinäre Optimierung an der Technischen Universität Braunschweig, hält seine Antrittsvorlesung „Automatisierung des Flugzeugentwurfs – ersetzt die multidisziplinäre Optimierung den Entwicklungsingenieur?“ am

Mittwoch, 1. März 2023, 15.00 Uhr,
Aula, Pockelsstr. 11, Haus der Wissenschaft, 38106 Braunschweig.

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Luftfahrt muss neben alternativen Antriebskonzepten und Treibstoffen auch das Flugzeug hinsichtlich seiner Effizienz weiter optimiert werden. Der Entwurf eines neuen Flugzeugs umfasst Tausende von Entscheidungen über Form, Größe, Systeme und Betrieb. Bei diesen Entscheidungen berücksichtigen die Ingenieur*innen mehrere Disziplinen wie Aerodynamik, Strukturen, Antrieb und Flugsteuerung. Die Entwicklung neuer Flugzeuge ist deshalb aufgrund der Produktkomplexität mit hohen zeitlichen und finanziellen Risiken verbunden. Um die Einführung innovativer Technologien für wirtschaftlicheres, umweltfreundlicheres und sichereres Fliegen zu beschleunigen und technologische Risiken besser beherrschen zu können, ist es notwendig den Entwurfsprozess konsequent zu digitalisieren und automatisieren.

Die multidisziplinäre Optimierung (MDO) ist ein leistungsfähiges Werkzeug, das verschiedene Einzeldisziplinen kombiniert, um den Gesamtentwurf eines Flugzeugs unter Einhaltung bestimmter Randbedingungen zu verbessern und das Potenzial hat, einige Aspekte des Flugzeugentwurfs zu automatisieren und zu beschleunigen. Darüber hinaus ermöglichen technologische Fortschritte, wie zum Beispiel Hochleistungsrechner und hochgenaue Simulationswerkzeuge, einen verstärkten Einsatz multidisziplinärer Ansätze im Flugzeugentwurf. Die MDO ermöglicht so die systematische und belastbare Bewertung der Auswirkungen neuer Technologien und die Durchführung von Vergleichsstudien. Außerdem werden durch die Berücksichtigung von mehr Anforderungen und der Wechselwirkung zwischen den Disziplinen zu einem früheren Zeitpunkt im Entwurfsprozess kostspielige Neuentwürfe vermieden. Die MDO erfordert aber nach wie vor den Beitrag, die Erfahrung und das Fachwissen von Ingenieur*innen, um die Entwurfsbedingungen und -ziele zu definieren, disziplinäre Modelle zu generieren, diese zu koppeln, die Ergebnisse zu validieren und zu überprüfen. MDO ist deshalb eine hochgradig kollaborative Anstrengung von Flugzeugentwurfsingenieur*innen, disziplinären Expert*innen, MDO-Fachleuten und IT-Spezialist*innen.

Wie die multidisziplinäre Optimierung dazu beitragen kann, bessere Flugzeuge schneller auszulegen und warum Entwicklungsingenieur*innen auch weiterhin benötigt werden, ist Thema dieser Antrittsvorlesung. Sie umfasst eine Einführung in das Thema und einen Überblick über relevante methodische Ansätze, erörtert verschiedene Anwendungen von MDO im Flugzeugentwurf sowie aktuelle industrierelevante Herausforderungen und skizziert den Bedarf an weiterer Forschung und Entwicklung.

Zur Person

Stefan Görtz studierte Maschinenbau und Fahrzeugtechnik in Darmstadt, Lausanne und Stockholm und schloss 2005 seine Promotion in Luft- und Raumfahrttechnik an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm ab. Im Zentrum seiner Doktorarbeit stand die Simulationen der Aerodynamik von Deltaflügeln mithilfe neuartiger CFD-Methoden. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Swedish Defence Research Agency ging er mit einem von dem U.S. National Research Council verliehenen Forschungsstipendium als Postdoktorand an die U.S. Air Force Academy in Colorado Springs. Dort beschäftigte er sich mit der Erforschung von Methoden zur effizienten numerischen Simulation der Flugeigenschaften von Militärflugzeugen. Im Jahr 2006 begann er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DLR in Braunschweig und übernahm 2007 die Leitung einer Forschungsgruppe, die sich mit der Modellierung aerodynamischer Daten auf Basis von CFD Simulationen und Messdaten sowie der numerischen Optimierung von Flugzeugen beschäftigte. Seit Dezember 2019 ist er Professor für Multidisziplinäre Optimierung an der TU Braunschweig. Damit verbunden hat er Anfang 2020 die Leitung der Abteilung C²A²S²E (Center for Computer Applications in AeroSpace Science and Engineering) des DLR-Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik übernommen. Die Abteilung beschäftigt sich mit der Erforschung, Bewertung und Bereitstellung fortschrittlicher numerischen Methoden und Softwarelösungen für Anwendungen in der Aerodynamik von Luftfahrzeugen, vom flugphysikalischen Entwurf bis zur virtuellen Zertifizierung.