Zwischen Palästen, Tempeln und Gangnam Style Future City Goes Global: Mit Dr. Stefanie John, Professor Rüdiger Heinze und Professor Eckart Voigts in Seoul
Wie sieht die lebenswerte Stadt von morgen aus? Um darauf Antworten zu finden, tauschen sich Wissenschaftler*innen des Forschungsschwerpunkts „Stadt der Zukunft“ mit Forscher*innen weltweit aus. In der Reihe „Future City Goes Global“ nehmen sie uns mit in andere Städte, zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten und berichten von geplanten Forschungskooperationen. Dr. Stefanie John, Professor Rüdiger Heinze und Professor Eckart Voigts vom Institut Anglistik und Amerikanistik geben uns Einblicke in ihren Aufenthalt in Seoul und der Chungbuk National University in Südkorea.
Was war der Grund Ihrer Reise?
Wir – Dr. Stefanie John, Professor Rüdiger Heinze und Professor Eckart Voigts – sind gemeinsam nach Seoul und Cheongju, Südkorea, gereist. An der Chungbuk National University waren wir für insgesamt zwei Wochen im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG und der NRF National Research Foundation of Korea NRF zu Gast, um internationale Kooperationen aufzubauen. Die von uns besuchten Universitäten, neben der staatlichen Chungbuk National University auch die privaten Institutionen Hanyang University und Yonsei University, sind alles schicke Campus-Universitäten mit gepflegten Grünanlagen.
Welche Forschungsthemen standen während Ihres Aufenthalts im Mittelpunkt?
Unser Thema: „Transkulturelle Adaption und Appropriation: Ost-West-West-Ost“. Es ging mit einem weiten Adaptionsbegriff um Adaptionsverfahren und Transkulturalität im Kontext kultureller Ost-West Beziehungen. Ein Resultat der Kooperation ist bereits ein gemeinsam verfasstes Research Paper von Professor Voigts und unserer koreanischen Partnerin – Professorin Heebon Park – zu „geklonten“ TV-Formaten in Großbritannien und Südkorea, das im OUP-Journal Adaptation gerade zur Publikation angenommen wurde. Insofern interessierte uns auch Hallyu – die Südkoreanische Welle – die zu einer selbstbewussten Popkultur geführt hat, mit einer global wirkmächtigen Entertainment-Industrie, von der allgegenwärtigen Girlband Blackpink bis zu Filmen wie Parasite (Bong Joon-ho) und K-Dramas wie Squid Game und Kingdom.
„An der koreanischen Welle Hallyu fasziniert sehr, wie dieses traditionell eher abgeschottet geführte Land mit der Demokratisierung und Öffnung in wenigen Jahrzehnten zu einer Ultramodernität gefunden hat.“
Was hat Sie am meisten in der Stadt beeindruckt? Was war Ihr persönliches Highlight?
In Seoul haben uns besonders die Modernität der Infrastruktur (U-Bahnen, Taxis, Ausstattung der Hotels, öffentliches WLAN) und das Stadtbild insgesamt beeindruckt, das faszinierende Kontraste zwischen Alt (Paläste, buddhistische Tempel, Schreine) und Neu (Hochhausarchitektur, Einkaufszentren) bietet. Alt und besonders Jung flanieren in historischen Kleidern (Hanbok) durch die Anlagen, zum Beispiel des Gyeongbokgung Palasts, während die Dongdaemun Design Plaza – gerade abends eine Empfehlung – mit der atemberaubenden Architektur von Stararchitektin Zaha Hadid und lebhaft genutzten öffentlichen Räumen beeindruckt.
An der koreanischen Welle Hallyu fasziniert sehr, wie dieses traditionell eher abgeschottet geführte Land mit der Demokratisierung und Öffnung in wenigen Jahrzehnten zu einer Ultramodernität gefunden hat. In Gangnam gibt es eine riesige Skulptur, die das globale Phänomen eines einzigen Popsongs feiert (Psys unentrinnbarem „Gangnam Style“). Spannend auch zu sehen, wie sehr die Kawaii-Ästhetik – also eine Popkultur des Niedlichen – das Stadtbild prägt.
Ein Lieblingsort war der Cheonggyecheon Stream, ein ehemals von einer Hochstraße überbauter „wiederbelebter“ Fluss, der quer durch die Innenstadt verläuft und mit attraktiven Fußwegen, Bepflanzung und Street-Art zum Verweilen und Spazieren einlädt. Als Achse durch die Innenstadt bietet der Weg am Cheonggyecheon Fußgänger*innen eine gute Alternative zu den verkehrsreichen Straßen. Auch ein Spaziergang durch die historischen Wohnhäuser (Hanok) im Bukchon Village oder ein Blick über den Seoul Tower lohnt in dieser Stadt der Gegensätze.
Was macht diese Stadt aus? Was könnten wir uns für deutsche Städte abschauen?
Die Digitalisierung des öffentlichen Raums ist vorbildhaft – wir waren in wirklichen Smart Cities.
Auffällig waren zudem die Sauberkeit und Sicherheit an öffentlichen Orten in Seoul und der Wohlstand in den innerstädtischen Bezirken. Südkorea ist gut organisiert und Deutschland gilt offenbar auch als ein gut organisierter Standort. Andererseits leiden Seoul und auch andere südkoreanische Städte unter erhöhter Luftverschmutzung und demografischen Problemen wie den in Korea insgesamt niedrigen Geburtsraten. Auch eine gewisse Gleichförmigkeit der rasch hochgezogenen Hochhäuser ist teils unverkennbar.
„Die Digitalisierung des öffentlichen Raums ist vorbildhaft – wir waren in wirklichen Smart Cities.“
Die Einkaufsstruktur ist geprägt von den üblichen globalen Ketten, aber auch einer ganz eigenen Konsumkultur mit Marken wie „Kakao“ oder „Lotte“ – benannt tatsächlich nach Goethes Die Leiden des jungen Werthers. Gleichzeitig gab es allerdings sehr großzügige Grünflächen um die Tempelanlagen und die bereits beschriebene sensationelle Architektur.
Die kulinarische Vielfalt ist für abenteuerlustige Gourmets beeindruckend und reizvoll. Und als Servicekraft im Hotel kommt auch schon mal ein Roboter zum Einsatz.
Was ist in der Stadt das Fortbewegungsmittel Nummer 1?
U-Bahn, Taxi/Uber, Auto. Als Besucher*in kann man viel zu Fuß und mit der U-Bahn erreichen. Infrastrukturen wie die Seoul Metro und der KTX (Korea Train Express) sind nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern beanspruchen selbst den Status von Sehenswürdigkeiten. Die Zugverbindungen sind großartig – also auf mit dem „Train to Busan“ (Vorsicht, die Eingeweihten wissen Bescheid).
Welche Forschungs-Kooperationen sind geplant?
Als nächstes steht ein zweiter Workshop im Rahmen des DFG-Projekts an, diesmal in Braunschweig. Außerdem ist eine weitere Vernetzung mit Wissenschaftler*innen der Chungbuk National University geplant, beispielswiese über ein Memorandum of Understanding, und eventuell auch ein weiterer Austausch von Wissenschaftler*innen und Studierenden.