27. Juli 2023 | Magazin:

Wie sieht die Universität der Zukunft aus? Interview mit Präsidentin Angela Ittel zur Hochschulentwicklung 2030

Mit der Initiative Hochschulentwicklung 2030 begibt sich die TU Braunschweig auf den Weg zu einer Universität der Zukunft. Was dies bedeutet, dazu haben wir mit der Präsidentin unserer Universität Angela Ittel gesprochen. Wir haben außerdem die Gelegenheit genutzt, um gemeinsam mit der Präsidentin eine Zwischenbilanz nach knapp zwei Jahren der Initiative Hochschulentwicklung 2030 zu ziehen: Wo lagen unsere großen Erfolge und wo sehen wir die Herausforderungen für die Entwicklung unserer Universität?

Hochschulentwicklungstage, Juni 2023. Die beiden Hauptberuflichen Vizepräsidenten Dietmar Smyrek (1.v.l.) und Prof. Manfred Krafczyk (2.v.l.), Präsidentin Angela Ittel (1.v.r.). Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

 

Frau Ittel, die TU Braunschweig möchte sich für die Zukunft neu aufstellen. Welchen Kriterien oder Voraussetzungen muss eine Universität der Zukunft entsprechen?

Universitäten sind für unsere Gesellschaft ein zentraler Ort der Weiterentwicklung. Wir sind aktive Gestalter unser aller Zukunft – für Bildung und Wohlstand genauso wie für Werte und Chancengerechtigkeit. Eine Universität der Zukunft ist die Universität, der diese gesellschaftliche Rolle auch in Zukunft gelingen wird. Mit Blick auf die großen und dynamischen Veränderungen in unserer Umgebung wird es für Universitäten immer schwieriger, dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Wir stellen uns dieser Herausforderung, indem wir die Bereiche Forschung, Studium & Lehre, Transfer, Governance & Administration an der TU Braunschweig nach einem ganzheitlichen Ansatz kontinuierlich weiterentwickeln. In unserem ganzheitlichen Entwicklungsmodell kommt es darauf an, in den vier Leistungsbereichen zeitgemäße Standards zu erreichen, in dem die Beteiligten in all unserem Handeln die Querschnittsthemen Digitalisierung, Internationalisierung, Gleichstellung & Diversität, sowie Knowledge Transfer verstärkt berücksichtigen. Auf den Wegen zu diesem Ziel, haben wir die Nachhaltigkeit unseres Handelns verstärkt im Blick.

Das Modell verlangt nicht, dass wir immer alle alles machen, es bietet uns aber eine Art Raster oder Checkliste, an der wir unsere Tätigkeiten messen können. Die Themen wurden uns als Hausaufgabe in vielen Begutachtungen, Reviews und Handlungsanleitungen aufgegeben. Nun gehen wir sie zuversichtlich und messbar an. Das gelingt nicht für beliebig viele Themen gleichzeitig, insbesondere in der Forschung. Deshalb konzentrieren wir uns systematisch auf unsere vier Forschungsschwerpunkte Mobilität, Metrologie, Engineering for Health und die Stadt der Zukunft. Das dies gelingt, verdanken wir auch unseren strategischen Partnern vor Ort und auf globaler Ebene. Mit ihnen bringen wir einmalige Kompetenzen in Braunschweig zusammen und erreichen eine kritische Masse für Themen, mit denen wir das Morgen gestalten können und werden.

Viele Universitäten in Deutschland setzen Prozesse und Projekte zur Hochschulentwicklung um, überarbeiten ihre Strukturen und Arbeitsprozesse. Was ist das Besondere an der Initiative Hochschulentwicklung 2030 an der TU Braunschweig?

An der TU Braunschweig gestalten wir den Prozess Bottom-up mit allen Mitgliedergruppen und haben uns dafür ausreichend Zeit genommen. Im Sommer 2021 haben sich – mit großer Unterstützung und Initiative unseres Projekthauses – die ersten Diskussionsrunden mit Vertreterinnen und Vertretern aller Statusgruppen getroffen und Ideen für unsere zukünftige Entwicklung zusammengetragen. Diese Ideen haben wir anschließend in vielen weiteren Prozessschritten mit den Beteiligten verdichtet und uns bewusst auch dem Diskurs mit externen Critical Friends gestellt. Mir ist dieser Blick von außen immer sehr wichtig, da man so nochmal eine andere Perspektive bekommt und auch der eigene Kosmos sich im Vergleich mit anderen neu sortiert und in Relation setzten lässt.

Hochschulentwicklungstage, Juni 2023: Präsidentin Angela Ittel stellt das Konzept der ganzheitlichen Entwicklung vor. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Die Initiative Hochschulentwicklung 2030 wird bereits seit eineinhalb Jahren an der TU Braunschweig umgesetzt. Was sind die wichtigsten Meilensteine und Erfolge der Initiative bisher?

Da möchte ich drei Zeitpunkte herausheben: Nach vielen kleinen Teilerfolgen, war der erste große Meilenstein im Juni 2022 im Rahmen der ersten Hochschulentwicklungstage sicher erreicht. Damals sind wir die Formulierung unseres Hochschulentwicklungskonzepts 2030 mit dem Modell der ganzheitlichen Entwicklung gemeinsam angegangen. Hier haben wir die klassischen Leistungsbereiche einer Universität, Forschung, Studium & Lehre sowie Transfer bewusst um die Bereiche Administration & Governance ergänzt. Nur wenn wir uns in allen vier Bereichen gleichmäßig weiterentwickeln, haben wir eine realistische Chance, als Universität uns auf Augenhöhe mit anderen Universitäten national und international zu messen – auch unabhängig von der Entscheidung, ob wir im anstehenden Exzellenzwettbewerb einen Antrag stellen werden. Dabei fokussieren wir uns in jeder einzelnen Dimension auf die Querschnittsthemen Digitalisierung, Internationalisierung, Gleichstellung & Diversität und Knowledge Exchange. Die Entwicklung dieser Themen ist eine notwendige Voraussetzung für unsere Zukunftsfähigkeit.

Nicht nur mich persönlich, sondern das gesamte Präsidium hat es zudem gefreut, wie positiv, konstruktiv und engagiert unsere ersten Entwicklungsgespräche im November 2022 mit den Fakultäten verlaufen sind. Inzwischen war dann auch die vom Ministerium finanzierte Stabstelle für Hochschulentwicklung am Start und hat diese Gespräche hervorragend vor- und nachbereitet. Für die TU Braunschweig ist es ein neues Format, dass sich Präsidium und Fakultät einmal im Jahr strukturiert über die strategische Entwicklung der Fakultät und die Einordnung in die Gesamtstrategie der Universität austauschen. Hier haben wir viel positives Feedback bekommen. Uns wurde zurückgemeldet, dass dadurch auch in den Fakultäten noch mal neue, partizipative Prozesse angestoßen wurden. Das Ergebnis dieser Gespräche waren unter anderem die Action Points –, die wir für jede einzelne Fakultät entlang der Dimensionen der ganzheitlichen Entwicklung formuliert haben. Ich freue mich schon auf die nächste Runde der Gespräche im November 2023.

Und nicht zuletzt möchte ich unsere Hochschulentwicklungstage hervorheben, auf denen sich gerade über 100 Vertreterinnen und Vertreter aller Mitgliedergruppen unserer Hochschule getroffen und ausgetauscht haben. Die Fakultäten haben untereinander und mit unseren Critical Friends über ihre internen Ziele diskutiert. Die offenen Diskussionen und das ehrliche Feedback waren sehr bereichernd und ich bin mir sicher, dass uns dieser Austausch auf unserem weiteren Weg sehr helfen wird.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die TU Braunschwieg auf dem Weg zu einer zukunfts- und wettbewerbsfähigen Universität?

Am zweiten Tag der Entwicklungstage hatten wir Workshops zu übergreifenden Themen, bei denen Mitglieder aus allen Statusgruppen und Fakultäten gemeinsam Strategien zu aktuellen Themen entwickelt haben. Ein Fokus lag dabei auf den strategischen Querschnittsthemen Internationalisierung und Gleichstellung & Diversität. Es wurde aber auch weiter an unseren Strategien für Transfer und Nachhaltigkeit gefeilt und innovative Wege für das Studierendenmarketing gesucht.

Diese Art der übergreifenden Zusammenarbeit müssen wir ausbauen, um zu erreichen, dass wir alle mehr für unsere Universität denken und noch stärker eine gemeinsame Identität entwickeln. Das ganzheitliche Entwicklungsmodell gibt uns hierfür einen Rahmen, an dem wir unsere Aktivitäten ausrichten. Nicht alle müssen alles tun, aber gemeinsam können wir ganzheitlich unsere TU Braunschweig nach vorne bringen. Dazu wird auch ein Diskurs gehören, wie wir unser Profil intern und extern weiter schärfen und international für unsere Stärken und Themen sichtbarer werden können.

Hochschulentwicklungstage, Juni 2023. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

Die Hochschulentwicklungstage haben die Universitätsangehörigen als zwei sehr intensive Tage erlebt. Wie haben Sie sie erlebt und was ist Ihr persönliches Fazit nach diesen zwei Tagen?

Ich habe die beiden Tage sehr genossen und als ausgesprochen bereichernd erlebt. Uns allen hat sichtlich gutgetan, direkt mit so vielen unterschiedlichen Personen in den Austausch zu gehen. Es war viel Energie und Lust zu spüren, die Universität weiter zu entwickeln.

Besonders gefreut hat mich, dass übergreifend die Offenheit bestand, die Diskussion mit unseren Critical Friends gemeinsam zu führen. Für manche ist das noch ein neues Format und nicht jedes Feedback ist das, was man gerne hören möchte – aber genauso entwickeln wir uns als Mitglieder unserer Universität weiter. Wir sind hier auf einem sehr guten Pfad, auf den wir stolz sein können.

Was steht als Nächstes an? Wie sehen die nächsten Schritte im Hochschulentwicklungsprozess aus?

Als Nächstes treffen wir uns als Präsidium im November 2023 wieder mit allen Fakultäten – dieses Jahr zu den sogenannten kleinen Entwicklungsgesprächen. Diese wechseln sich von nun an jährlich mit den großen Gesprächen ab. Statt den Fokus auf die strategischen Pläne der Fakultät zu legen, wollen wir uns diesen Herbst auf die Diskussion der vereinbarten Action Items konzentrieren, anhand derer jede Fakultät die großen Entwicklungslinien für sich herunterbricht.

Außerdem haben wir vor, im Frühjahr 2024 die Entwicklungsgespräche auch auf die administrativen Bereiche der Universität auszudehnen. Auch diese Geschäftsbereiche, Einrichtungen und Stabsstellen haben sich im Entwicklungskonzept 2030 Ziele gegeben, zu denen wir uns austauschen werden.

Vielen Dank, Frau Ittel!