Wie ein Escape Room Lehre erlebbar macht Wasserstoff-Expertise gewinnen durch Rätsel-Knacken
Ein verschlossener Raum, eine tickende Uhr, ein gemeinsames Rätsel: Escape Rooms liegen voll im Trend. Doch das Konzept ist weit mehr als ein Freizeitspaß und bietet große Potenziale für die Lehre – davon ist man am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Brennstoffzellen (ivb) der Technischen Universität Braunschweig überzeugt. Hier entwickeln der wissenschaftliche Mitarbeiter Arne Graf von Schweinitz und Junior-Professor Michael Heere (Studiengangskoordinator „Batterie- und Wasserstofftechnologie“) gemeinsam mit Studierenden den „H2ER – Hydrogen Escape Room“. Die innovative Lehrveranstaltung wird Teil des neuen Bachelorstudiengangs „Batterie- und Wasserstofftechnologie“ sein. Im Interview erzählt Arne Graf von Schweinitz, welche Kompetenzen dadurch vermittelt werden sollen und wie er als Maschinenbauabsolvent zum Kulissenbau-Experten wurde.
Warum habt Ihr Euch trotz des hohen Aufwands für den Escape Room als Lehrformat entschieden?
Um wertvolle Kompetenzen bestmöglich zu vermitteln, ist es sinnvoll, auch in der Lehre auf innovative Lehrformate zu setzen. Für den Einsatz von Escape Rooms an Schulen und Universitäten gibt es Studien, die genau das untermauern. Sie zeigen deutlich, dass das immersive Erlebnis, das durch Escape Rooms geschaffen wird, bestimmte Kompetenzen besser fördern kann als herkömmlicher Unterricht. Und zwar nicht nur auf fachlicher und methodischer Ebene. Es werden auch die spontane Zusammenarbeit in einer Gruppe unter Zeitdruck, der Umgang mit unbekannten und unerwarteten Ereignissen, kreative Denkprozesse, Problemlösungskompetenzen etc. geschult. Diese Erfahrungen und Kompetenzvermittlung kann ein „normaler“ Unterricht nicht leisten.
An wen richtet sich das Format und wie soll es im Lehrbetrieb umgesetzt werden?
Der H2ER – Hydrogen Escape Room wird eine Pflichtveranstaltung für alle Studierenden des neuen Bachelor-Studiengangs Batterie- und Wasserstofftechnologie sein und ist für das fünfte Semester geplant. Die Umsetzung soll in zwei Phasen erfolgen. Die erste Phase wird eine Art Laborveranstaltung sein, die an die Vorlesung „Wasserstofftechnologien“ gekoppelt ist. Die Studierenden werden in Gruppen Versuche mit den Geräten durchführen, ein Verständnis für die Bedienung der Maschinen entwickeln und lernen, eine Brennstoffzelle zu charakterisieren. Die zweite Phase ist dann die Escape Room Experience. Hier erbringen die Studierenden eine Transferleistung, indem sie das zuvor erworbene Wissen gezielt in einer völlig neuen Situation anwenden.
Was ist die Storyline hinter dem Escape Room?
Die Studierenden befinden sich in Gruppen von drei bis vier Personen auf einer Raumstation, die als Forschungsstation ein schwarzes Loch umkreist, um die dortige Crew abzulösen. Doch schon beim Betreten der Raumstation wird klar: Hier stimmt etwas nicht. Die Stromversorgung an Bord, die über eine Brennstoffzelle läuft, ist ausgefallen, es gibt nur eine düstere Notbeleuchtung. Und wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man: Die Raumstation driftet langsam auf das Schwarze Loch zu, die Katastrophe wird in den nächsten Stunden eintreten. Um das Unheil abzuwenden, muss die Gruppe innerhalb von drei Stunden das Problem erkennen und mit Hilfe ihres erworbenen Wissens die Stromversorgung wiederherstellen und zwei real existierende Brennstoffzellentypen zum Laufen bringen.
Wie sieht die Vorbereitung der Lehrveranstaltung aus?
Wir haben vor etwas mehr als einem Jahr mit den ersten Konzepten begonnen. Im Januar dieses Jahres waren das erste pädagogische Konzept und die Storyline des Escape Rooms komplett ausgearbeitet. Seit April sind auch die technischen Details ausgearbeitet, die räumlichen Voraussetzungen geklärt und erste Prototypen für die notwendige Software erstellt. Aktuell arbeiten wir daran, den Escape Room in einem ehemaligen Motorenprüfstand im Technikum des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik (NFF) aufzubauen.
Gab es Herausforderungen bei der Planung?
Die größte Herausforderung in der Vorbereitung ist bisher der Kulissenbau und die Inneneinrichtung des Escape Rooms. Da wir in diesem Bereich bisher wenig Erfahrung hatten, mussten wir uns erst einmal zeitaufwendig einlesen, um abschätzen zu können, wie wir die Einrichtung kosteneffizient gestalten und trotzdem eine erlebbare Welt schaffen können.
Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Sicherheitsthematik: Die Arbeit mit Brennstoffzellen birgt immer gewisse Sicherheitsrisiken wie Explosions- oder Brandgefahr. Es ist wichtig, dass die Studierenden auch in einer Situation, in der sie unter Zeitdruck stehen und Fehler machen können, immer sicher sind. Um dies zu gewährleisten, arbeiten wir eng mit der Stabsstelle für Arbeitssicherheit zusammen.
Sind weitere innovative Lehrformate geplant?
Im September ist ein Ergänzungsprojekt zu unserem analogen Escape Room gestartet: Der Digital Escape Room, ein Virtual Reality-Format, bei dem Aspekte unseres Escape Rooms in die virtuelle Realität übertragen werden. So können kleinere Rätsel und Aspekte des Escape Rooms auf eine VR-Brille geladen und portabel mit in andere Lehrveranstaltungen genommen werden. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, praktische Brennnstoffzellen-Erfahrungen in jegliche Lehrformate zu integrieren.
Außerdem gibt es Überlegungen, eine vereinfachte Version unseres „H2ER – Hydrogen Escape Room“ für Tage der offenen Tür oder andere Lehrveranstaltungen zu entwickeln. Aus diesem Grund haben wir unsere Software und das gesamte Konzept so erstellt, dass Modifikationen in der Zukunft möglich sind.
Vielen Dank!
Das Projekt „H2ER – Hydrogen Escape Room“ wurde im Rahmen des Förderprogramms „Innovation plus“ durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert.