13. Juni 2024 | Magazin:

Wenn Quallen über der Oker schweben TU Braunschweig mit zwei Lichtinstallationen beim Braunschweiger Lichtparcours

Wie Geister schweben sie über der Oker, werden vom Wind sanft hin und her bewegt: 20 transparente Quallen, die östlich der Wendentorbrücke zwischen den Bäumen hervorlugen. Die Installation „West auf Nordwest“ ist eins von 13 Kunstwerken, die ab 15. Juni beim Braunschweiger Lichtparcours gezeigt werden. Entstanden sind die Quallen am Institut für Architekturbezogene Kunst der TU Braunschweig, das sich in diesem Jahr gleich mit zwei Projekten an der Lichtkunst-Ausstellung beteiligt. Neben den Quallen sorgt „Betreten verboten“, zu sehen an der Sidonienbrücke, für Aufmerksamkeit.

Eindrucksvoll! Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Schon seit langem beschäftigt sich das Institut für Architekturbezogene Kunst (IAK) intensiv mit den Themen Ressourcenknappheit und Klimaschutz, die das IAK-Team auch durch künstlerische Projekte im öffentlichen Raum sichtbar macht. Für den Lichtparcours 2024 hat das Institut unter der Leitung von Professorin Folke Köbberling, Bernd Schulz und Sina Heffner zwei Projekte entwickelt. Im Vorfeld wurden Studierende gebeten, Ideen zu aktuellen gesellschaftlichen und Umweltthemen zu erarbeiten. Sechs der über 30 Entwürfe zeigte das Institut im vergangenen Sommer während der Lichtparcours-Modellausstellung im Braunschweiger Kunstverein. Daraus wählte eine Jury zwei aus, die sich mit der Privatisierung von Trinkwasser und der Erwärmung und Überfischung der Meere auseinandersetzen und gemeinsam mit den Studierenden umgesetzt wurden.

Quallen vermehren sich durch Erwärmung der Meere

Bereits vor dem Start des Lichtparcours sind die Quallen zu einem beliebten Fotomotiv geworden. Immer wieder machen Fußgänger*innen und Radler*innen auf der Wendentorbrücke Halt, freuen sich über das Kunstwerk und fotografieren mit ihren Smartphones.

Die über der Oker schwebenden Quallen sind ein beliebtes Fotomotiv. Bildnachweis: Bianca Loschinsky/TU Braunschweig

Wie wird aus Ausschussware der Kunststoffindustrie eine Qualle? Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Zunächst musste das Material in die richtige Form gebracht werden. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Installation der Haken, um die Quallen an den Seilen über der Oker aufhängen zu können. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Etwas wackelig war der Aufbau mit Tretbooten auf der Oker. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Die ersten beiden Quallen hängen. Bildnachweis: Bianca Loschinsky/TU Braunschweig

Vom Wind werden die Quallen sanft hin und her bewegt. Bildnachweis: Bianca Loschinsky/TU Braunschweig

Der Quallenschwarm über der Oker ist jedoch nicht nur ein Hingucker, sondern soll auf ein drängendes Problem aufmerksam machen: Die Erwärmung der Weltmeere setzt das Ökosystem unter Stress und bringt die Unterwasserwelt aus dem Gleichgewicht. Einige Meerestiere weichen in kältere Gewässer aus oder sterben sogar. Quallen dagegen vermehren sich durch die steigenden Temperaturen, durch Überfischung und wenige Fressfeinde explosionsartig.

Indikator für den Klimawandel

Die Architekturstudentin Alma Barwitzki hat mit den in der niedersächsischen Landschaft schwebenden Quallen ein eindrucksvolles Bild für diese komplexe Problematik geschaffen. „Bei den ersten Überlegungen zu unserem Stegreif-Thema ‚Nachhaltigkeit und Wasser‘ hatte ich direkt das Bild eines Quallenschwarms vor Augen“, erzählt Alma Barwitzki. „Sie sind ein Indikator für den Klimawandel.“ Die aus Stralsund stammende Studentin hat an der Ostseeküste selbst ihre Erfahrungen mit Quallenschwärmen gemacht.

Der Titel der Intervention „West auf Nordwest“ bezeichnet übrigens die Hauptwindrichtung in Nordeuropa, die jetzt mit dem Kunstwerk Quallen sogar bis nach Braunschweig bringt. Mit diesem Projekt wird auch Braunschweig zur Küstenstadt. Gemeinsam mit den Künstler*innen Sina Heffner und Bernd Schulz vom Team des Instituts für Architekturbezogene Kunst wurde die künstlerische Intervention weiterentwickelt und realisiert. Jetzt hängen die Quallen, gefertigt aus Ausschussware der Kunststoffindustrie, in unterschiedlichen Höhen an Seilen über dem Fluss. Schwarzlichtscheinwerfer lassen die Quallen an der Wendentorbrücke jeden Abend im Dunkeln leuchten.

Video: Jonas Walter/TU Braunschweig

Betreten verboten!

Weiter entlang der Oker über den Inselwall nach Westen gelangt man zur Sidonienbrücke und damit zum nächsten Lichtparcours-Projekt des Instituts für Architekturbezogene Kunst. Auch dieses Projekt greift ein aktuelles Thema auf: die Privatisierung der Ressource Wasser. Die Installation suggeriert einen Besitzerwechsel. Das vorher öffentlich zugängliche Gebiet an der Brücke ist mit Bauzäunen abgeriegelt. Im Inneren befindet sich ein großer schwarzer Wachturm, hinter dessen verspiegelten Scheiben Wachpersonal zu vermuten ist. Ein Bauschild informiert über das Ziel der Bauaktivitäten. Das fiktive Start-up-Unternehmen „OkerQuell“ hat diesen Bereich erworben, um mit dem Okerwasser ein Geschäft zu machen.

In der Nacht erscheint die Baustelle mit ihrem grünen Licht und den roten Warnleuchten wie eine dystopische Vision. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Voller Einsatz der Studierenden an der Sidonienbrücke. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Auftakt für den Bau der Installation "Betreten verboten". Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Die Bauzäune riegeln einen Teil der Oker ab. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Der Wachturm wird nach und nach aus Holz aufgebaut. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Fast fertig! Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Betreten verboten! Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Auf einem extra Plakat sind sind die geplante Firmenzentrale und die Wasserpumpstation innerhalb der Okerumflut visualisiert. Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Abgeriegelt! Bildnachweis: IAK/TU Braunschweig

Das fiktive Start-up-Unternehmen „OkerQuell“ will mit dem Okerwasser ein Geschäft machen. Bildnachweis: Mia Gutschalk/TU Braunschweig

Visualisiert sind die geplante Firmenzentrale und die Wasserpumpstation innerhalb der Okerumflut. Interessierte werden auf eine entsprechende Website verwiesen. In der Nacht erscheint die Baustelle mit ihrem grünen Licht und den roten Warnleuchten den Besucher*innen wie eine dystopische Vision. „Betreten verboten“, so der Titel der Installation, geht auf einen Entwurf des Studenten David Radivojevic zurück und wurde von Studierenden innerhalb eines Seminars von Professorin Folke Köbberling, Sina Heffner und Bernd Schulz auf die ortsspezifische Situation weiterentwickelt. Ob die Braunschweiger*innen die neuen Besitzverhältnisse anerkennen werden?

Im Rahmen der Arbeit „Betreten verboten“ wird am 4. Juli der Film „Bottled Life“ im Open-Air-Kino der TU Braunschweig gezeigt, der sich mit der weltweiten Privatisierung von Wasser auseinandersetzt. Eine Podiumsdiskussion Mitte Juli erweitert den diskursiven Austausch zu diesem brisanten Thema.

Projektbeteiligte

An den Projekten unter der Leitung von Professorin Folke Köbberling, Bernd Schulz und Sina Heffner waren beteiligt:
Alma Barwitzki, Ghazal Bavandsavadkohi, Jonna Berg, Paul Diebold, Joost Dräger, Lara Dumoutier, Hannah Eickenjäger, Carolina Groß, Mia Gutschalk, Anni Hufnagel, Mitja Kamp, Hanfeng Liu, Jonas Maaß, Jonas Manigel, Niklas Matz, Laura Neumann, Merle Näth, Linus Starmann, Nico Schlaak, Mishale Senft, Kira Sperling, Hannah Saraiva Pfeifer, Katharina Plate, Rahel von Freier, Finja Wagener, Jonas Walter.