10. Januar 2020 | Magazin:

Von sportlichen Pausen und sozialen Gehirnen Lerntipps von Professor Martin Korte

Kann man sein Gehirn trainieren? Die gute Nachricht von Professor Martin Korte, Neurobiologe am Zoologischen Institut der Technischen Universität Braunschweig: Ja, auch erwachsene Gehirne sind veränderbar und vor allem trainierbar. In seinem neuen Buch „Hirngeflüster – Wie wir lernen unser Gedächtnis effektiv zu trainieren“ beschreibt Korte, welche Arten des Gehirntrainings wirklich funktionieren und wie das Gedächtnis in Schwung gebracht werden kann. Wir haben die besten Lerntipps von Professor Korte zusammengestellt:

In „Hirngeflüster“ gibt Professor Martin Korte Tipps, wie wir unser Gehirn trainieren können. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

1. Deadline vorverlegen

Das Schwierigste am Lernen ist tatsächlich damit anzufangen. Aber was kann ich gegen Prokrastination, also „Aufschieberitis“, tun? Um zum Beispiel vor einer Prüfung gar nicht erst in Zeitnot durch Aufschieben zu geraten, solltet Ihr einfach mal die Deadline im Kalender und im Kopf vorverlegen und sich damit selbst austricksen. Dieser frühere Termin ist dann quasi die Generalprobe. Das Gute: Es besteht bereits sogar noch Luft zum Nachbessern.

2. In Gruppen lernen

Aber noch etwas anderes hilft gegen Prokrastination: „unsere Veranlagung für soziale Gehirne“. In Gruppen zu lernen, macht nicht nur mehr Spaß, sondern diszipliniert auch. Lerngruppen zwingen uns, beim Lernen aktiv involviert zu sein. Es führt zu Wiederholungen, wobei der Lernstoff auch noch auf verschiedene Art und Weise formuliert wird. Außerdem könnt Ihr so an anderen testen, was Ihr alles noch nicht verstanden habt.

3. Multitasking vermeiden

Gegen digitale Ablenkung hilft, während des Lernens die Benachrichtigungen stummzuschalten und die Geräte aus dem Blickfeld zu entfernen. Das heißt auch: Das E-Mail-Programm solltet Ihr nur öffnen, wenn Ihr tatsächlich die Zeit habt, eingehende Nachrichten sofort zu bearbeiten, sonst belasten weitere Aufgaben das Arbeitsgedächtnis. Kurz mal nachsehen, ohne eigentlich Zeit zu haben und auch reagieren zu können, verschwendet Zeit- und Konzentrationskapazitäten. Verwendet die Geräte besser als Belohnung oder Entspannung nach dem Lernen.

Wo lernt man am besten – in der Universitätsbibliothek oder zu Hause? Bildnachweis: Jonas Vogel/TU Braunschweig

4. Lernumgebung optimieren

Ist es ruhig, wo ich lernen will? Was liegt alles auf dem Tisch? Die Lernumgebungen können wechseln, sollten jedoch möglichst wenig Ablenkung bieten. Vor allem solltet Ihr das Smartphone beim Lernen ausschalten und aus dem Blickfeld entfernen, wenn es gerade nicht gebraucht wird.

5. Lernzeit und Lernziele festlegen

Definiert klare Zwischenziele und ein langfristiges Ziel, damit das Gehirn weiß, worauf es sich fokussieren soll. Legt Zeitspannen fest, bis wann bestimmte Kapitel gelesen und Aufgaben erledigt werden müssen. Versucht immer 50 Prozent von dem zu erreichen, was Ihr Euch beim Lernen vorgenommen habt. Meistens schafft Ihr sogar mehr und habt dadurch gleich ein Erfolgserlebnis. Und dabei klein anfangen: Erst einmal zehn Minuten lesen und das Gelesene zum Beispiel in einer Mindmap zusammenfassen.

6. Kurze Lernintervalle

Verteilt den Lerninhalt auf kleinere Portionen. Auf diesem Wege könnt Ihr die Menge, an die Ihr Euch erinnert verdoppeln – und das auch noch langfristiger. Je weiter die Prüfung entfernt ist, desto größer sollte der Abstand zwischen den Lernintervallen sein. Optimal ist es, den Lernstoff zu wiederholen, kurz bevor er komplett verblasst. Dabei kann man ungefähr fünf bis sieben Wiederholungen einplanen. So habt Ihr das Wissen nicht nur in der Prüfung parat, sondern könnt auch einen großen Teil im Langzeitgedächtnis speichern.

7. Zwischendurch: Sport

Sport steigert die Konzentrationsfähigkeit. Bewegte Pausen oder Lerneinheiten mit Bewegung erhöhen die Lernfähigkeit. Wenn die Konzentrationsfähigkeit nachlässt, sollten Pausen eingelegt werden. Neue Ideen entstehen zum Beispiel beim Spazierengehen oder auch, wenn Ihr den Blick umherschweifen lasst.

Wichtiges sollte beim Lernen mit einem Stift markiert werden. Bildnachweis: Kristina Rottig/TU Braunschweig

8. Texte wirklich bearbeiten

Wichtiges solltet Ihr mit einem Stift markieren und in Form von Grafiken, Mindmaps oder Stichworten notieren. Das schafft Struktur beim Lernen. Außerdem gebt Ihr dem Gehirn die Möglichkeit, den Lernstoff im Nachhinein noch einmal neu zu sortieren und neu abzuspeichern.

9. Gedächtnis schulen

Dazu könnt Ihr die sogenannte Loci-Methodik nutzen. Lehrsätze oder Abfolgen in einem frei gehaltenen Vortrag werden jeweils mit einem definierten Ort in Verbindung gebracht und miteinander assoziiert, also zum Beispiel markante Punkte in der Wohnung (Eingangstür, Couch, Teppich oder Fernseher). Hält man dann das Referat, geht man im Geiste seine Wohnung ab und sammelt die Argumente, die man nennen will, wieder ein. Um diese Technik zu beherrschen, muss man sie allerdings oft trainieren. Aber es lohnt sich: Im Gehirn wird dabei nicht die Menge an Fakten, die wir speichern, geändert, sondern die Wege, wie wir neue Informationen speichern und sicher wieder abrufen. Das verbessert auch die Haltbarkeit des Gelernten. Ähnliche Vorteile hat es, wenn Ihr vor dem Studieren eines Lehrbuchs erst einmal das Inhaltsverzeichnis lest, die Abbildungen anseht und Euch das Buchkonzept klarmacht. Die so geschaffenen groben Wissensstrukturen erleichtern bereits das Lernen und später den Abruf der Informationen.

10. Gedankenloses „08/15“-Lernen vermeiden

Mechanisches Wiederholen hilft nur dem Kurzzeitgedächtnis. Lernen in verschiedenen Kontexten (Orte, Zeiten, Stimmungen) erhöht die assoziative Abrufleistung, wenn wir das Wissen an verschiedenen Orten, in verschiedenen sozialen Zusammenhängen anwenden müssen. Der Wissensabruf wird quasi vom Lernort befreit. Das muss kein Widerspruch zur Loci-Methodik sein: Beim Lernen an einem anderen Ort könnt Ihr dennoch in Gedanken Eure Wohnung abgehen und die dazu gespeicherten Informationen abrufen.