Von der Arktis bis zu den Mooren Deutschlands Torsten Sachs ist neuer für Professor für Land-Atmosphäre-Interaktionen
Für Torsten Sachs geht es wieder „ein Stück weit in die Heimat zurück“. An der TU Braunschweig hat er Geoökologie studiert, hier hatte er bereits eine Juniorprofessur für Atmosphärenphysik inne. Jetzt wurde er gemeinsam von der TU Braunschweig und dem Deutschen GeoForschungsZentrum zum Professor für Land-Atmosphäre-Interaktionen berufen. Über seine Forschung zu den Treibhausgasen CO2 und Methan in arktischen Permafrostgebieten und deutschen Mooren berichtet Professor Torsten Sachs im Interview.
Herr Professor Sachs, warum haben Sie sich für die TU Braunschweig entschieden?
Das hat vor allem drei Gründe: Es passte einfach fachlich, menschlich und „historisch“.
Fachlich, weil ich mit meinen inhaltlichen Schwerpunkten die vorhandenen Themen in der Geoökologie gut ergänzen und erweitern kann und es gleichzeitig zum Teil methodische Überschneidungen gibt, so dass eine sehr gute Anschlussfähigkeit gegeben ist.
Menschlich, weil schon die bisherige Zusammenarbeit während meiner Juniorprofessur und im Graduiertenkolleg TransTiP sehr angenehm und reibungslos verlief. Zudem habe ich hier im Vergleich zu anderen in Frage kommenden Universitäten das größte Interesse und die stärkste Motivation wahrgenommen, diese gemeinsame Berufung zu realisieren.
Und „historisch“, weil sich nach meinem Studium hier und einem ursprünglich für zwei Semester geplanten Abstecher nach Alaska, der dann durch spannende Gelegenheiten zeitlich etwas aus dem Ruder gelaufen ist und mich letztlich zum Promovieren ans Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), an die ETH Zürich und anschließend ans Deutsche GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ) verschlagen hat, nun in gewisser Weise der Kreis doch noch schließt und mich ein Stück weit in die Heimat zurückführt.
Womit genau beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung? Wie würden Sie Ihre Arbeit einer Person erklären, die nicht mit dem Thema vertraut ist?
Ich beschäftige mich mit der Wechselwirkung zwischen Erdoberfläche und Atmosphäre, also vor allem mit dem Austausch von Wärme, Wasser(dampf) – beispielsweise durch Verdunstung – und den Treibhausgasen CO2 und Methan.
Das untersuchen wir seit vielen Jahren zum Beispiel in arktischen Permafrostgebieten, wo die Sorge besteht, dass durch die starke Erwärmung der Arktis bisher gefrorener Kohlenstoff auftaut und zu CO2 oder Methan zersetzt und an die Atmosphäre abgegeben werden könnte, wo diese Treibhausgase dann als positive Rückkopplung die Erwärmung weiter antreiben würden. Leider ist unser weltweit ziemlich einmaliger Langzeit-Untersuchungsstandort in Sibirien durch den russischen Angriffskrieg unzugänglich geworden, so dass wir aktuell auf Westgrönland ausweichen.
Mittlerweile überwiegen aber Untersuchungsgebiete in Deutschland, wo wir uns der Treibhausgasdynamik in wiedervernässten und zur Wiedervernässung vorgesehenen Mooren widmen. Hintergrund ist, dass trockengelegte Moore für etwa sieben Prozent der bundesweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind und durch eine Anhebung der Wasserstände sehr schnell erhebliche Mengen an CO2 vermieden werden können. Das wurde in den letzten Jahren zunehmend erkannt und aktuell werden unter anderem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) langjährige Projekte gefördert, die zeigen sollen, wie eine moorschonende Nutzung dieser Flächen möglich ist und welche neuen Wertschöpfungsketten für eine „nasse Landwirtschaft“ auf Moorböden etabliert werden können.
Da die Treibhausgasvermeidung eines der wichtigsten Ziele bei der Wiedervernässung ist, ist eine robuste Quantifizierung der Emissionen (und der CO2-Aufnahme durch Photosynthese) besonders wichtig. Dabei bleibt aber auch viel Raum, um wissenschaftlich spannende Fragen zur Ökosystementwicklung, zum Einfluss von Extremereignissen, zur Vegetationsdynamik und vielem mehr zu untersuchen. Denn genau wie zuvor die Entwässerung ist auch die Wiedervernässung zunächst eine massive Störung, aus der „neuartige“ Ökosysteme hervorgehen. Und deren Entstehung können wir von Anfang an wissenschaftlich begleiten.
Was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich zu forschen?
Das war im ersten Schritt etwas aus der Not heraus geboren und dann eine Verkettung von Neugier, Interesse und Gelegenheiten. Mein erster Kurs damals an der Uni in Alaska hieß „Research Methods“ und zum Bestehen musste man als Abschlussaufgabe ein Projekt entwerfen – Hypothesen aufstellen, passende Experimente zur Überprüfung entwickeln, die richtigen statistischen Methoden auswählen und so weiter. Das kannte ich aus Braunschweig damals so nicht. Woher die konkrete Idee kam, weiß ich nicht mehr genau – jedenfalls habe ich mir ein Permafrost-Erwärmungsexperiment mit Treibhäusern und Heizschleifen im Boden ausgedacht, um die Freisetzung von Treibhausgasen bei unterschiedlichen Klimawandel-Szenarien zu untersuchen.
Da ich aber weder mit dem amerikanischen System noch mit den Anforderungen an solche Hausaufgaben vertraut war, bin ich mit dem fertigen Papier zum Alaska-Büro des Geologischen Dienstes (USGS) auf unserem Campus gegangen, um den erstbesten Menschen auf dem Flur zu fragen, ob das Geschriebene den Anforderungen an eine Uni-Hausaufgabe genügt. Offenbar tat es das – jedenfalls hat derjenige dann insgeheim beschlossen, ich bräuchte ein Projekt für eine Masterarbeit mit „richtigen“ Wissenschaftler*innen. Ich hatte wahrscheinlich vergessen zu erwähnen, dass ich vor meiner Diplomarbeit in Braunschweig nur schnell zwei – mehr als Urlaub gedachte – Semester Auslandserfahrung sammeln wollte. Plötzlich riefen mich Leute vom National Water Resources Research Program vom USGS Federal Center in Denver an und wollten wissen, wann ich Zeit hätte, nach Denver zu fliegen, um ein Projekt mit ihnen zu besprechen. Da bin ich dann neugierig geworden, wohin sich das wohl noch entwickelt – and here I am.
Sie leiten eine Arbeitsgruppe am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam und sind seit kurzem Professor an der TU Braunschweig – wie lässt sich beides miteinander verbinden?
Über die Aufgaben am GFZ hinaus gehen ja vor allem die Lehre und das Einbringen in zusätzliche Gremien. Letzteres wird durch WebEx erheblich erleichtert und ich bin gerade dabei, einige der in den letzten zehn Jahren am GFZ angesammelten Funktionen abzugeben, so dass sich unter dem Strich nicht allzu viel verändern wird. Die Lehre wird, wie schon während der Juniorprofessur, nach Möglichkeit in etwas größeren Blöcken stattfinden und die Betreuung von Abschlussarbeiten und Promotionen hat in den letzten Jahren in einer bedarfsorientierten Mischung aus Online-Treffen und mehrtägigen wechselseitigen Besuchen gut funktioniert. Letztendlich ist die Entfernung ja auch sehr überschaubar und ich bin nicht der einzige, der aus Potsdam oder Berlin anreist, so dass sogar im ICE oder auf der A2 das eine oder andere Projekt entstehen kann.
Was sind die Vorteile einer gemeinsamen Berufung?
Mit der gemeinsamen Berufung bekommt man das Beste aus zwei Welten: Der außeruniversitäre Partner kann seinem Führungspersonal nur durch gemeinsame Berufungen überhaupt eine Professur bieten, und auch der Zugang zum wissenschaftlichen Nachwuchs erfolgt in erster Linie über die Uni. Diese wiederum kann durch das zusätzliche Lehrangebot und die enge Kooperation ihr Profil stärken und gewinnt außerdem Zugang zu umfangreichen Spezial- und Großinfrastrukturen. Damit können gemeinsame Berufungen ein gutes Bindeglied zwischen den Einrichtungen sein.
Für mich persönlich ist vor allem wichtig, dass ich auf diese Weise den wissenschaftlichen Nachwuchs selbst von der Lehre bis zur Promotion begleiten kann und durch die noch ganz akzeptable Finanzsituation in der Helmholtz-Gemeinschaft Möglichkeiten bieten kann, die sonst vielleicht schwieriger zu realisieren wären.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten aus?
Jeden Tag anders.