10. September 2019 | Magazin:

Von anderen Kulturen lernen Drei Jahre Zertifikat für Interkulturelle Kompetenz

Ein Handschlag, Kuss oder doch eine Verbeugung zur Begrüßung? Im Ausland ist man oft nicht nur mit einer fremden Sprache, sondern auch mit anderen kulturellen Gepflogenheiten konfrontiert. In solchen Situationen kommt sie zum Einsatz: die interkulturelle Kompetenz. Aber zu ihr gehört mehr, als nur das Vermeiden von Fettnäpfchen. Seit drei Jahren können Studierende und Doktoranden das Zertifikat für interkulturelle Kompetenz, kurz ZiK, beim International Office der Technischen Universität Braunschweig erwerben. Wir haben mit Professorin Simone Kauffeld, der damaligen Initiatorin als Vizepräsidentin für Lehre und Diversity, ZiK-Koordinator Thomas Hobohm und Studentin Janina Thiemann über das Zertifikat gesprochen.

Gespräch über das ZiK mit der damaligen Initiatorin, Professorin Simone Kauffeld, Studentin Janina Thiemann und ZiK-Koordinator Thomas Hobohm. Bildnachweis: Marisol Glasserman/TU Braunschweig

Interkulturelle Kompetenz ist nicht nur bei Auslandsbesuchen wichtig, sondern wird aufgrund von Globalisierung und Internationalisierung auch im privaten und beruflichen Alltag vieler Menschen immer bedeutender. Die Fähigkeiten, die dazu gehören, gehen über das bloße Erlernen einer Sprache und kultureller Umgangsformen hinaus. „Zentral für interkulturelle Kompetenz ist vor allem die Offenheit gegenüber anderen Kulturen und das Aufgeben des Egozentrismus“, erklärt Thomas Hobohm, Ansprechpartner für das Zertifikat im International Office. „Dazu gehört die Reflexion über die eigene Kultur und die des Gegenübers: Welche Gemeinsamkeiten gibt es, auf welche Unterschiede muss ich achten? Was kann ich von der anderen Kultur lernen?“ Um diese Kompetenzen geht es beim Erwerb des ZiK. Wie bereichernd der interkulturelle Austausch ist, kann auch Studentin Janina Thiemann bestätigen.

Von Freundschaften und internationalen Kochabenden

Die Masterstudentin hat das Zertifikat für interkulturelle Kompetenz im vergangenen Jahr erworben. Sie hat unter anderem Sprachkurse und verschiedene Seminare besucht, wie zur interkulturellen Kommunikation am Beispiel China, und hat sich bei den Gauss Friends engagiert. „Mich haben die Veranstaltungen und Aktivitäten, die ich im Rahmen des ZiK besucht habe, in meinem Studium und auch persönlich sehr bereichert“, erzählt sie. Als „Buddy“ der Studierendeninitiative Gauss Friends hat sie internationale Studierende bei verschiedenen Behördengängen unterstützt und Tipps zum Leben und Studieren in Braunschweig gegeben.

„Was man dafür bekommt ist wirklich schön. Es entstehen Freundschaften“, sagt sie und fügt hinzu: „Besonders gut haben mir die gemeinsamen Kochabende gefallen. Ich fand es immer sehr spannend, wenn man mal etwas ganz anderes schmeckt, andere Zutaten, fremde Gewürze, und wenn dann noch Geschichten erzählt werden, zum Beispiel wo das Rezept herkommt oder welche Bedeutung es in der Familie hat.“ Einige der internationalen Studierenden hat sie dann später auch in ihren Heimatländern besucht, zum Beispiel in China oder Spanien.

Bündelung interkultureller Angebote

Vom Buddy Programm der Gauss Friends bis zum Sprachtandem oder dem SCOUT Programm – an der TU Braunschweig gibt es eine Vielzahl von Aktivitäten und Gruppen, die sich im Bereich von interkultureller Begegnung und Austausch engagieren. Die Idee hinter dem ZiK war es, diese interkulturellen Aktivitäten in einem Zertifikat zu bündeln, erklärt Professorin Simone Kauffeld. Sie war Initiatorin des Projektes, als es im Wintersemester 2016/2017 gestartet ist. „Diese Bündelung ist positiv für die Studierenden, die so ihre interkulturelle Kompetenz – beispielsweise bei Bewerbungen – mit einem einzigen offiziellen Zertifikat belegen können und nicht eine Unmenge an Einzelnachweisen vorlegen müssen“, sagt Kauffeld.

Der ZiK besteht aus drei Teilen: Die Botschafter-Komponente beinhaltet interkulturelles Engagement, wie zum Beispiel die Mitarbeit in internationalen Studierendeninitiativen. Die akademische Komponente festigt den theoretischen Hintergrund. Dazu gehören Vorlesungen und Seminare zu den Themen Interkulturalität und Internationalität, aber auch Sprachkurse oder Workshops wie das Assessment Center Training für internationale Unternehmen vom Career Service oder die interkulturellen Trainings des Sprachenzentrums. Die dritte Komponente umfasst die internationale Erfahrung, die beispielsweise während eines Auslandpraktikums oder eines Austauschsemesters gesammelt wurde. Ein Vorteil des ZiK sei, dass es kein festes Curriculum gibt, das vorschreibt, wann was zu belegen ist, so Thomas Hobohm: „Es gibt viele Wahlmöglichkeiten innerhalb der Komponenten, sodass man sich die Aktivitäten individuell zusammenstellen kann. Gleichzeitig hat man keinen Zeitdruck: Man kann sich zu jeder Zeit im Studium für das Zertifikat anmelden und die Kurse im eigenen Tempo belegen.“

Internationalisierung Zuhause

Während Botschafter- und akademische Komponente Pflicht sind, ist die Komponente „Internationale Erfahrung“ optional. „Internationalisierung Zuhause wird immer wichtiger. Nicht alle Studierenden können oder wollen ins Ausland gehen, aus finanziellen, zeitlichen oder ökologischen Gründen. Mit dem ZiK können sie trotzdem interkulturelle Kompetenzen erwerben“, erklärt Thomas Hobohm. Professorin Kauffeld ergänzt: „Das Zertifikat passt sehr gut in die Internationalisierungsstrategie der TU Braunschweig und treibt die Internationalisierung an unserer Universität voran, ohne das Studierende zwangsläufig ins Ausland gehen müssen. Und es hilft uns, internationale Studierende noch besser an der TU Braunschweig zu integrieren und mit deutschen Studierenden in Kontakt zu bringen – ein wichtiger Faktor, um im Ausland erfolgreich und bereichernd zu studieren.“

Interkulturelle Kompetenzen im Einsatz

Das Zertifikat für interkulturelle Kompetenz gibt es inzwischen seit drei Jahren. 30 Studierende haben es bisher abgeschlossen, ungefähr 70 sind gerade dabei, es zu erwerben. „Wir haben ein sehr positives Feedback der Studierenden erhalten“, sagt Thomas Hobohm. „Unser Ziel ist es natürlich, das ZiK noch bekannter zu machen.“ Studentin Janina Thiemann konnte ihre erworbenen Kompetenzen gleich in der Praxis erproben: Sie arbeitet als Werksstudentin in einem Bauingenieurbüro mit internationalen Kolleginnen und Kollegen. „Ich merke schon, dass mir die interkulturellen Kompetenzen bei der Kommunikation und Zusammenarbeit helfen. Wer sich gerne interkulturell engagieren und das später mit einem Zertifikat bei Bewerbungen einbringen möchte, sollte sich für das ZiK anmelden.“