30. September 2019 | Magazin:

Völlig losgelöst von der Erde Flying-OCULUS: Ein Erfahrungsbericht über einen Parabelflug zur Weltraumforschung

„Es zieht in unserem Bauch, als wenn wir fallen und nach zwei Sekunden schweben wir.“ Experimentieren und trotzdem genießen: Über ihre ungewöhnliche Forschungsarbeit in echter Schwerelosigkeit berichten Benjamin Grzesik, Mitarbeiter am Institut für Raumfahrtsysteme, und Justus Caspar, Maschinenbau-Student mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik. Ihr Auftrag: Die Entfaltung von Leichtbauspiegeln aus Kohlenstoff-Faserverbund-Werkstoffen mit einer metallisierten Oberfläche unter Weltraumbedingungen für ein leichtes und kostengünstiges Spiegelsystem für zukünftige Weltraummissionen zu testen.

Vor dem Start in die Schwerelosigkeit: Benjamin Grzesik (l.) und Justus Caspar. Bildnachweis: DLR

„Unser Institut für Raumfahrtsyteme hat im Rahmen des Projektes Optical Coatings for Ultra Lightweight Robust Spacecraft Structures (OCULUS) mit der INVENT GmbH und dem Fraunhofer IST einen Prozess für eine hochwertige Metallisierung von Oberflächen von Kohlenstoff-Faserverbund-Werkstoffen entwickelt. Unser Ziel ist es, zu testen, ob mit dieser Metallisierung die Herstellung von weltraumtauglichen, leichten und kostensparenden Spiegelsystemen möglich ist. Darauf basierend hat unser Forschungsteam das Konzept eines Weltraumteleskopes für einen CubeSat-Kleinsatelliten mit vier entfaltbaren Primärspiegelsegmenten von etwa 100 x 100 mm und einem Gesamtdurchmesser von etwa 260 mm sowie einen ausfahrbaren sekundären Spiegel auf einem Mast entworfen.

Der Airbus A310 ZeroG am Morgen des Fluges. Bildnachweis: Justus Caspar/TU Braunschweig

Justus Caspar bereitet das Experiment für den Einbau ins Flugzeug vor. Bildnachweis: Benjamin Grzesik/TU Braunschweig

Fertig zum Abflug! Das Experiment des Instituts für Raumfahrtsysteme ist eingebaut. Bildnachweis: Justus Caspar/TU Braunschweig

Maschinenbau-Student Justus Caspar im Airbus A310 ZeroG. Bildnachweis: Benjamin Grzesik/TU Braunschweig

Benjamin Grzesik vom Institut für Raumfahrtsysteme. Bildnachweis: Justus Caspar/TU Braunschweig

Gleich startet der Parabelflug: In freudiger Erwartung Benjamin Grzesik und Justus Caspar. Bildnachweis: Benjamin Grzesik/TU Braunschweig

Experimentieren in der Schwerelosigkeit mit der ESA-Astronaut Matthias Maurer. Bildnachweis: NoveSpace

Völlig losgelöst von der Erde! Bildnachweis: NoveSpace

Experiment mit Unterschrift: ESA-Astronaut Matthias Maurer signierte den Versuch. Bildnachweis: Benjamin Grzesik/TU Braunschweig

Erfolgreiche Experimentatoren: Justus Caspar, ESA-Astronaut Matthias Maurer und Benjamin Grzesik. Bildnachweis: DLR

Im fliegenden Labor experimentieren

Wir hatten die einmalige Möglichkeit dieses Konzept und die Mechanik der Entfaltung während der 34. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) zu überprüfen. Für das Experiment benötigten wir die Mikrogravitationsumgebung, die sogenannte Schwerelosigkeit, da durch die zur Verfügung stehenden Bauräume und notwendige Kompaktheit des Systems die Federn zur Entfaltung konstruktionsbedingt unter normaler Erdschwere von 1g „zu weich“ sind und das Eigengewicht des Systems nicht halten können. In der ersten Woche der Kampagne Anfang September haben wir das Experiment vorbereitet und für den Einbau das fliegende Labor, den Airbus A310 ZeroG, vorbereitet, um dann in der zweiten Woche an zwei Flugtagen mit je 31 Parabeln und jeweils 22 Sekunden Mikrogravitation zu testen.

Letzte Tests: Benjamin Grzesik mit dem Flying-OCULUS-Experiment. Bildnachweis: Justus Caspar/TU Braunschweig

Nur nicht zu stark abstoßen

Justus Caspar und ich wurden dabei super von dem deutsche ESA-Astronauten Matthias Maurer unterstützt und so konnten wir erfolgreich die Funktionsweise unseres Experiments unter Schwerelosigkeit nachweisen. Und wir konnten die einmalige und wunderbare Erfahrung machen, echte Schwerelosigkeit zu erleben. Es ist schon gewöhnungsbedürftig in 0g zu arbeiten. Wir spürten vor allem den Übergang von der zuerst herrschenden Hypergravitation von 1.8-facher Erdschwere zur Schwerelosigkeit. Es zieht im Bauch, als wenn wir fallen, aber nach ein, zwei Sekunden schweben wir. Wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht zu stark abstoßen, dass wir uns auf unser Experiment konzentrieren und natürlich, dass wir auch mal genießen. Eine Erfahrung und Erinnerung, die für immer in unserem Gedächtnis bleibt. Und nein, uns ist zum Glück nicht schlecht geworden. Danke an das DLR und NoveSpace, die diese Kampagne ermöglicht und professionell betreut haben und Danke Matthias Mauer für deine Unterstützung.“