Unter der Glaskuppel Freigeist-Fellow untersucht tiefwurzelnde Bäume in der Biosphere2
Der Hydrologe Dr. Matthias Beyer studiert am Computer gespannt die neuesten Daten aus der Wüste von Arizona: Es geht um Daten zum Wasserhaushalt von Bäumen, die sonst nur im Regenwald gedeihen. In den USA stehen sie allerdings nicht unter freiem Himmel, sondern in einem gigantisch großen Glashaus, der Biosphere 2. In diesem 26 Meter hohen und 40 mal 40 Meter breiten Gewächshaus wird das Regenwald-Ökosystem im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts unter der Leitung von Professorin Christiane Werner von der Universität Freiburg untersucht. Matthias Beyer, Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe „Wasserisotope“ am Institut für Geoökologie der TU Braunschweig, leitet in der Biosphere 2 das „Wasserteam“. Seine Gruppe erforscht vor allem die Rolle von tief wurzelnden Bäumen im Wasserkreislauf und deren Interaktion mit anderen Pflanzen.
In dem künstlichen Regenwald blieb von Anfang September bis Mitte November 2019 das komplett kontrollierbare Beregnungssystem ausgeschaltet. Nach den drei Monaten wurde das System ‚von unten‘ mit speziell markiertem Wasser wiederbefeuchtet. „Das war die perfekte Möglichkeit, Tiefenwurzeln zu studieren“, sagt Beyer, der an der TU Braunschweig forscht, gefördert mit dem Freigeist-Fellowship der Volkswagenstiftung und dem Early-Career Grant der Agnes-Pockels-Stiftung. Sein Ziel ist es, minimal-destruktiv – also ohne Bodenaushub – Informationen über Wurzeln und deren Wasseraufnahmetiefen zu sammeln.
Mit Drohnen auf Wurzelsuche
Was unwahrscheinlich klingt: Drohnen sollen Informationen über Baumwurzeln liefern. Dazu dokumentieren die Flugobjekte in mehreren Etappen den Zustand der Baumkronen. Mit Infrarot- und Multispektralkameras ausgestattet, können sie zum Beispiel erkennen, ob eine Blattoberfläche gerade aktiv ist und Wasser transpiriert – was eine Abkühlung der Blattoberfläche zur Folge hat. Auch über den Feuchtezustand der Blätter lassen sich so Aussagen treffen.
Pflanzen und Bäume verfügen über verschiedene Anpassungsmechanismen bei Trockenstress. Einige von ihnen schützen sich vor Hitze und Licht durch eine weiß-silbrige, reflektierende Blattoberfläche. Andere Pflanzen bilden Wachsschichten zum Schutz vor Austrocknung oder reduzieren die Transpiration, also die Wasserabgabe über die Blätter. „Nicht jede bei Trockenheit noch grüne Krone ist also ein Hinweis auf einen Tiefwurzler“, sagt Beyer. ‚Schwitze‘ ein Baum aber während langer Trockenperioden weiter, müsse dieser Baum Zugang zu einer Wasserquelle haben. Das wäre ein Hinweis darauf, dass er über tiefe Wurzeln Wasser aus dem Boden aufnimmt. Da die oberen Bodenschichten nach einer langen Trockenphase wenig Wasser führen, zieht der Baum das Wasser über tiefe Wurzeln.
Markiertes Wasser
Aber welche Wasserpools in welcher Tiefe werden angezapft? „Das können wir mit Hilfe von Wasserisotopen herausfinden“, so Beyer weiter. Das im Baum transportierte Wasser ist eine Mischung des Wassers aus allen Bodentiefen und Wasserquellen, zu denen er Zugang hat. Vergleicht man die Isotopensignatur des vom Baum aufgenommen Wassers mit der des Bodenprofils, lassen sich daraus die verschiedenen Aufnahmetiefen ableiten.
Anstelle von hoch-destruktiven Methoden wie der Probenahme von Baumkernen hat die Gruppe um Beyer ein neuartiges Verfahren entwickelt: Dazu bohren die Forscherinnen und Forscher ein Loch durch den Stamm eines Baumes, leiten trockene Luft hindurch und messen die Konzentration der Wasserisotope, die sich während des Durchzugs in der Luft angereichert hat. Mit diesem Verfahren – für den Baum übrigens nicht schädlich – lässt sich auch über lange Zeiträume verfolgen, wie sich die Wasseraufnahmetiefen des Baumes unter verschiedenen klimatischen Bedingungen ändern.
Wichtig für die Anpasssung an den Klimawandel
Wie reagiert ein Baum auf Trockenheit, wie passt er sich an? Wie verändert sich bei zunehmenden Trockenphasen die CO2-Speicherfähigkeit des Baumes? Beyer:
„Wenn wir in der Lage sind, Tiefwurzler zu identifizieren und ihren Einfluss auf den Wasserkreislauf besser zu verstehen und zu quantifizieren, können diese gezielt in von Trockenheit gefährdeten Regionen angepflanzt werden. Sie sind weniger anfällig für Klimaschwankungen und können andere, nicht tief wurzelnde Pflanzen mit Wasser versorgen, indem in der Tiefe aufgenommenes Wasser über flache Wurzeln zurück in den Boden abgegeben wird und somit für andere Pflanzen verfügbar ist (Fachbegriff: hydraulische Umverteilung).“
Ein weiterer Effekt: Kombiniert man Flach- und Tiefwurzler, so spendeten die bei Klimastress länger belaubten Tiefwurzler Schatten für ihre flachwurzelnden Nachbarn. Der Feuchtigkeitshaushalt würde dann weniger gestört und die Grundwasserneubildung unterstützt werden.
Das Biosphere2-Experiment endete pünktlich zu Weihnachten 2019. Beyer zeigt sich zufrieden mit den Ergebnissen der Wassergruppe (Malkin Gerchow, Kathrin Kühnhammer): “Die Daten, die in der Biosphere 2 erhoben wurden, sind einzigartig. Sie werden uns helfen zu verstehen, wie sich Regenwaldsysteme unter Trockenstress versuchen anzupassen. Während bestimmte Spezies das Wasser aus der Tiefe nahezu sofort aufnahmen, regelten andere Baumarten ihren Wasserhaushalt über Wasserspeicher, wie zum Beispiel ihren Stamm. Wieder andere Spezies reagierten sehr langsam auf die Bewässerung ‚von unten‘.“
Das Überleben eines Systems unter drastisch veränderten Bedingungen könnte demnach auf einer ausgewogenen Mischung basieren. Wenn beispielsweise alle Bäume ihren Wasserhaushalt durch tiefe Wurzeln decken würden, wäre der Grundwasserspiegel massiv beeinflusst. Existieren nur Flachwurzler, besteht die Gefahr, dass diese bei einer längeren Trockenheit absterben. „Das lässt erahnen, warum Monokulturen für den Wasserhaushalt nicht nachhaltig sein können“, sagt Beyer.