Unter dem Teppich Institut für Architekturbezogene Kunst wieder mit Motivwagen und Fußgruppe beim Braunschweiger Karneval
Käseverpackungen, Chipstüten, Kartoffelnetze, Plastikflaschen – hoch türmt sich der Berg mit Verpackungsmüll im Institut für Architekturbezogene Kunst (IAK). Unmengen an Abfall haben Studierende im vergangenen Wintersemester gesammelt. Jetzt bilden sie ein Mahnmal, das am 3. März auf einem Motivwagen beim Braunschweiger Karnevalsumzug durch die Stadt gezogen wird.
Bereits zum zweiten Mal beteiligt sich das IAK am Schoduvel. Im vergangenen Jahr ging es um die Wohnungsknappheit in der Löwenstadt. Und auch dieses Jahr haben die Architekturstudierenden im Seminar von Sina Heffner und Bernd Schulz ein aktuelles gesellschaftlich relevantes Thema gewählt. Mit einem großen Besen wird auf dem Motivwagen der Dreck unter den Teppich gekehrt. Doch jetzt ist kein Platz mehr darunter. Der Müll quillt hervor. Das Maß ist voll.
Müll, Müll, Müll
Der ursprüngliche Entwurf stammt von Patrick Schippan. Gemeinsam mit den anderen Seminar-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern wurde die Idee weiterentwickelt. „Hier können die Studierenden ihre Modelle und Ideen in die Realität umsetzen und lernen dabei die Arbeit mit verschiedenen Materialien kennen“, erklärt Sina Heffner, künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAK, den Ansatz des Seminars.
„Mit dem Motivwagen haben wir die Möglichkeit, Menschen auf kreative Art und Weise mit dem Thema zu konfrontieren“, sagt Patrick Schippan. „Für die meisten Leute ist es mit dem Müll doch so: aus den Augen, aus dem Sinn.“ Einige Studierende waren selbst erstaunt, wie viele Verpackungen sie in den vergangenen drei Monaten zusammengetragen haben. „Und dabei ist es nur ein Bruchteil dessen, was wir mitgebracht haben“, so der Masterstudent.
Archaische Kostüme
Diese Künstlichkeit des Materials Plastik setzen die 22 Studentinnen und Studenten beim Schoduvel in Kontrast zu einer Fußgruppe in archaischen Kostümen aus selbstverarbeiteter Rohwolle. Im Seminar „Ressource Wolle“ von Professorin Folke Köbberling, Leiterin des IAK, experimentierten die Studierenden mit dem Material und entwickelten schließlich die aufwändigen Gewänder.
Die Kostüme erinnern an die historische Figur des Schoduvels, der durch die Straßen getrieben wird. „Diese Verbindung aus Motivwagen und Fußtruppe symbolisiert die Absurdität unseres täglichen Handelns“, sagt Sina Heffner. „Während viele Schäfer in Deutschland ihre Wolle nicht mehr verkaufen können, schaffen wir uns kurzlebige Kleidung aus recyceltem Plastik an.“
Unterschätzter Rohstoff
Rund 800 Kilogramm Rohwolle von Schafen aus der Region lagerten im Materiallager des IAK, die Architekturstudierende zum Teil durch Filzen, Spinnen und Kardieren verarbeiteten und ihre skulpturalen Möglichkeiten untersuchten. „Wolle hat viele Qualitäten und ist ein absolut unterschätzter Rohstoff, der in den vergangenen Jahrzehnten einen unglaublichen Werteverfall erfahren hat“, so Folke Köbberling. Inzwischen würden viele Schäfer die Wolle unterpflügen oder wegwerfen. „Dabei ist es ein Naturprodukt, das dämmt, akustisch filtert, duftet, fettet, heilt, wärmt und isoliert.“
Wo Wolle im Baubereich eingesetzt werden kann, hat Victoria Hermesmann analysiert. Sie hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Akustik den Absorptionsgrad von Wolle ermittelt. Die Masterstudentin wollte wissen, welche Art der Verarbeitung notwendig ist, um das Material zur Verbesserung der Raumakustik einzusetzen. „Die besten Ergebnisse erzielten die gestrickte und gehäkelte Probe sowie die locker gesponnenen Fäden. Dagegen hatten vor allem die gefilzten Proben einen sehr niedrigen Schallabsorptionsgrad“, erklärt sie. Inzwischen hängt ein Akustikpaneel in einem Raum des IAK, riesige Rohwoll-Teppiche zieren die hohen Wände.
Wollkugel-Kleid
Auch bei den Kostüm-Entwürfen lernten die Studierenden verschiedene Möglichkeiten der Verarbeitung von Wolle kennen. Mehr als eine Woche hat Nezahat Sarikaya an ihrem Gewand gewerkelt, das wie ein Brautkleid wirkt. Weste und Ringrock hat die Architekturstudentin mit vielen Wollkugeln bestickt. Passend dazu trägt sie einen hohen Hut im gleichen Stil. Ihre Schwester Nezaket Demir hat ein Nachthemd mit Wolle in Tropfenform beklebt. Sie hatte bereits im vergangenen Jahr den Motivwagen mit gebaut und begleitet und freut sich, auch 2019 wieder beim Schoduvel dabei zu sein.
Für alle, die sich den Braunschweiger Karnevalsumzug ansehen: Das IAK hat die Nummern 218 und 219!