Studieren probieren Erste Erfahrungen mit dem Orientierungsstudium an der TU Braunschweig
Was soll ich studieren? Welche Fachrichtung passt zu mir? Und ist ein Studium überhaupt etwas für mich? Diese Fragen stellen sich viele Schülerinnen und Schüler. Für Studieninteressierte, die darauf noch keine Antworten gefunden haben, bietet die Technische Universität Braunschweig unter Mitarbeit aller Fakultäten und Zentralen Einrichtungen seit dem Wintersemester 2018/19 ein zweisemestriges Orientierungsstudium an. Wir haben mit drei „O-Studis“ über ihre ersten Erfahrungen mit Vorlesungen, Kursen und dem Studienalltag gesprochen.
Carolin Meyer, Jan Michael Metzger und Talal Alsowda gehören zu den 23 „Pionierinnen und Pionieren“, die das erste Orientierungsstudium an der Carolo-Wilhelmina durchlaufen. Zwei Semester, in denen sie unter anderem Seminare zum wissenschaftlichen Arbeiten, zur Entscheidungsfindung, und zum „kreativen Problemlösen“ besuchen sowie mehrere Studiengänge parallel ausprobieren können. „Damit habe ich die Möglichkeit, mir ohne Druck einen Überblick zu verschaffen“, sagt Jan Michael Metzger. Nach dem Abitur im vergangenen Jahr schwankte der Braunschweiger zwischen der Entscheidung „einfach nichts zu machen“ und mit einem Studium zu beginnen.
„Den Druck zu nehmen“ – das sieht Susann Heichel von der Zentralen Studienberatung, die das Projekt koordiniert, als entscheidende Aufgabe des Orientierungsstudiums. Das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt bei 19 Jahren, die meisten haben 2018 ihr Abitur abgelegt. „Es ist wichtig, den jungen Erwachsenen Orientierungszeit zu geben.“
Fast wie im Klassenverband
Aber auch Halt und Sicherheit. Beides bekommen die Orientierungsstudierenden durch regelmäßige Pflichtangebote – wie Potenzialanalyse, wissenschaftliches Arbeiten in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek, Mathe und Englisch – die alle von Dienstag bis Donnerstag gemeinsam belegen. Fast wie im Klassenverband. Und mit Susann Heichel haben die Studierenden eine feste Ansprechpartnerin.
„Nach der Teambuilding-Woche am Anfang des Semesters sind wir sehr zusammengewachsen“, erzählt Carolin Meyer. Die 20-Jährige war nach ihrem Schulabschluss ein Jahr in Zentralamerika und hat dort in verschiedenen Freiwilligenprojekten gearbeitet. Anschließend begann sie ein Anthropologie-Studium in den Niederlanden, das sie wieder abbrach. „Zu viel Theorie und zu wenig Praxis“, so die Wolfenbüttelerin. „Danach war ich etwas planlos und habe gezweifelt, ob das Studium wirklich das Richtige für mich ist.“
Was interessiert mich wirklich?
An der TU Braunschweig hat Carolin Meyer in verschiedene Studiengänge hinein geschnuppert: Biologie, Architektur, Englische Literatur, Geowissenschaften. Für Architektur hat sie nach dem ersten Semester Feuer gefangen. Inzwischen hat sich die „O-Studentin“ in Hannover über den Studiengang Landschaftsarchitektur informiert. „Ohne die Impulse im Orientierungsstudium hätte ich mich nie getraut, über ein Architekturstudium nachzudenken.“
Auch Talal Alsowda will die zwei Semester nutzen, um möglichst ein breites Spektrum von Studiengängen kennenzulernen. Seine Ausbildungsstelle als Industriemechaniker hat er gekündigt, noch bevor er die Lehre begann. Nach und nach sei ihm klar geworden, dass die Berufswünsche seiner Familie nicht unbedingt die seinen sind. „Im Potenzialanalyse-Seminar haben wir uns ganz bewusst mit uns selbst beschäftigt und uns gefragt: Was interessiert uns wirklich?“
In dem Kurs mussten die Orientierungsstudierenden einen Vortrag über sich selbst halten. Dazu gab es von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine ganz persönliche Rückmeldung. „Das war eine sehr gute Selbstreflexion und hat unheimlich motiviert“, berichtet der 21-Jährige. In den Studiengängen Physik, Philosophie und Wirtschaftsinformatik hat er regelmäßig Veranstaltungen besucht. Im zweiten Semester möchte sich der Helmstedter noch Vorlesungen in Sozialwissenschaften, Architektur und Biologie anhören.
Fit fürs Studium mit Studi-Skills
Nach dem ersten Semester haben die Orientierungsstudierenden das System Uni verstanden: Was bedeutet es zu studieren, wie funktionieren Vorlesungen und Seminare, wie schreibt man richtig mit, wie gestaltet man den Studienalltag – „Studi-Skills“, die sie im gleichnamigen Seminar vermittelt bekommen. Und sie können ihr Bild verschiedener Studiengänge mit ihrem eigenen Erleben abgleichen.
Jan Michael Metzgers Erkenntnis nach dem ersten Semester: „Ich habe gemerkt, dass mir auch im Orientierungsstudium nicht alle Fragen beantwortet werden, sondern dass ich mir die Fragen selbst beantworten muss.“ Und: „Einen naturwissenschaftlichen Studiengang würde ich wohl nicht lange durchhalten.“ Dagegen könnte er sich vorstellen, ein Lehramts-Studium zu beginnen. Allein schon, „um ein besserer Lehrer zu werden als die meisten, die mich in meiner Schulzeit unterrichtet haben.“ Dennoch: Momentan sieht er sich nicht im Hörsaal ab dem nächsten Wintersemester sitzen. „Ich halte es für sinnvoller, wenn man sich noch unsicher ist, erst einmal eine Ausbildung zu machen, vielleicht als Kfz-Mechatroniker.“