Stereotype auf den Kopf gestellt Der Zukunftstag 2024 an der TU Braunschweig
Wenn die Institute und Labore der TU Braunschweig von neugierigen jungen Gesichtern erhellt werden, um die Welt der Wissenschaft zu erkunden, ist klar: Es ist Zukunftstag. Es ist ein Tag, der nicht nur die Türen zu spannenden Arbeitswelten öffnet, sondern auch die Stereotype von „Mädchenberufen“ und „Jungenberufen“ auf den Kopf stellt. Am 25. April, dem diesjährigen bundesweiten Zukunftstag, erlebte die TU Braunschweig einen Zustrom von Schüler*innen, die wissbegierig darauf waren, Unbekanntes für sich zu entdecken. Zahlreiche Institute haben spannende Experimente angeboten. Wir begleiteten Schülerinnen zu Aktionen der Exzellenzcluster Nachhaltige und energieeffiziente Luftfahrtsysteme (SE²A) und QuantumFrontiers sowie des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik.
Die hohe Sicherheit in der Luftfahrt ist kein Zufall, sondern das Ergebnis intensiver Forschung und Entwicklung. Dass jedes Detail eines Flugzeugs darauf ausgelegt ist, Passagiere und Crew zu schützen, wurde den Schülerinnen am Institut für Flugzeugbau und Leichtbau am Campus Forschungsflughafen vor Augen geführt. In der Versuchshalle des Instituts konnten sie den Aufbau eines Flugzeugs aus nächster Nähe betrachten und verstehen, wie Ingenieur*innen die Sicherheit im Flugzeugbau gewährleisten. Sie erfuhren, wie Materialauswahl, Konstruktionsprinzipien und Sicherheitssysteme zusammenwirken, um bei jedem Flug maximale Sicherheit zu gewährleisten.
Experimente mit Ei als „Passagier“
Dann wurde es praktisch: Die Mädchen wurden selbst zu Konstrukteurinnen. Mit Bastelmaterialien galt es, ein zerbrechliches Ei – den kleinen „Passagier“ – so zu umhüllen, dass es einen Aufprall aus zehn Metern Höhe unbeschadet übersteht. Kreative Konstruktionen wie verschachtelte Röhren und filigrane Körbchen mit Fallschirm entstanden. Und dann der spannende Moment: Hat das Ei den Aufprall unbeschadet überstanden? Auch wenn der eine oder andere „Passagier“ einen Riss aufwies, wurde den Mädchen schnell klar: Diese Abläufe und Erfahrung gehören für Ingenieur*innen dazu: entwickeln, testen, auswerten, optimieren und vor allem: dran bleiben!
Flug im Cockpitsimulator
Cockpit statt Klassenzimmer, einen Airbus A320 in San Francisco landen statt Vokabeln büffeln. Im Institut für Flugführung (IFF) war der Flug im Cockpitsimulator das absolute Highlight. Darüber hinaus erfuhren die Schüler*innen, dass der Luftverkehr nicht nur Passagiere und Güter transportiert sowie Kontinente und Menschen verbindet, sondern auch die Verantwortung hat, die Klimawirkung des Fliegens zu reduzieren. Am IFF nehmen sich Wissenschaftler*innen dieser Herausforderung an und vermittelten den Schüler*innen wie sie sich in ihrer Forschung mit der Reduzierung von Emissionen und der Entwicklung nachhaltiger Technologien beschäftigten.
Einblicke in die Welt des Kleinsten
Am LENA, dem Laboratory for Emerging Nanometrology, erhielten am Zukunftstag Schüler*innen einen Einblick in die Nano- und Quantenwelt. Wie auch bei den Wissenschaftler*innen gab es zunächst eine obligatorische Sicherheitsunterweisung, bevor es in die Labore ging. Dort entdeckten die Schüler*innen der Klassen 5-7 unter anderem verschiedene Arten der Mikroskopie – vom linsenlosen LED-Mikroskop für die Hosentasche bis zu den genauesten Mikroskopen der Welt.
An einem solcher Supermikroskope, die denen sonst die Wissenschaftler*innen des Exzellenzclusters QuantumFrontiers an den Grenzen des Messbaren arbeiten, konnten die Schüler*innen sogar die eigenen Haare in ungeahnter Größe untersuchen.
Um anschaulich zu machen, was hinter Fachwörtern wie „Rasterkraftmikroskop“ steckt, haben die Forschenden ein funktionsfähiges Lego-Modell aufgebaut. Genau wie die Legospitze eine Oberfläche abtastet, tastet im echten Rasterkraftmikroskop eine Spitze eine Oberflächenprobe ab – nur in diesem Fall auf den Nanometer genau.
Tiefe Temperaturen mit Aha-Effekt
Ausgerüstet mit Kittel und Schutzbrille untersuchten die Schüler*innen zudem, wie sich die tiefkalten Temperaturen von flüssigem Stickstoff auswirken. Stickstoff kühlt im LENA normalerweise empfindliche Experimente herunter, aber auch mit alltäglichen Gegenständen kann man damit experimentieren. Am Zukunftstag konnten die Schüler*innen staunen, was flüssiger Stickstoff zum Beispiel mit Obst und Luftballons macht. Sie staunten nicht schlecht, als ein Luftballon, der im Stickstoffbad abgekühlt wurde, bis nur noch seine verschrumpelte Kunststoffhülle übrigblieb, kaum, dass er wieder aus dem Stickstoff genommen wurde, sich wieder zur ursprünglichen Form und Größe aufbläst.
Nachhaltige Mobilität
Höchste Konzentration im Labor des Instituts für Ökologische und Nachhaltige Chemie im Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF): Mit Laborkitteln, Schutzbrillen und Schutzhandschuhen ausgestattet, tauchten die Schüler*innen ein in die faszinierende Welt der Chemie und lernten, wie sich komplexe Mischungen in ihre einzelnen Komponenten zerlegen lassen: Von der Papierchromatographie, bei der sie mit eigenen Augen sehen konnten, wie sich Farbstoffgemische auf einem Streifen Papier in ihre Bestandteile trennen, bis hin zur hochmodernen Gaschromatographie, die selbst kleinste Unterschiede in chemischen Proben aufdeckt. Die Forschung und Lehre des Instituts widmet sich der nachhaltigen Entwicklung in Umwelt und Technik. Vor allem das Thema Nachhaltigkeit ist bei den Schüler*innen hängengeblieben, wie sich bei der Abschlussveranstaltung später zeigen sollte: Auf die Frage wie die künftige Mobilität sein sollte, standen „effizient“ und „klimafreundlich“ an oberster Stelle.
Schüler*innen bewiesen technisches Geschick
Schnelles Auto, starker Motor – wen erwartet man da in den Werkstatthallen? Richtig: Mädchen, die an Motoren schrauben, entschlossen zum Werkzeug greifen und den Antrieb mit festem Griff in seine Komponenten zerlegen – ölverschmierte Hände inklusive. Keine der Schüler*innen störte das, konzentriert ruhte der Blick auf der Kurbelwelle, die die Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens in eine Drehbewegung umsetzt – anschaulich erläutert von zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Brennstoffzellen (ivb) am NFF.
Technisches Geschick und Ingenieurinnenkunst bewiesen auch die Schülerinnen, die einen Raum weiter eine Wasserstoffbrennstoffzelle in Betrieb nahmen, um Strom zu produzieren. Unter fachkundiger Anleitung verbanden sie Wasserstoffspeicher, Druckminderer, E-Motor, Kabel und Brennstoffzelle, um Strom zu erzeugen. Zwei Seiten Versuchsanleitung schreckten hier keine der Teilnehmerinnen ab. Im Gegenteil: Komplett in den Versuchsaufbau versunken, verging die Zeit rasend schnell. Was hängen bleibt, ist die Erkenntnis, dass Technik zweifelsohne auch in Mädchenhände gehört.