Rückgang der digitalen Kompetenzen von Schüler*innen TU Braunschweig an internationaler Vergleichsstudie beteiligt
Der sichere und kompetente Umgang mit digitalen Medien hat in den vergangenen Jahren weiter erheblich an Bedeutung gewonnen. Damit steht auch der schulische Bildungsbereich in der Verantwortung, Schüler*innen den kompetenten, reflektierten, produktiven und kommunikativen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. Wie es um diese Fähigkeiten und Kompetenzen bestellt ist, zeigt die internationale Vergleichsstudie „International Computer and Information Literacy Study 2023“ (ICILS 2023). Als Mitglied des nationalen Konsortiums ist auch Professorin Julia Gerick vom Institut für Erziehungswissenschaft der Technischen Universität Braunschweig daran beteiligt.
Bereits zum dritten Mal (nach ICILS 2013 und ICILS 2018) wurden die digitalen Kompetenzen von Achtklässler*innen sowie die Rahmenbedingungen des Kompetenzwettbewerbs in Deutschland im internationalen Vergleich untersucht. Grundlage dieses internationalen Bildungsmonitorings sind computerbasierte Tests der Achtklässler*innen und die Befragung von Schulleitungen, Lehrkräften und Schüler*innen. „Die Studie stellt damit eine enorm wichtige und einzigartige Datengrundlage zur Verfügung, um sowohl den aktuellen Stand der digitalen Transformation in Deutschland im internationalen Vergleich als auch Entwicklungen im Zeitverlauf abzubilden. Unsere Untersuchung stellt somit relevantes Handlungswissen für das deutsche Bildungssystem bereit“, sagt Professorin Julia Gerick, die seit 2013 an ICILS mitarbeitet.
Signifikanter Kompetenzrückgang
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässler*innen in Deutschland liegen mit 502 Punkten im Durchschnitt weiterhin über dem internationalen Mittelwert (476 Punkte). Allerdings ist dies für Deutschland ein signifikanter Kompetenzrückgang, nachdem die mittleren Kompetenzen zwischen ICILS 2013 (523 Punkte) und ICILS 2018 (518 Punkte) statistisch unverändert waren. Die höchste Kompetenzstufe erreichen nur 1,1 Prozent der Achtklässler*innen (international 1,0 Prozent; EU-Staaten 0,8 Prozent). Der Anteil der Schüler*innen mit rudimentären und basalen Kompetenzen, den beiden unteren zwei Kompetenzstufen, liegt bei 40,8 Prozent. Die Kompetenzen variieren stark nach besuchter Schulform und es zeigen sich deutliche Unterschiede nach sozialer Herkunft sowie dem Migrations- und Sprachhintergrund.
Verbessert hat sich die technische Ausstattung der Schulen. Im internationalen Vergleich zeigt sich aber auch, dass neuere Technologien wie adaptive Lernsysteme, die sich den individuellen Unterschieden der Lernenden anpassen, zur Unterstützung von Lernprozessen dringend ausgebaut werden müssen. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass Lehrkräfte digitale Medien deutlich häufiger im Unterricht nutzen als früher.
„Besorgniserregende Befunde“
„Für mich sind insbesondere zwei Befunde besorgniserregend: dass so ein hoher Anteil an Schüler*innen nur über digitale Kompetenzen auf den unteren beiden Kompetenzstufen verfügt und dass wir in Deutschland mit Blick auf digitale Kompetenzen einen ‚Digital Divide‘ beobachten müssen“, so Professorin Gerick. „Meines Erachtens verfügt damit ein substanzieller Teil der jungen Generation nicht über die notwendigen Kompetenzen, die es braucht, um reflektiert, kritisch und selbstbestimmt an der digitalisierten Welt teilzuhaben. Das ist nicht nur auf individueller Ebene ein Problem, sondern stellt auch eine Gefahr für unsere Demokratie dar.“
Das Bildungssystem stehe damit weiterhin vor großen Herausforderungen, es allen Schüler*innen gleichermaßen zu ermöglichen, entsprechende Kompetenzen zu erwerben, so Professorin Gerick. Klar ist, dass eine digitale Infrastruktur allein nicht ausreicht. Professorin Gerick betont: „Zukünftig erscheint es unter anderem relevant, zukunftsfähige Lernsettings für Kinder und Jugendliche (weiter) zu entwickeln, um digitale Kompetenzen zu erwerben, Schulentwicklungsprozesse und die diese gestaltenden Akteur*innen, insbesondere die Schulleitungen, bei der digitalen Transformation systematisch zu unterstützen und zu begleiten. Ebenso wichtig ist auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften flächendeckend mit Blick auf eigene digitale Kompetenzen aber auch die Vermittlung dieser sowie Kompetenzen zur Mitgestaltung der digitalen Transformation in der schulischen Bildung zu stärken.“
Persönlich freut sich Professorin Gerick auf die in den kommenden Monaten und Jahren anstehenden vertiefenden Analysen mit den ICILS-Daten, die noch weitere Erkenntnisse liefern werden.