Rezepte für winzige Leuchtdioden in 3D Forschung im Fokus: An den Grenzen des Messbaren
Wie fast jeden Morgen, tauscht Jana Hartmann ihre Straßenschuhe gegen weiße Clogs, schlüpft in einen weißen Overall und Latexhandschuhe und setzt eine Haarschutzhaube auf. Dann geht es in „ihr“ Reich: den Reinraum des Instituts für Halbleitertechnik im 10. Stock des TU-Hochhauses an der Hans-Sommer-Straße. Dreck jeglicher Art ist dort tabu, deshalb auch die Schutzkleidung. Die Elektrotechnikerin arbeitet hier für ihre Promotion.
Im Reinraum steht – übermannshoch, mehrere Meter lang und aus glänzendem Edelstahl – ein Gerät zur „Metallorganischen Gasphasenepitaxie“, auch liebevoll „MOVPE“ genannt. „Ich habe gerade noch ein neues Rezept geschrieben. Das würde ich gerne schnell starten, damit es bis heute Abend fertig wird“, sagt die Forscherin. Klar, dass es bei diesem Rezept nicht um die Erfindung einer hippen neuen Schokoladensorte oder andere kulinarischen Köstlichkeiten geht. In der MOVPE komponiert Jana Hartmann aus verschiedenen Gasen winzige, dreidimensionale Leuchtdioden, kurz: 3D-LEDs, winzige Wände aus Galliumnitrid, die dünner als ein menschliches Haar sind.
Leuchtdioden nach Rezept
„3D-LEDs haben eine besonders große Oberfläche und können deshalb mehr Licht abstrahlen“, sagt sie. In Zukunft könnten sie daher deutlich effizienter sein als konventionelle flache LEDs und in Mikroskopen, besonders empfindlichen Sensoren, in der Beleuchtungs- und Lasertechnik zum Einsatz kommen.
Hartmann zeigt ihr Rezept am Bildschirm der Anlage. Dort steht, welche Zutaten wann und wie lange und bei welchen Temperaturen beziehungsweise Drücken zugegeben werden. Zum Einsatz kommen Ammoniak und Verbindungen, die Gallium, Indium beziehungsweise Silizium enthalten. Das Herzstück der Anlage ist ein Reaktor aus Edelstahl, etwa so groß wie ein Kaffeeautomat. Er steht in der „Glovebox“, einer Kiste mit Glasfront, aus der armlange Gummihandschuhe ragen. „In der Glovebox ist reiner Stickstoff, damit Sauerstoff und andere Stoffe aus der Luft den Abscheidungsprozess nicht stören“, erklärt die Forscherin.
Sie schlüpft in die Handschuhe, greift ins Innere der Glovebox und öffnet den Reaktordeckel. Darunter verbirgt sich ein Drehteller, ähnlich wie in einer Mikrowelle. Er hat Platz für drei etwa fünf Zentimeter große Scheiben, sogenannte „Templates“ und kann auf Temperaturen über 1000 Grad Celsius aufgeheizt werden. Ist der Deckel geschlossen, strömen von oben aus dem Reaktordeckel die Reaktionsgase wie aus einem Duschkopf auf die Templates und reagieren chemisch zu einem Galliumnitridkristall.
Ein Produkt des Hauses
Auch die Templates sind ein Produkt des Hauses, werden hier am Institut für Halbleitertechnik hergestellt. Sie bestehen aus einem transparenten Saphirwafer mit einer Galliumnitrid- und darüber einer Siliziumoxidschicht mit Löchern oder hauchdünnen Schlitzen. In diesen Schlitzen wachsen die LEDs wie Wände oder „Fins“, wie sie hier am Institut genannt werden. „Seit zwei Jahren forsche ich an Fin-LEDs aus Galliumnitrid“, berichtet Hartmann. Davor habe sie vor allem winzige Säulen abgeschieden. Die Fins seien aber stabiler und hätten auf die Fläche eines Wafers bezogen eine noch höhere Oberfläche. „Das liegt vor allem daran, dass sich 3D-LEDs nicht beliebig dicht aufbringen lassen“, erklärt sie.
Die Fin-LEDs wachsen in der MOVPE erst in die Höhe und dann in die Breite. Um den Kern aus Galliumnitrid wird nämlich noch einen „Mantel“ abgeschieden, der unter anderem Indiumgalliumnitrid enthält. Der Indiumgehalt bestimmt, mit welcher Wellenlänge, also Farbe die LEDs leuchten.
Damit es endlich losgehen kann, bestückt Hartmann den Drehteller im Reaktor mit neuen Templates, schließt den Deckel, kontrolliert am Anlagenmonitor noch einmal die Einstellungen und drückt auf „Run“. Der Prozess startet. Er wird gut sechs Stunden laufen. In der Zwischenzeit untersucht die Forscherin ältere Proben im Rasterelektronenmikroskop und bringt sie mit der sogenannten Kathodolumineszenz zum Leuchten. „So kann ich schon ganz gut sehen, welche Eigenschaften die 3D-LEDs haben, wie hoch und breit sie geworden sind und wieviel Indium sie enthalten“, berichtet sie.
Ein LED-Mikroskop für die Diabetesforschung
In ein paar Monaten wird Jana Hartmann die Erkenntnisse aus den Untersuchungen für ihre Doktorarbeit zusammen schreiben. Und dann? „Dann kann ich mich ganz der Leitung einer Nachwuchsforschergruppe innerhalb der Wissenschaftsallianz QUANOMET widmen“, berichtet sie. Es gehe im weitesten Sinn um Diabetesforschung. Die Gruppe will aus winzigen LEDs ein kleines, kostengünstiges Mikroskop entwickeln, mit dem die insulinbildenden Pankreasinseln erforscht werden können. „Es geht nicht nur darum, die Zellen optisch abzubilden, sondern gleichzeitig Prozesse in den Zellen zu messen, zum Beispiel wieviel Sauerstoff sie verbrauchen“, sagt Hartmann.
Das Reinraumlabor wird sie dann allerdings nur noch selten von innen sehen. „Ich werde mich wohl vor allem um Organisatorisches kümmern. Aber ich organisiere gerne“, sagt die Ingenieurin und lacht. Einen Wermutstropfen gebe es dann aber doch: die MOVPE. „Ich habe vier Jahre lang fast täglich an der Anlage gearbeitet und werde sie bestimmt ziemlich vermissen.“
Text: Andrea Hoferichter