Mit Magneten auf der Jagd nach Viren und Antikörpern Dr. Aidin Lak, Leiter der Junior Research Group „Metrology4Life“
Mit der Junior Research Group „Metrology4Life” ist Dr. Aidin Lak an der TU Braunschweig auf der Suche nach einer magnetischen Messmethode für den Nachweis von Viren und Antikörper. Diese hohe Zielsetzung verlangt nach einer Zusammenarbeit, die die Grenzen von fünf Disziplinen überspannt. Im Interview berichtet Lak, wie er mit seiner Gruppe Expertise auf kleinem Raum zusammenbringt und so eine ganz neue Form von Schnelltests entwickelt.
Herr Dr. Lak, Ihre Forschung konzentriert sich auf „Bioassays“. Was steckt dahinter?
Ein Bioassay ist erstmal ganz grundsätzlich eine biologische Untersuchung nach bestimmten Substanzen. In unserem Fall ist es noch spezifischer ein Immuno-Assay. Wir untersuchen etwa ganz speziell, die Bindung zwischen Antikörpern und Antigenen. Der Standard ist hier bisher die ELISA-Methode, wo man die Antikörper- oder Antigenkonzentration mithilfe von speziellen Enzymen farblich sichtbar macht. ELISA ist allerdings langwierig und teuer. Die Proben müssen etwa erst mehrmals gereinigt werden, um Hintergrundsignale zu minimieren. Unsere Bioassays setzen dagegen nicht auf Enzyme, sondern auf ein magnetisches Signal, gemessen an speziell designten Nanopartikeln.
Welche Ziele verfolgen Sie dabei?
Ein wichtiges Thema in der Biologie sind aktuell die Rapid-Antigen-Tests, die seit Covid-19 buchstäblich in aller Munde sind. Sie sind günstig und relativ schnell, aber leider nicht quantifizierbar. Hinterher weiß man zwar, ob man positiv oder negativ ist. Man weiß aber nie genau wie sehr. Das macht es nicht einfacher, die jeweiligen Viren zu verstehen. Interessant ist ja vor allem: Was soll die Person jetzt machen? Wie lange muss sie gegebenenfalls in Quarantäne? Daher ist unser erstes Ziel, quantifizierbare Tests zu entwickeln. Unser magnetischer Ansatz kann das möglich machen.
Außerdem gibt es noch einen zweiten großen Vorteil der Magneten. Die vielen optischen Bioassay-Methoden sind sehr wählerisch, was ihre Testmedien angeht. Alles muss sehr sauber und transparent genug für Licht sein. Unseren magnetischen Nanopartikeln und magnetischer Auslese dagegen ist es egal, wie gut man durch die Probe sehen kann. Wir können also beispielsweise eine Blutprobe ohne weiteres Präparieren untersuchen. Ein Riesenvorteil! Unser Ziel ist es, so auch komplexe biologische Proben in kürzester Zeit präzise zu vermessen.
Vor fünf Wochen konnten wir erstmals Ergebnisse mit einem großen wissenschaftlichen Publikum diskutieren. Zusammen mit meiner Doktorandin Enja Rösch und meinem Post-Doc Suman Muhammad Chowdhury war ich auf der Scientific and Clinical Applications of Magnetic Carriers Conference in London. Das viele positive Feedback, das Enja nach ihrem Vortrag bekommen hat, zeigt, das wir auf einem guten Weg sind. Dieser Weg ist aber nach wie vor lang und wir haben noch viel vor.
Stellen Sie sich vor, ich käme mit einer Blutprobe zu Ihnen und möchte wissen, wie viele Antikörper eines bestimmten Typs darin sind. Wie machen Sie das?
Am Anfang steht die Frage, welcher Antikörper gesucht ist. Wir entwickeln dann für diesen speziellen Antikörper unsere magnetischen Nanopartikel mit dem passenden Antigen auf der Oberfläche. Im zweiten Schritt nehmen wir einen Tropfen Blut und mischen unsere Nanopartikel unter. Jetzt können wir sofort anfangen zu messen. Dabei steht die Bindung zwischen unserem Antigen und den Antikörpern in der Blutprobe im Fokus. Sobald ein Antikörper an ein Antigen andockt, ändert sich die Art und Weise, wie sich die Nanopartikel in der Probe bewegen. Messen wir diese Bewegungsänderung mit unseren magnetischen Instrumenten, wissen wir, dass Antikörper in der Probe sind.
Für die Frage, wie viele Antikörper da sind, müssen wir genauer auf unser Signal blicken. Hier bauen wir mit präparierten Proben Stück für Stück eine Dosis-Wirkungs-Kurve auf, mit der wir das Ergebnis kalibrieren können: Welche Anzahl Antikörper geben welches spezifische Signal? Mithilfe der Skala können wir dann auch unbekannte Proben quantifizieren.
Bei Immuno-Assays ist das Quantifizieren so herausfordernd, weil die Abhängigkeit vom Signal zur Antikörpermenge relativ schmal ist. Im Institut haben wir Versuche mit Antigen-Tests gemacht, bei denen Proben mit 107 Viren-N-Proteinen pro Milliliter negativ waren und Proben mit 109 Proteinen bereits völlig gesättigt. Mit unseren Tests wollen wir diesen Messbereich vergrößern.
Mit acht Personen decken Sie in Ihrer Junior Research Group gleich vier Disziplinen ab und kooperieren darüber hinaus noch mit Dr. Maren Schubert aus dem Department of Biotechnology und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Wozu braucht es dieses Spezialteam?
Tatsächlich bin ich sehr stolz darauf, wie gut unser kleines Team zusammenarbeitet. Und dieses Teamwork brauchen wir auch, damit die vielen Facetten der magnetischen Bioassays alle ineinandergreifen. Um Nachweismethoden sowohl für Viren als auch für Antikörper entwickeln zu können, ist unsere kleine Gruppe noch einmal aufgeteilt. Die Arbeitsschritte selbst ähneln sich aber prinzipiell.
Erst einmal brauchen wir grundlegende Expertise in Materialwissenschaft, um die Nanopartikel für die spezifischen Anwendungen zu synthetisieren. Wir müssen genau verstehen, was wir brauchen und probieren das dann aus. Für die Oberfläche dieser Partikel haben wir einen Postdoc in Polymer-Chemie. Ohne die passende Chemie auf den Partikeln passiert nichts. In unserem Labor müssen wir also Polymere aufreinigen, analysieren und im nächsten Schritt auf die Nanopartikel bekommen. Wiederum ein interdisziplinärer Prozess zwischen Chemie und Materialwissenschaft.
Als nächstes kommt mein Hintergrund als Magnetismus-Physiker ins Spiel: Wir müssen unsere Nanopartikel im Detail analysieren und dabei genau ihre magnetischen Eigenschaften erforschen. Die Geräte, die wir anschließend zum Messen nutzen, kommen aus der Elektrotechnik. Hierbei unterstützt uns vor allem das Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik. In den letzten zehn Jahren sind dort die Geräte entstanden, die unseren heutigen Ansatz erst denkbar gemacht haben.
An diesem Punkt kommt nun die Metrologie hinzu, die Wissenschaft vom Messen. Wie standardisieren wir den Messprozess für konstante Ergebnisse? Was muss in die Messprotokolle? Wo sind die Fehlerquellen? Abschließend hat unser Projekt noch eine große biologische Facette. Das decken wir mit unserer kleinen Gruppe noch nicht ab. Aber dafür haben wir eine Kooperation mit dem HZI und arbeiten zudem mehr und mehr mit dem BRICS. Über das HZI kommen wir zudem an reale Virenproben, die unsere Assays enorm weiterbringen.
Vielen Dank für das Interview.