„Mit einfachen Mitteln und wenig Platz eine hohe Qualität herstellen“ Im Interview mit Simon Fischer über Kreativmöbel und Sustainable Design
Überall auf dem Campus der TU Braunschweig gibt es viele abgelegene Ecken und lange Flure. Wie aber kann man diese Räume beleben? Simon Fischer hat eine Serie von Kreativmöbeln am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre entwickelt, die genau das tun. Das Feedback auf die Prototypen war gut. Derzeit laden sie im Foyer am Okerhochhaus zum Ausprobieren ein. Wir haben uns mit Simon, 26 Jahre alt, über Möbeldesign, Stop-Motion und Leitgedanken beim Entwerfen unterhalten.
In welchem Rahmen wurden die Kreativmöbel entwickelt?
Die Möbel sind aus einer Reihe von anderen Projekten und Möglichkeiten entstanden. Als ich vor zwei Jahren zum Master hier nach Braunschweig kam, hatte ich mir das Ziel gesetzt, etwas Praktisches umzusetzen. Als Architekturstudent arbeitet man meist an fiktiven Entwürfen und bekommt nur selten die Gelegenheit, seine Ideen zu verwirklichen. Das wollte ich für mich persönlich ändern, da ich glaube, dass man auf diesem Weg am meisten lernt. Außerdem sehe ich die Uni als einen Ort, an dem man sich ausprobieren kann. Selbst wenn ein Projekt hier scheitert, hat es keine schwerwiegenden Folgen. Außerdem gibt es viel Unterstützung für Studierende mit guten Ideen und Engagement.
Meine erste praktische Idee war der Campus Pavillon, der noch Ende diesen Sommers auf dem Nord Campus gebaut wird. Darauf folgte der erster Möbelentwurf, der „Braunschweiger Hocker“, den ich eigens für den Pavillon entwickelt habe.
Wie ist die Idee für diese modularen Möbel entstanden?
Die Idee für die Kreativmöbel ist durch meine Mitarbeit bei einem neu gegründeten Unternehmen für Design Thinking, The Why Guys, entstanden. Dort bin ich bei der Gestaltung eines neuen co-working spaces involviert und kam so auf die Idee, ein Konzept für kreative Arbeitsbereiche zu entwickeln. Um das ganze als Projekt mit dem Studium zu verbinden, habe ich mir ein Architekturinstitut gesucht, das mich dazu betreut hat. Wir haben dann gemeinsam eine Aufgabenstellung erarbeitet, um der Arbeit einen offiziellen Rahmen zu geben und dann konnte ich relativ frei meine Idee verfolgen und schließlich umsetzen.
Wer hat Dich unterstützt?
Unterstützt wurde ich vom Institut für Entwerfen und Gebäudelehre (IDAS) sowie dem Sandkasten. Außerdem hatte ich ein paar fleißige Helfer, die beim Bau der Prototypen mit angepackt haben.
Hast Du einen Leitgedanken beim Entwerfen und Konstruieren?
Der Nutzer und die Funktion stehen für mich im Mittelpunkt. Ich versuche mich in ihn hineinzuversetzen und stelle mir seine Wünsche und Probleme vor. Dabei spiele ich alle möglichen Szenarien durch – ähnlich wie in einem Theater. Architektur muss funktionieren und sollte gleichzeitig erlebbar sein und den Menschen begeistern. Für mich wird sie an der Stelle zusätzlich spannend, wo mit einfachen Mitteln oder wenig Platz eine hohe Qualität entsteht.
Wie kam es dazu, die Idee im Sandkasten der TU vorzustellen?
Der Sandkasten unterstützt erst einmal jede Idee, wenn es darum geht, unseren Campus zu gestalten, Dinge zu verbessern oder Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Außerdem hilft die Plattform, auf Projekte aufmerksam zu machen. Daher bin ich schon früh mit dem Team in Kontakt gekommen. Sie haben mir auch die Entwicklung der Prototypen in einer Phase finanziert, in der das Ausprobieren enorm wichtig war, um das Design Stück für Stück zu verbessern. Wie es mit der weiteren Umsetzung der Kreativmöbel aussieht, ist noch offen. Ich werden nun weitere Partner wie einen Tischler suchen, der die Möbel produzieren kann. Wenn sich dann Interessenten finden, könnte die erste Kleinserie in Produktion gehen, was schon ein großer Schritt wäre!
Gibt es weitere Pläne für die Kreativmöbel oder allgemein zum Möbelbau?
Die Richtung macht mir sehr viel Spaß und ich bin mir sicher, dass dies nicht mein letztes Projekt in dem Bereich war. Bei den Kreativmöbeln ist das nächste Ziel, sie zu optimieren, sodass sie produzierbar sind. Danach wird sich zeigen, wie es damit weitergeht. Diese Hürde ist nochmal sehr groß, wie ich schon beim „Braunschweiger Hocker“ feststellen musste, aber ich bin optimistisch, dass die Reise hier noch nicht vorbei ist.
Du studierst an der TU Braunschweig derzeit Sustainable Design, vorher hast Du einen Architektur-Bachelor absolviert. Wie kommen diese beide Bereiche zusammen?
Den Studiengang „Sustainable Design“ gibt es mit architektonischer und ingenieurwissenschaftlicher Vertiefung. Er soll einen gesamtheitlichen, nachhaltigen Gedanken im Baubereich vermitteln und die beiden Disziplinen früh zusammenführen. In der Praxis sieht es für mich ähnlich aus wie im normalen Architektur-Master. Zusätzlich gibt es im ersten Jahr aber noch viel interessanten Input in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziologie. Letztendlich ist man sehr frei und kann sich seine Projekte und Seminare beliebig zusammenstellen.
Zum Video: Sollte dieser Art der Promotion stärker im Studium betont werden?
In diesem Fall hat das Format einfach gut zum Konzept gepasst, das recht verspielt und frei ist. Hier wollte ich betonen, dass die Möbel keine statischen Objekte sind und durch ihre Bewegung den Raum und dessen Wirkung verändern. Man kann den Prozess von der ersten Skizze, über das Modell bis hin zur Umsetzung verfolgen. Der mittlere Teil im Video zeigt wie die Möbel lebendig werden und eine Art Tanzchoreographie aufführen. Die Personen und Sounds verleihen dem Ganzen noch eine persönliche und sicher auch witzige Note. Ich denke, das Medium muss zum Inhalt passen. Kurzweilige Videos sind sicher eine anschauliche Möglichkeit, um auch fachfremde Menschen zu erreichen. Das ist ein Aspekt, der oft vernachlässigt wird.
Könntest Du uns etwas über die Produktion des Videos erzählen? Stop-Motion ist ja meistens sehr aufwändig.
Das habe ich dann auch festgestellt! Der Dreh war für mich persönlich eine große Herausforderung, da ich so etwas noch nie gemacht habe. Anfangs hatte ich mir andere Stop-Motion-Videos und Tutorials angesehen. Durch Ausprobieren habe ich relativ schnell gemerkt, was gut funktioniert und was nicht. Die größten Probleme hatten letztendlich mit dem Setup zu tun. Eine absolut fest eingestellte Kameraperspektive sowie konstante Lichtverhältnisse sind unerlässlich, um ungewollte Sprünge im Video zu vermeiden. Da gab es die eine oder andere Situation, die mich zum Verzweifeln gebracht hat – zum Beispiel als jemand aus Versehen gegen die Kamera oder das Licht gelaufen ist und es ewig gedauert hat, die alte Einstellung wieder herzustellen. Das kann im Zeichensaal mit 30 anderen Studierenden schon mal vorkommen. Daher habe ich auch fast ausschließlich nachts gedreht.
Hand aufs Herz: Was hat Dir mehr Spaß gemacht: der Entwurf, der Bau oder der Dreh?
Jeder Teil hatte seinen Reiz und die Abwechslung tat nach einer langen Entwurfsphase sehr gut. Ich glaube, der Bau hat mir am meisten Spaß gemacht – wahrscheinlich auch deshalb, weil man endlich das Resultat seiner Arbeit sieht und physisch spürt.