Mit der ganzen Family in Germany Informatiker Aaron Becker aus Texas ist Gastprofessor an der TU Braunschweig
„In unserer neuen Wohnung gibt es gar keine Einbauküche!“ Das war eine der ersten Hürden, über die Aaron Becker von der University of Houston im US-Bundesstaat Texas im Sommer 2021 bei seiner Ankunft in Deutschland stolperte. Zusammen mit seiner Frau Elana und den vier Söhnen ist er im Rahmen eines Sabbatjahres noch bis zum Spätsommer in Braunschweig und arbeitet als Gastprofessor bei Professor Sándor Fekete in der Abteilung Algorithmik am Institut für Betriebssysteme und Rechnerverbund. Seit Januar 2022 wird sein Aufenthalt durch ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert.
Bereits vor zehn Jahren, in seiner Zeit als Postdoc, lernte er seinen Gastgeber Professor Fekete aus der Ferne im Rahmen einer gemeinsamen Forschungsarbeit kennen. Über Videokonferenzen, die in der Informatik schon damals üblich waren. Die beiden blieben in Kontakt und arbeiten seitdem regelmäßig zusammen an Projekten. Mehr als 30 gemeinsame Veröffentlichungen können sie inzwischen vorweisen. Außerdem eine Reihe Videos, die komplexe Inhalte auf anschauliche und zum Teil musikalische Weise erklären. In mehreren dieser Videos zeigen Beckers Kinder ihre Talente und Frustrationen vor der Kamera.
Das Küchen-Problem war nach einem Ausflug in ein schwedisches Möbelhaus schnell gelöst. Aber dann stand schon die nächste Herausforderung an: der Kampf mit der deutschen Bürokratie. „Da macht Deutschland seinem Ruf alle Ehre“, lacht der Wissenschaftler. Zum Glück wurde die Familie von TU und Stadt Braunschweig tatkräftig unterstützt.
„Professor Fekete und Ute Marchot, Sekretärin am Institut für Betriebssysteme und Rechnerverbund, halfen uns schon vor unserer Ankunft dabei, eine Wohnung zu finden. Auch Annika Ewe vom Team ‚Mobile Researchers‘ Services‘ der TU Braunschweig hat uns immer wieder bei den verschiedensten bürokratischen Hindernissen unterstützt. Und schon im Vorfeld Mona Firley vom Bildungsbüro der Stadt Braunschweig bei der Organisation der Schulbesuche für unsere Jungs.“ Bei solchen Auslandsaufenthalten gibt es zahlreiche Dinge zu beachten, wie beispielsweise auch internationale Steuerabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung.
Die „Maus“ geht schon ohne Untertitel
Eine weitere Hürde: die Sprache. „Mit meiner Frau habe ich gerade erfolgreich einen achtwöchigen Deutsch-Intensivkurs an der Volkshochschule Braunschweig absolviert“, erzählt Aaron Becker. „Unsere Kinder beherrschen die deutsche Sprache inzwischen schon besser als wir und weisen uns regelmäßig auf Fehler hin.“ Wie schon Generationen vor ihnen hat auch Familie Becker die „Sendung mit der Maus“ für sich entdeckt. „Mittlerweile müssen wir die Untertitel nicht mehr anschalten“, berichtet Aaron Becker stolz. Besonders leicht falle seinen Kindern, von denen zwei auf die Grundschule und die älteren auf eine weiterführende Schule gehen, selbstverständlich der Englischunterricht.
Häuser aus Stein
Als er 2015 eine Woche lang für eine Konferenz in Hamburg war, besuchte Aaron Becker zum ersten Mal für einen Tag Braunschweig. „Hier gibt es so viel Historisches zu entdecken“, zeigt sich der Wissenschaftler von der Löwenstadt beeindruckt. Die Parks hat er mit seiner Familie schon allesamt erkundet. „Und wenn ich aus meinem Büro im Informatikzentrum aus dem Fenster schaue, sehe ich sofort: Ich bin in Deutschland. Woran ich das erkenne? Hier gibt es Häuser aus Stein mit Dächern aus roten Tonziegeln!“ In seiner Heimat sind die meisten Häuser aus Holz mit Asphaltschindeln gebaut.
Aber auch außerhalb Braunschweigs waren die Beckers schon unterwegs. „In den Sommerferien waren wir in Kroatien in Split und in den Herbstferien haben wir eine Woche Urlaub auf Sylt gemacht.“ Außerdem hat die Familie Hamburg, Bremen und den Harz erkundet.
Eigentlich wollte Aaron Becker seine Zeit in Europa ebenfalls dafür nutzen, um an verschiedenen Konferenzen teilzunehmen. „Die Corona-Pandemie macht das allerdings nicht einfach. Ich hoffe, dass ich im Juni zum International Symposium on Computational Geometry (SoCG) nach Berlin fahren kann. Das wäre dann meine erste europäische Konferenz, die ich während meines Aufenthalts in Deutschland in Präsenz besuchen kann. Alle anderen fanden leider nur virtuell statt.“
Schwarm-Robotik in der Medizin
Aaron Beckers Forschungsschwerpunkt ist es herauszufinden, wie winzige Schwarm-Roboter zukünftig in der Medizin für Operationen eingesetzt werden könnten. „Um einen Roboter in den menschlichen Körper zu bringen, ist eine Öffnung in der Größe des Roboters erforderlich. Wir erforschen Techniken der kontrollierten Selbstmontage, damit wir winzige Roboterkomponenten in den Körper einführen und sie dann am Ort des Problems zu einem größeren Werkzeug kombinieren können.“ Operationen mit herkömmlichem Operationsbesteck könnten so in Zukunft womöglich vermieden werden. Bislang ist das jedoch noch eine Vision, für die die Grundlagen derzeit am Modell erforscht werden. Auch Mods des beliebten Computerspiels „Minecraft“ kommen in seiner Forschung zum Einsatz, um Bautechniken zu simulieren und Konfigurationen zu testen. „Dadurch sammele ich Pluspunkte bei meinen Söhnen“, sagt Becker.
„Eine meiner Motivationen, an die TU Braunschweig zu kommen, war auch, von den Kolleg*innen zu lernen. Die Abteilung Algorithmik von Prof. Fekete hat im Bereich der verteilten und geometrischen Algorithmen besondere Kompetenz. Wir ergänzen uns sehr gut“, so Becker. „Aarons Schwerpunkt liegt eher in der Anwendung, während wir in erster Linie theoretisch arbeiten“, erklärt Professor Sándor Fekete. „Durch die gemeinsame Arbeit machen wir in beiden Bereichen Fortschritte“, so Fekete.
Besonders angetan ist der Amerikaner von der Zusammenarbeit mit den Studierenden in Braunschweig: „Die TU kann stolz auf ihre Studierenden sein“, betont Aaron Becker. Es mache Spaß, mit so engagierten Nachwuchswissenschaftler*innen zu arbeiten. „Deswegen bin ich Professor geworden“.
Im Frühling ist „Spargelseason“
In der nächsten Zeit wollen die Beckers weiter Braunschweig und Umgebung erkunden. Die Familie war begeistert vom Braunschweiger Weihnachtsmarkt, freut sich jetzt aber auch auf die kommenden Monate. „Hier kann man die Jahreszeiten wunderbar erleben. Zu Hause in Texas haben wir das so nicht. Ich freue mich auf die Blüten im Frühling und die Spargelsaison!“ Und er freut sich auf Besuch aus seiner Heimat: Wenn alles nach Plan läuft und die Pandemielage es zulässt, kommen zwei seiner Doktoranden aus Houston im Sommer nach Braunschweig, um hier vor Ort mitzuarbeiten.
Für Professor Aaron Becker und seine Familie geht es im August wieder zurück in die USA. Aber schon jetzt steht fest: Die enge Zusammenarbeit mit Professor Sándor Fekete und seinem Team wird auch danach fortgeführt.