25. November 2024 | Magazin:

Mikro-LEDs für Neuromorphic Computing Forschende testen erfolgreich Mikro-LED-Technologie für die künstliche Intelligenz von morgen

Bekannt für ihre Energieeffizienz eröffnen Leuchtdioden (LED) auch völlig neue Möglichkeiten der Anwendung jenseits der Beleuchtung: Mit einem Neuronen-Netzwerk aus mikroskopischen LEDs für die künstliche Intelligenz (KI) von morgen will eine Forschergruppe des Nitride Technology Centers (NTC) an der Technischen Universität Braunschweig Computer der Zukunft leistungsfähiger und energieeffizienter machen.

Professor Andreas Waag (TU Braunschweig) und Professor Christian Werner (Ostfalia) am Demonstrator für einen neuromorphen Computer auf LED-Basis. Bildnachweis: Laurenz Kötter/TU Braunschweig

Miniaturisierung, Skalierbarkeit und Energieeffizienz sind entscheidend für die Entwicklung von leistungsfähigerer Hardware für KI-Anwendungen. Die Forschergruppe des NTC an der TU Braunschweig setzt mit der Mikro-LED-Technologie auf einen völlig neuen Ansatz im Bau von Computern. Die energieeffizienten Mikro-LEDs miniaturisieren und skalieren die Forschenden auf eine Art und Weise, die einen Neuromorphic Computer realisiert. Wie ein solcher Computer KI-Anwendungen auf ein höheres Niveau heben kann, erläutert das Verbundteam aus TU Braunschweig, Ostfalia Hochschule und der ams OSRAM in einer Studie im Journal of Physics Photonics.

„Unser optisches neuromorphes Computing bildet die Funktionsweise biologischer neuronaler Netze wie die des menschlichen Gehirns nach, indem wir elektronische Schaltkreise oder photonische Bauelemente verwenden“, sagt Professor Andreas Waag vom Institut für Halbleitertechnik der TU Braunschweig und zugleich Sprecher des Nitride Technology Centers. „Dadurch werden die Schwächen herkömmlicher digitaler Computertechnologie vermieden, welche bei der massiv parallelen Informationsverarbeitung für KI-Anwendungen zu einem immensen Energiebedarf führen“, ergänzt Professor Christian Werner von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Man erwartet, dass in 10 Jahren etwa ein Drittel der weltweit erzeugten elektrischen Energie für Supercomputer und deren Kühlung verwendet wird.

Beim Einsatz der Mikro-LED-Technologie setzen die Wissenschaftler*innen auf Galliumnitrid (GaN). Dieser Halbleiter verbreitet sich einerseits mehr und mehr in der Leistungselektronik, da er eine höhere Leistungsdichte und einen besseren Wirkungsgrad als traditionelle Silizium-Halbleiter bietet. Andererseits ist GaN im Unterschied zu Silizium optisch aktiv und damit der Grundbaustein von blauen LEDs. Das Nitride Technology Center (NTC) an der TU Braunschweig treibt die Entwicklung der Nitrid-Halbleitertechnologie als zweite Säule der Mikroelektronik voran.

Die Forschenden bringen dabei GaN-Bauelemente mit der konventionellen Silizium-Mikroelektronik zusammen, um völlig neue Anwendungsfelder zu erschließen – wie hochintegrierte Raster mit hunderttausenden Mikro-LEDs, die auch im Exzellenzcluster QuantumFrontiers und in dem Quantum Valley Lower Saxony (QVLS) zum Einsatz kommen. „Die speziellen Eigenschaften von Galliumnitrid sind ideal für Mikro-LEDs mit Abmessungen von einem Mikrometer und kleiner“, sagt Waag.

Technologie senkt Energiebedarf

Die Forschergruppe sieht in der GaN-basierten Mikro-LED-Technologie auch großes Potenzial, den Stromverbrauch, den KI-Systeme durch ihren enormen „Energiehunger“ verursachen, bis zu einem Faktor von 10.000 zu senken. Die Mikro-LEDs übernehmen dabei die Aufgabe, die sonst Transistoren aus Silizium übernehmen. Durch eine parallele In-Memory-Verarbeitung in Kombination mit effizienter Photonenproduktion und -detektion entsteht eine Hardware, die die verschiedenen Ebenen neuronaler Netze physisch abbildet und parallelen Informationsfluss ermöglicht.

Bis zur Realisierung eines „künstlichen Gehirns“ auf Basis dieser neuen Technologie bedarf es jedoch noch intensiver Forschungsarbeit, die dann aber auch enorme Energieersparnis verspricht. Der Forschergruppe am NTC ist es bereits gelungen, einen makroskopischen optischen Mikro-LED-Demonstrator mit 1.000 Neuronen zu entwickeln. Dieser hat zudem bereits einen Standard-Test der KI-Mustererkennung bestanden: Er identifiziert unordentlich geschriebene Ziffern von Null bis Neun, die teilweise selbst für einen Menschen schwer entzifferbar sind.

 

Originalveröffentlichung

R Kraneis et al: MicroLEDs for optical neuromorphic computing—application potential and present challenges, 2024 J. Phys. Photonics 6 04LT01 DOI: 10.1088/2515-7647/ad8615