Mehrsprachige Studiengänge als Baustein des Internationalisierungsprozesses Zwei neue Angebote starten im Wintersemester 2021/22
Wer genau hingeschaut hat, hat im Studienangebot der Technischen Universität Braunschweig für das Wintersemester 2021/22 zwei neue Namen entdeckt: Mit „Data Science“ und „Sustainable Engineering of Products and Processes“ starten in wenigen Wochen zwei neue Studiengänge, die eins gemeinsam haben: Sie sind stark international ausgerichtet und bieten Studierenden die Möglichkeit, einen Teil oder das gesamte Studium auf Englisch zu absolvieren. Ein Konzept, das es so an der TU bisher nur im Masterstudiengang „Computational Sciences in Engineering“ (CSE) gab. Grund genug, einmal einen Blick hinter die Kulissen der Entwicklung von mehrsprachigen Studiengängen zu werfen und mit den Verantwortlichen über die Ausrichtung und Ziele der Studiengänge zu sprechen.
Im Sinne der globalen Wissensvermittlung ist es ein erklärtes Ziel der TU Braunschweig, ihre Studierenden bestmöglich für den internationalen Arbeitsmarkt und in Englisch als internationaler Wissenschaftssprache auszubilden. Zudem ist die TU Braunschweig ein beliebtes Ziel für viele internationale Studierende, die entweder einen Teil oder ein vollständiges Studium im Ausland verbringen möchten. Internationale und interkulturelle Qualifizierungsmaßnahmen sind deshalb aus dem Studienalltag schon lange nicht mehr wegzudenken.
Mit dem Masterstudiengang „Computational Sciences in Engineering“ wurde bereits 1999 ein bilinguales und stark international ausgerichtetes Angebot geschaffen, an dem heute vier Fakultäten beteiligt sind – die Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät, die Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften, die Fakultät für Maschinenbau und die Fakultät für Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik. „Unser Konzept war damals sehr innovativ – zu der internationalen und bilingualen Ausrichtung kommt noch der interdisziplinäre Ansatz hinzu“, sagt Annika Kleinwächter, Studiengangskoordinatorin des CSE-Studiengangs. „Unsere Studierenden profitieren von einem breiten Angebot an Lehrveranstaltungen und der Zugang für internationale Studierende gestaltet sich sehr einfach, da sie das erste Studienjahr Zeit haben, um ausreichend Deutschkenntnisse zu erlangen und die ersten beiden Semester noch komplett auf Englisch studieren können.“
Seit über acht Jahren ist der Studiengang voll ausgelastet und es gibt mehr Bewerbungen als Studienplätze. Eine große Rolle spielt dabei laut Kleinwächter auch der familiäre Zusammenhalt innerhalb des Studiengangs sowie das intensive Mentoring-Programm, in dem Studierende sich regelmäßig mit ihren Professor*innen treffen. All das führt dazu, dass auch viele Alumni die TU Braunschweig weiterempfehlen und Studierende aus aller Welt im CSE-Studiengang zusammenkommen. Auch bei den Lehrenden ist das besondere Konzept des CSE beliebt. „Internationale Studierende müssen das deutsche Hochschulsystem erst kennenlernen und sind zum Beispiel andere Klausurformen gewöhnt. Darauf müssen sich unsere Lehrenden einstellen und beispielweise Probeklausuren ausgeben, aber wir bekommen das Feedback, dass die Lehre durch die vielen unterschiedlichen Perspektiven an Vielfalt gewinnt“, berichtet Kleinwächter.
Bilingual, deutsch oder englisch – entscheidend ist ein gut durchdachtes Konzept
Mit dem Masterstudiengang Data Science startet im Wintersemester nun der bisher einzige komplett englischsprachige Studiengang mit internationaler Zielgruppe an der TU Braunschweig. Professorin Ina Schäfer war eine der Initiatorinnen des neuen Angebotes: „In unserem Themenfeld findet die Kommunikation schwerpunktmäßig auf Englisch statt – auch auf dem Arbeitsmarkt. Darauf wollen wir unsere Studierenden vorbereiten und gleichzeitig auch internationales Talent an die TU Braunschweig holen. Deshalb war die Entscheidung für einen rein englischsprachigen Studiengang schnell gefallen.“ Auch für Lehrende sieht Schäfer einen großen Vorteil: „Internationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können dadurch besser integriert und auch in der Lehre eingesetzt werden. Das sorgt für mehr Diversität an unserer Hochschule.“
Die unterschiedliche Herangehensweise der Studiengänge an ihr Sprachkonzept befürwortet auch Annabell Körner vom Projekthaus der TU Braunschweig. Sie berät und betreut Mitglieder der TU Braunschweig bei der Entwicklung von englischsprachigen Studiengängen und empfiehlt: „Es ist wichtig, bei der Konzeptentwicklung von Anfang an mitzudenken für wen der Studiengang entwickelt wird: Wie sieht meine Zielgruppe aus? Und was benötigt diese Zielgruppe später auf dem Arbeitsmarkt?“. Dabei sei es nicht das Ziel, Angebote zu schaffen, die Deutsch als Wissenschaftssprache verdrängen würden, sondern komplementäre Studiengänge zu entwickeln, deren Konzepte verdeutlichen, warum es sinnvoll ist, dass sie bilingual oder ausschließlich auf Englisch angeboten werden.
International und nachhaltig – zwei wichtige Themen im Fokus
Über ihr Konzept haben sich auch die Initiatorinnen und Initiatoren des Bachelorstudiengangs „Sustainable Engineering of Products and Processes“ – kurz „SEPP“ – im Vorfeld intensiv Gedanken gemacht: In einem Workshop unter Lehrenden entstand die Idee, das Thema Nachhaltigkeit in den Ingenieurswissenschaften sichtbarer zu machen. Die bilinguale und internationale Dimension kam im später gegründeten Arbeitskreis schnell hinzu, denn Themen wie dem Klimawandel oder Ressourcenknappheit kann man nur mit einem globalen ganzheitlichen Ansatz begegnen. Studierende der Ingenieurswissenschaften bekommen dafür an der TU Braunschweig nun das nötige Rüstzeug. Das bilinguale Sprachkonzept soll dabei, wie im CSE-Studiengang, sowohl internationale als auch deutsche Studieninteressierte gleichermaßen ansprechen und auf ihr späteres Berufsleben in einer globalisierten Arbeitswelt vorbereiten.
Professor Georg Garnweitner, Leiter des Arbeitskreises zur Konzeption und Einführung des Studiengangs SEPP, erläutert: „Der neue Studiengang SEPP bietet die Möglichkeit, fast alle Lehrveranstaltungen der ersten vier Semester je nach Präferenz auf Deutsch oder Englisch zu belegen – das senkt die Zugangshürden sowohl für deutschsprachige als auch für internationale Studierende. Gerade im ersten Semester werden viele Vorlesungen doppelt abgehalten, während wir in den höheren Semestern, wie durch die Covid-Pandemie erprobt, elektronische Inhalte in der „Zweitsprache“ bereitstellen – in Übungen und Tutorien gibt es in jedem Fall Gruppen in beiden Sprachen. Durch die Wahl einer von drei Vertiefungsrichtungen gibt es zudem für die Studierenden bereits ab dem 3. Semester individuelle Möglichkeiten zur fachlichen Ausgestaltung des Studiums.“
Um insbesondere ihre internationalen Studierenden bestmöglich zu unterstützen und ihnen die Integration zu erleichtern, bieten alle drei Studiengänge in Kooperation mit dem International House spezielle Betreuungsformate an. Support-Angebote wie Tutorienprogramme, Orientierungsveranstaltungen oder Sprachtandemangebote sorgen für einen guten Start in das Studium in Braunschweig.
Symposium für Internationale Lehre im November
Die Zahl der Bewerbungen für alle drei Studiengänge spricht dafür, dass die Konzepte bei den Studieninteressierten gut ankommen und ist auch ein Zeichen dafür, dass die TU Braunschweig mehrsprachige Lehrangebote nutzen kann, um ihre Attraktivität als Studienstandort zu erhöhen. „Es gibt an der TU Braunschweig in diesem Themenfeld zurzeit viel Bewegung. Uns erreichen viele Anfragen von Lehrenden, die sich über das Thema mehrsprachige Lehre informieren möchten oder schon konkrete Ideen haben – diese Entwicklung freut uns sehr“, sagt Annabell Körner.
Am 18. und 19. November 2021 veranstaltet das Projekthaus an der TU Braunschweig ein Symposium für internationale Lehre. Es bietet Raum für den Austausch und für die Diskussion von Ideen, Erfahrungen und Best Practices im Bereich der internationalen Lehre und soll zur Vernetzung von Lehrenden und Studierenden innerhalb der TU Braunschweig und mit anderen Hochschulen beitragen. Die Veranstaltung steht allen interessierten Gästen offen und soll dem Thema Mehrsprachigkeit an der TU Braunschweig zusätzlichen Schwung verleihen.
Text: Henrike Hoy / International House