15. Dezember 2021 | Magazin:

Magnetische Wirbel in der Materialforschung Mikroskopische Einsichten in Quantenmagnete mittels Neutronenstreuung

Um atomare Eigenschaften von Quantenmagneten zu untersuchen, sind häufig Experimente an großen Forschungseinrichtungen notwendig. So ging ein internationales Team von Wissenschaftler*innen unter der Führung des Instituts für Physik der Kondensierten Materie der TU Braunschweig nach Frankreich: In aufwendigen Experimenten wurden am Institut Laue-Langevin in Grenoble die strukturellen und magnetischen Eigenschaften von UNi4B analysiert. Dieses Material zeichnet sich durch seine komplexe Magnetstruktur und den daraus resultierenden neuartigen magnetoelektrischen Effekten aus.

Neutronen-Laue-Aufnahme von UNi4B. Bildnachweis: Jannis Willwater/TU Braunschweig

Aus dem täglichen Leben und dem schulischen Physikunterricht sind normale Stabmagneten reichlich bekannt. Dabei handelt es sich um Ferromagnete, in denen die atomaren magnetischen Momente alle in dieselbe Richtung zeigen. In der Natur gibt es aber noch viele andere Formen des Magnetismus. So stehen in Antiferromagneten benachbarte magnetische Momente antiparallel zueinander. In modernen magnetischen Materialien weichen die magnetische Strukturen jedoch häufig von solch einfachen Anordnungen ab – mit weitreichenden Folgen für die Materialeigenschaften. Ein solches System, die intermetallische Verbindung UNi4B, wurde jetzt am Institut für Physik der Kondensierten Materie im Verbund mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern untersucht.

Strom verändert magnetische Eigenschaften

In UNi4B bilden die magnetischen Momente eine wirbelartige Struktur. Möglich wird das dadurch, dass nicht alle in dem Material befindlichen magnetischen Momente an der magnetischen Ordnung teilnehmen – so wird hier von „partieller magnetischer Ordnung“ gesprochen. Dadurch kommt es zu neuartigen magnetoelektrischen Effekten in dem Material. Das heißt, die magnetischen Eigenschaften des Materials können durch Anlegen eines elektrischen Stromes verändert werden.

Eine Analogie aus dem Schulunterricht dazu wäre ein gerader stromdurchflossener Leiter. Der Strom in dem Leiter erzeugt ein zirkuläres Magnetfeld, ähnlich wie die magnetischen Wirbel in UNi4B. Eine Änderung des Stroms durch den Leiter hat Einfluss auf das Magnetfeld, genauso wie das Anlegen eines weiteren Magnetfelds Einfluss auf dem Strom im Leiter hat. Dieses passiert auf Quantenebene auch in UNi4B, das sich damit als Studienobjekt für derartige magnetoelektrische Effekte anbietet. Diese ermöglichen perspektivisch neue Materialfunktionalitäten.

Wie eine komplexe Magnetstruktur bestimmt wird

Dafür muss auf Experimente zurückgegriffen werden, die in normalen Universitätslaboren nicht durchzuführen sind. In dem Fall von UNi4B wurden die Messungen mittels Neutronenstreuung am Institut Laue-Langevin in Grenoble durchgeführt. Dabei werden Neutronen in einem Forschungsreaktor erzeugt und auf die zu untersuchende Probe geleitet. An der Probe werden die Neutronen dann auf atomarer Ebene gestreut, und das entstehende Streubild kann analysiert werden.

Ein entscheidender Vorteil der Neutronen zum Beispiel im Vergleich zur Röntgenstrahlung ist, dass Neutronen selbst ein magnetisches Moment tragen. So können mittels Neutronenstreuung nicht nur die strukturellen, sondern auch die magnetischen Eigenschaften von Festkörpern direkt untersucht werden. Bei UNi4B wurde das bei Experimenten an Pulver- und Einkristallproben genutzt und das bei sehr tiefen Temperaturen von bis zu -273.05°C.

Die Ergebnisse wurde in der Fachzeitschrift „Physical Review B“ veröffentlicht und wurden zusätzlich als Scientific Highlight im diesjährigen Annual Report des Instituts Laue-Langevin ausgewählt.

Magnetische Struktur von UNi4B. Bildnachweis: Jannis Willwater/TU Braunschweig